Grunderwerb-/Umsatzsteuer | Und täglich grüßt das Murmeltier (FG)
Der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat (erneut) die Auffassung vertreten, dass ein Bauerrichtungsvertrag (Werkvertrag), der im Zusammenhang mit dem Erwerb eines unbebauten Grundstücks (Kaufvertrag) abgeschlossen wird und der für den Bauherrn eine Umsatzsteuerbelastung auslöst, regelmäßig nicht der Grunderwerbsteuer unterliegen sollte (, 7 K 224/10; Revision anhängig).
Hintergrund: Der II. Senat des BFH hatte kürzlich erneut klargestellt, dass gegen seine ständige Rechtsprechung zum einheitlichen Erwerbsgegenstand im Grunderwerbsteuerrecht keine unions- oder verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Er sah auch keinen Widerspruch zur Rechtsprechung der Umsatzsteuersenate des BFH (s. NWB CAAAE-22194; s. NWB-Nachricht v. 14.11.2012) Zuletzt hatte das BVerfG die unter dem Az. 1 BvR 2766/12 geführte Verfassungsbeschwerde gegen das mit Beschluss v. ohne nähere Begründung nicht zur Entscheidung angenommen. Diese Verfassungsbeschwerde ist damit erledigt (s. NWB-Nachricht v. 11.7.2013).
Hierzu führt das Finanzgericht weiter aus:
Das erkennende Gericht folgt der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Umsatzsteuersenate des BFH, nach der noch auszuführende Bauleistungen in der Regel nicht mit Lieferungen von unbebauten Grundstücken zu einheitlichen Leistungsgegenständen zusammengefasst werden.
Dagegen lehnt das erkennende Gericht die anderslautende, enorm steuerverschärfende Rechtsprechung des für die Grunderwerbsteuer zuständigen Senats des BFH ab, weil diese Rechtsprechung zum "fiktiven einheitlichen Vertragswerk" gegen das Grunderwerbsteuergesetz, gegen die Einheit der Steuerrechtsordnung, gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot, gegen das Gebot des gesetzlichen Richters und gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt.
Die ständige Rechtsprechung des II., V. und XI. Senats des BFH bewirkt, dass zwei Bauherren, die beide ein vergleichbares, unbebautes Grundstück erwerben und zu diesem Zeitpunkt bereits konkret die Bebauung dieser Grundstücke mit jeweils vergleichbaren Familienwohnheimen planen, dann unterschiedlich besteuert werden, wenn einer der Bauherren das Grundstück von einer Person erwirbt, die er zugleich in einem separaten Bauerrichtungsvertrag mit der Bauausführung beauftragt, während der andere Bauherr - bei gegebenenfalls inhaltlich identischem Bauvertrag - mit der Bauausführung ein drittes Unternehmen beauftragt.
Während der erstgenannte Bauherr aufgrund einer „Bündelung" von Kauf- und Bauvertrag auf die ihm nach beiden Verträgen erbrachten Leistungen mit der Grunderwerbsteuer belastet wird, die Leistung nach dem Bauerrichtungsvertrag aber nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei ist, wird der Bauherr, der entsprechende Verträge mit unterschiedlichen Personen abschließt, zum einen mit der gesetzlichen Umsatzsteuer auf die Bauleistung und zudem nochmals hierauf mit der Grunderwerbsteuer belastet. Diese Ungleichbehandlung ist willkürlich und verletzt daher die Kläger in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Die rechtswidrige, enorm steuerverschärfende Rechtsprechung des II. Senats des BFH, durch die ein nationaler "Belastungscocktail" aus Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer (= Sonderumsatzsteuer) entsteht, verstößt auch gegen europäisches Gemeinschaftsrecht, auch wenn der Gerichtshof der Europäischen Union dies bisher (noch) nicht wahrhaben will.
Hinweis: Das Finanzgericht hat die Revision mit der Anregung an den BFH zugelassen, die Rechtssache dem Großen Senat zur Sicherung einer einheitlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung vorzulegen, damit das Verfahrensgrundrecht der Kläger auf den gesetzlichen Richter nicht verletzt werde. Das entsprechende Revisionsverfahren ist beim BFH zwischenzeitlich unter dem Aktenzeichen II R 22/13 anhängig. Den Text der Entscheidung des Finanzgerichts finden Sie auf dessen Internetseiten. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.
Quelle: FG Niedersachsen online
Fundstelle(n):
KAAAF-10014