Online-Nachricht - Montag, 22.06.2009

Hartz-IV | Bei kurzem Zusammenleben muss Partner nicht immer zahlen (LSG)

Lebt ein Paar erst kurze Zeit zusammen, braucht sich ein Hartz-IV-Antragsteller vom Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende ("Hartz-IV") nicht zwangsläufig auf Unterstützung durch seinen Partner verweisen zu lassen. Das hat das LSG Nordrhein-Westfalen in einem jetzt veröffentlichten Urteil zugunsten eines frisch gebackenen Diplombetriebswirts entschieden (LSG NRW, Urteil v. - L 19 AS 70/08).


Sachverhalt: Der junge Mann aus Paderborn hatte für eine viermonatige Übergangszeit zwischen erfolgreichem Studienabschluss und Beginn seiner Beschäftigung Sozialleistungen beantragt. Kurz vor seinem Hartz-IV-Antrag war er zu seiner Freundin gezogen. Der Träger der Grundsicherung hatte eine Hilfebedürftigkeit des Klägers verneint: Er müsse sich auch das Einkommen seiner Freundin anrechnen lassen, mit der er in einer Bedarfsgemeinschaft lebe (§ 9 Absatz 2 Satz 1 SGB II).

Hierzu führte das LSG aus: Besteht die Lebensgemeinschaft kürzer als ein Jahr, ist das für eine Bedarfsgemeinschaft vom Gesetz über das bloße Zusammenleben hinaus verlangte gegenseitige Einstehen in Not- und Wechselfällen des Lebens („Einstandswille“ § 7 Absatz 3 Nr. 3c SGB II) im Einzelnen zu ermitteln. Dabei können bei einem Zusammenleben von weniger als einem Jahr nur gewichtige Gründe die Annahme einer Einstandsgemeinschaft rechtfertigen. Im Streitfall sind diese jedenfalls nicht ersichtlich. Denn beim Antrag auf Hartz-IV-Leistungen im August 2007 sind beide erst seit sechs Monaten ein Paar gewesen und haben erst anderthalb Monate zusammen gelebt. Zudem hat der Kläger nach Bestehen seines Betriebswirtschaftsdiploms zunächst nur übergangsweise in die gerade einmal 32 Quadratmeter große Wohnung seiner Freundin in Paderborn ziehen wollen, um Miete zu sparen und sich von dort aus bundesweit auf offene Stellen zu bewerben. Über die Ausgaben der gemeinsamen Haushaltsführung haben beide genau Buch geführt. Das dafür aufgewendete Geld hat ihm seine Freundin, die noch studierte, zunächst nur als Darlehen gewährt und sich später zurückzahlen lassen. Über Konto und Vermögen des anderen haben sie nicht verfügen können. Allein eine nahe menschliche Beziehung auf engem Raum begründet noch keinen Einstandswillen. Jeder Partnerschaft ist es zuzubilligen, zunächst zu prüfen, ob sie wirklich für einander einstehen wolle. Solange die Partner dies nicht nach außen dokumentiert haben, ist für die Annahme einer Einstandsgemeinschaft jedenfalls bis zum Ablauf des ersten Jahres des Zusammenlebens kein Raum.

Anmerkung: Der Träger der Grundsicherung hatte dagegen argumentiert, die Freundin des Klägers habe ihn trotz eigener beengter wirtschaftlicher Verhältnisse mit erheblichen Summen unterstützt und ihm unter Anderem einen Urlaub vorfinanziert. Dies sei typisch für eine Bedarfsgemeinschaft. Zudem habe der Kläger in der Folge mit seiner Freundin weiter zusammengelebt. Das Urteil ist rechtskräftig

Quelle: LSG NRW, Pressemitteilung v.

 

Fundstelle(n):
NWB BAAAF-10727