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Online-Nachricht - Mittwoch, 15.01.2014

Kindergeld | Zur Bindungswirkung einer familiengerichtlichen Berechtigtenbestimmung (BFH)

Die durch das Familiengericht zu treffende Entscheidung, welcher von mehreren gleichrangig Kindergeldberechtigten vorrangig bei der Kindergeldfestsetzung zu berücksichtigen ist, entfaltet keine Tatbestandswirkung für das Festsetzungsverfahren der Familienkasse, wenn sie unter Überschreitung des gesetzlichen Entscheidungsrahmens eine nicht kindergeldberechtigte Person (insbesondere das Kind selbst) zum Berechtigten bestimmt (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Ist das Kind - wie im vorliegenden Fall - nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen und erhält es auch von keinem der Berechtigten Unterhaltsleistungen, so bestimmen zunächst die Berechtigten untereinander, wer vorrangig das Kindergeld erhalten soll. Fehlt es an einer solchen Bestimmung durch die Berechtigten, so nimmt das Familiengericht auf Antrag eines Berechtigten oder eines Dritten, der ein berechtigtes Interesse an der Zahlung des Kindergeldes hat, die Bestimmung des vorrangig Berechtigten vor (§ 64 Abs. 3 Satz 4, Abs. 2 Sätze 3 und 4 EStG).
Sachverhalt: Die Klägerin befand sich im Streitzeitraum in einer Berufsausbildung. Sie lebte in dieser Zeit in einem eigenen Haushalt. Ihr Vater befand sich in einer Justizvollzugsanstalt, die Mutter unterhielt einen eigenen Hausstand. Beide Elternteile erbrachten keine Unterhaltsleistungen. Die Klägerin beantrage bei der Familienkasse die Auszahlung des Kindergeldes an sich selbst, nachdem sich der Vater geweigert hatte, an der Beantragung des Kindergeldes mitzuwirken. Auf Anraten der Familienkasse beantragte die Klägerin beim Familiengericht, die Bestimmung des vorrangig Kindergeldberechtigten durchzuführen. Das Familiengericht bestimmte jedoch nicht einen der Elternteile zum vorrangig Kindergeldberechtigten, sondern - entsprechend dem Antrag der Klägerin - die Klägerin selbst zur Bezugsberechtigten des Kindergeldes. Die Familienkasse lehnte daraufhin die Abzweigung des Kindergeldes an die Klägerin ab. Im hiergegen gerichteten Klageverfahren hatte das Familiengericht auf Anfrage des Finanzgerichts (FG) eine Änderung seines Beschlusses unter Berufung auf dessen Rechtskraft abgelehnt. Das FG gab daraufhin der gegen die Ablehnung der Abzweigung gerichteten Klage statt und verpflichtete die Familienkasse, der Klägerin zu gewähren (s. NWB KAAAE-30838).
Hierzu führte der BFH weiter aus:

  • Es stellt einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar, wenn das FG auf eine gegen die Ablehnung der Abzweigung (§ 74 Abs. 1 EStG) gerichtete Klage die Familienkasse verpflichtet, Kindergeld zugunsten des Kindes festzusetzen.

  • Die nach § 64 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 4 EStG durch das Familiengericht zu treffende Entscheidung, welcher von mehreren gleichrangig Kindergeldberechtigten vorrangig bei der Kindergeldfestsetzung zu berücksichtigen ist, entfaltet keine Tatbestandswirkung für das Festsetzungsverfahren der Familienkasse, wenn sie unter Überschreitung des gesetzlichen Entscheidungsrahmens eine nach §§ 62 f. EStG nicht kindergeldberechtigte Person (insbesondere das Kind selbst) zum Berechtigten bestimmt.

  • Die Familienkasse hat an dem Vorrangbestimmungsverfahren des Familiengerichts nach § 64 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 4 EStG mitzuwirken, indem sie gegenüber dem Familiengericht diejenigen gleichrangig Kindergeldberechtigten benennt, aus denen das Familiengericht den vorrangig Kindergeldberechtigten auszuwählen hat.

Quelle: NWB Datenbank
Anmerkung: Der BFH weist in seinen Entscheidungsgründen darauf hin, dass das Familiengericht nur die eigentlich den Berechtigten zukommende Entscheidung über den Vorrang zwischen mehreren an sich gleichrangig Berechtigten ersetzen kann. Ebenso wie die Berechtigten selbst einen Nichtberechtigten nicht zum Berechtigten bestimmen könnten, könne auch das Familiengericht eine solche Bestimmung nicht vornehmen. Wer Kindergeldberechtigter ist, bestimme sich nicht nach § 64 EStG, sondern nach § 62 EStG i.V.m. § 63 EStG. Die Entscheidung hierüber obliege der Familienkasse (§ 70 Abs. 1 EStG). Die Entscheidung des Familiengerichts beziehe sich daher allein auf die Vorrangbestimmung, nicht hingegen auf die Berechtigtenbestimmung an sich.
 

Fundstelle(n):
RAAAF-10846