Umsatzsteuer | Zur Reichweite der Sonderregelung für Reisebüros (EuGH)
Die Mehrwertsteuer-Sonderregelung für Reisebüros ist nicht auf den Verkauf von Reisen an Reisende beschränkt, sondern gilt für Verkäufe an jeden Kunden. Der Gerichtshof weist damit Klagen der Kommission gegen Polen, Italien, die Tschechische Republik, Griechenland, Frankreich, Finnland und Portugal in vollem Umfang ab und gibt einer Klage gegen Spanien teilweise statt ( u.a.).
Hintergrund: Bei den Klagen der EU-Kommission gegen acht Mitgliedstaaten ging es um die Margenbesteuerung von Reiseleistungen nach Art. 306 bis 310 MwStSystRL. Die Kommission ist der Auffassung, dass die Sonderregelung für Reisebüros nur beim Reiseverkauf an Reisende anwendbar sei. Sie wirft den betroffenen Mitgliedstaaten vor, die Anwendung dieser Regelung beim Reiseverkauf an jede Art von Kunden zugelassen zu haben.
Hierzu führte der EuGH weiter aus:
Der Gerichtshof erkennt an, dass es zwischen den Sprachfassungen der Richtlinie, von denen einige den Begriff „Reisender“ und/oder den Begriff „Kunde“ – bisweilen überdies abweichend von einer zur anderen Bestimmung – verwenden, Unterschiede von besonderer Bedeutung gibt.
Der Gerichtshof weist darauf hin, dass in Fällen, in denen die verschiedenen Sprachfassungen eines Unionstextes voneinander abweichen, die fragliche Vorschrift nach dem Zusammenhang und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden muss, zu der sie gehört.
Insoweit kann der Ansatz, die Sonderregelung auf jede Art von Kunden anzuwenden, die Ziele dieser Regelung besser erreichen. Sie lässt Reisebüros nämlich unabhängig von der Art des Kunden, dem sie ihre Leistungen erbringen, vereinfachte Regeln zugutekommen und fördert zugleich eine angemessene Aufteilung der Steuereinkünfte zwischen den Mitgliedstaaten. Zudem hat der Gerichtshof den Begriff „Reisender“ bereits ausgelegt, wobei er ihm einen weiteren Sinn zuschrieb als dem Begriff des Endverbrauchers.
Anmerkung: In Bezug auf Spanien machte die Kommission außerdem geltend, dass die spanische Regelung auch insofern gegen das Unionsrecht verstoße, als sie von der Sonderregelung Verkäufe von Reisen ausnehme, die von Reisegroßhändlern organisiert worden seien, aber von Einzelhandelsreisebüros durchgeführt würden. Weiter rügte die Kommission, im Gegensatz zum Unionsrecht gestatte die spanische Regelung dem Reisebüro, in der Rechnung in Absprache mit dem Kunden in der Rubrik „im Preis enthaltene Mehrwertsteuerbeträge“ einen bestimmten Prozentsatz des Preises einschließlich Mehrwertsteuer auszuweisen, der als dem Kunden in Rechnung gestellt gelte und den dieser abziehen dürfe. Der EuGH hält diese Rügen für begründet. Ferner stellt er fest, dass die spanische Regelung dadurch, dass sie die fragliche Abzugsmöglichkeit nur in den Fällen gestattet, in denen die Dienstleistungen in Spanien erbracht werden, eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit begründet, die mit dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem unvereinbar ist. Schließlich geht der Gerichtshof auf das Argument der Kommission ein, dass die spanischen Vorschriften, nach denen die Steuerbemessungsgrundlage der Handelsspanne der Reisebüros pauschal ermittelt werden könne, keine Rechtsgrundlage in der Richtlinie fänden. Der Gerichtshof bestätigt insoweit, dass im Bereich der Reisebüros die Steuerbemessungsgrundlage nicht pauschal, sondern in der Weise zu ermitteln ist, dass auf jede einheitliche Dienstleistung des Reisebüros Bezug genommen wird.
Quelle: EuGH, Pressemitteilung v. 26.9.2013
Fundstelle(n):
FAAAF-10341