Verfahrensrecht | Zinssatz bei Aussetzungszinsen verfassungswidrig? (FG)
Der BFH muss sich demnächst auch mit der Frage befassen, ob der Zinssatz von 6 Prozent per anno bei Aussetzungszinsen noch verfassungsgemäß ist. Nach Ansicht der Vorinstanz ist die entsprechende Regelung in der Abgabenordnung jedenfalls für einen Zinslauf von 2004 bis 2011 (noch) verfassungsgemäß (; Revision anhängig).
Hintergrund: Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist, soweit u.a. ein Einspruch endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Die Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs bei der Behörde bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet. Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz (§ 238 Abs. 1 AO).
Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:
Der Gesetzgeber hat im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil typisierend auf einhalb Prozent pro Monat festgesetzt. Nach der Absicht des Gesetzgebers sollte der konkrete Zinsvorteil für den Einzelfall nicht ermittelt werden müssen. Eine Anpassung an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz würde wegen dessen Schwankungen auch zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen (so BT-Drucks 8/1410, S. 13 zur Einführung der Vollverzinsung).
Die Grundannahmen des Gesetzgebers dürften gegenwärtig allerdings z.T. nicht mehr zutreffen. Insbesondere ist zweifelhaft, ob die praktischen Schwierigkeiten bei einer Anpassung des Zinssatzes angesichts der Einsatzmöglichkeiten moderner EDV noch bestehen. Zudem ist zu beachten, dass sich das Zinnsatzniveau im letzten Jahrzehnt kontinuierlich nach unten bewegt hat.
Ungeachtet dessen sieht der Senat aber für den streitigen Zinszeitraum 2004 bis 2011 die Grenze zum verfassungswidrigen Übermaßverbot noch nicht als überschritten an.
Anmerkung: Im Streitfall ist zu beachten, dass es hier nicht um die Verfassungsmäßigkeit der Vollverzinsung (§ 233a AO) sondern um die Festsetzung von Aussetzungszinsen ging. Der durch Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und damit auch auf vorläufigen Rechtsschutz könnte in Gefahr geraten, wenn im Falle eines späteren endgültigen Unterliegens - oder Teilunterliegens wie im Streitfall - eine übermäßige Belastung mit Zinsen auf den ausgesetzten Steuerbetrag droht. Das FG Hamburg hat im Streitfall daher die Revision zum BFH zugelassen. Das Revisionsverfahren wird dort unter dem Aktenzeichen
NWB XAAAE-42904
geführt. Wird ein Einspruch auf dieses Aktenzeichen gestützt, ruht das Einspruchsverfahren gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.
Quelle: NWB Datenbank
Hinweise: Hinsichtlich der Vollverzinsung (§ 233a AO) hatte der BFH zuletzt 2011 die Verfassungsmäßigkeit bestätigt ( NWB CAAAD-89049). Mittlerweile ist aber auch diesbezüglich erneut eine Klage beim FG Düsseldorf (Az.: 12 K 2497/12 AO) rechtsanhängig (s. hierzu Gottwald, in NWB EAAAE-27221).
Fundstelle(n):
VAAAF-10340