Kaufrecht | Reichweite der Aufklärungspflicht des Verkäufers (BGH)
Der Verkäufer eines bebauten Grundstücks muss den Käufer nur über solche Umstände aufklären, die für dessen Kaufentscheidung erkennbar von Bedeutung sind ().
Der Verkäufer eines bebauten Grundstücks muss den Käufer nur über solche Umstände aufklären, die für dessen Kaufentscheidung erkennbar von Bedeutung sind (NWB EAAAE-33620).
Hintergrund: Die Aufnahme von Vertragsverhandlungen verpflichtet jeden Vertragspartner, den anderen Teil über Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln könnten und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind. Unterbleibt diese Aufklärung, so führt dies zu einem Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2 BGB – culpa in contrahendo).
Sachverhalt: Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer Investmentgesellschaft (Schuldnerin), die im Jahr 2007 von der Beklagten ein mit einem Einkaufszentrum bebautes Grundstück zum Preis von rund 11,8 Mio. € erwarb. Der Kaufpreis war durch Multiplikation der Jahresmieten mit dem Faktor 11,33 errechnet worden. Von der mehr als 7.000 qm großen Gesamtfläche des Einkaufszentrums war mehr als die Hälfte durch Verträge aus den Jahren 1993 und 1994 für die Dauer von 15 Jahren an die S. AG für 12,42 €/qm vermietet worden. Diese nutzte die Flächen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses jedoch nicht mehr selbst, sondern hatte sie – mit Ausnahme einer leerstehenden Teilfläche – für durchschnittlich 3,38 €/qm untervermietet. Der Schuldnerin war aufgrund eines Exposés die teilweise Untervermietung bekannt. Im Hinblick auf die von den Hauptmieten erheblich abweichenden Untermieten verlangt der Kläger Schadensersatz in Höhe von rund 2,8 Mio. €. Die Instanzgerichte haben die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe die Schuldnerin nicht unaufgefordert über die Höhe der Untermieten informieren müssen. Dieser sei angesichts der nur noch kurzen Laufzeit der Hauptmietverträge das Risiko bekannt gewesen, bei der Neuvermietung die bisherigen Mieten nicht mehr erzielen zu können.
Hierzu führte das Gericht u.a. aus:
Ohne Rechtsfehler verneint das Berufungsgericht eines Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Eine Aufklärungspflicht hinsichtlich der erzielten erheblich niedrigeren Untermieten bestand nicht.
Eine solche setzt voraus, dass sich die Fehlvorstellung des Käufers auf Umstände bezieht, die für seine Kaufentscheidung erkennbar von wesentlicher Bedeutung sind.
Hier war der Kaufpreis jedoch ersichtlich nicht im Hinblick auf die tatsächliche Nutzung des Einkaufszentrums bestimmt worden; denn diese war von einer der Schuldnerin bekannten nur noch zweijährigen Restlaufzeit der Hauptmietverträge und erheblichen Leerständen geprägt.
Wenn die Schuldnerin in Kenntnis dieser Umstände einen Kaufpreis akzeptiert, der auf der Grundlage der Hauptmietverträge bemessen war, so durfte die Beklagte davon ausgehen, dass die Schuldnerin eigene Pläne verfolgte, mit der sie die Erwartung verband, höhere Erträge zu erwirtschaften.
Anmerkung: Im entschiedenen Fall enthielt der Kaufvertrag allerdings eine Klausel, nach der die Beklagte der Schuldnerin sämtliche Unterlagen (Verträge und Korrespondenz) bezüglich des Kaufgegenstands zu übergeben. Ob der Beklagte dieser Informationspflicht nachgekommen ist, muss vom Berufungsgericht nun überprüft werden. Der BGH weist darauf hin, dass diese Informationspflicht über das hinausgehen kann, was der Verkäufer aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis mitzuteilen verpflichtet gewesen wäre.
Quelle: NWB Datenbank
Autor: Ingo Ehlers, Rechtsanwalt, Freiburg
Fundstelle(n):
SAAAF-09749