Verfahrensrecht | Festsetzungsfrist bei Erteilung einer NV-Bescheinigung (BFH)
Die Erteilung einer Nichtveranlagungs-Bescheinigung nach § 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG beendet nicht die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO (; veröffentlicht am ).
Die Erteilung einer Nichtveranlagungs-Bescheinigung nach § 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG beendet nicht die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO (NWB VAAAE-41253; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine Steuerfestsetzung unzulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist.
Sachverhalt: Das Finanzamt (FA) hatte den Klägern für die Jahre 2001 bis 2003 eine Nichtveranlagungs-Bescheinigung gem. § 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG erteilt. Im Streitjahr 2002 erhielt der Kläger von seiner ehemaligen Arbeitgeberin einen Betrag von insgesamt rund 120.000 DM, von dem die Arbeitgeberin keinen Lohnsteuerabzug vornahm. Nachdem das FA Anfang 2009 hiervon erfahren hatte, forderte es den Kläger erfolglos zur Abgabe der Steuererklärung auf. Schließlich setzte es die Einkommensteuer 2002 durch Bescheid vom unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen fest. Später korrigierte es die Festsetzung mit Änderungsbescheid vom . Die Kläger beriefen sich auf Festsetzungsverjährung - in allen Instanzen ohne Erfolg.
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
Die Festsetzungsverjährung steht dem Erlass des Schätzungsbescheids sowie des später ergangenen Einkommensteueränderungsbescheids im Streitfall nicht entgegen.
Die Kläger waren wegen der Höhe des nicht lohnversteuerten Arbeitslohns zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 2002 verpflichtet.
In diesem Fall beginnt die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO vorbehaltlich eines späteren Beginns nach § 170 Abs. 1 AO erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.
Da die streitbefangene Einkommensteuer mit Ablauf des Jahres 2002 entstanden ist und die Kläger erst während des Klageverfahrens im Jahr 2011 eine Einkommensteuererklärung einreichten, begann die Festsetzungsfrist abweichend von § 170 Abs. 1 1. Alt. AO mit Ablauf des Jahres 2005 und endete - bei einer vierjährigen Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO und vorbehaltlich einer Ablaufhemmung nach § 171 AO - frühestens mit Ablauf des Jahres 2009.
Durch die Erteilung der NV-Bescheinigung nach § 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG wird die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht beendet: § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO soll verhindern, dass die Festsetzungsfrist schon beginnt, bevor die Finanzbehörde etwas vom Entstehen des Steueranspruchs erfahren hat. Der Steuerpflichtige soll nicht durch einen Verstoß gegen seine Erklärungspflicht die der Finanzbehörde zur Verfügung stehende Zeit zur Prüfung des Steuerfalls verkürzen können.
Auch der Einkommensteueränderungsbescheid vom ist nicht festsetzungsverjährt: Denn selbst bei einer Festsetzungsfrist von vier Jahren wäre ihr Ablauf nach § 171 Abs. 3a AO gehemmt, wonach in dem Fall, in dem ein Steuerbescheid angefochten wird, die Festsetzungsfrist nicht abläuft, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist. Dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird.
Quelle: NWB Datenbank
Fundstelle(n):
VAAAF-10045