BSG Beschluss v. - B 13 R 24/15 R

Instanzenzug: S 11 R 350/08

Gründe:

I

1Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Regelaltersrente für die Klägerin unter Anrechnung von glaubhaft gemachten Beitragszeiten vom bis , in denen sie als sog "Ostarbeiterin" versicherungspflichtig gearbeitet haben will.

2Das die Berufung der Klägerin zurückweisende Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG) vom , mit dem die Revision zugelassen worden ist, ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am zugestellt worden. Gegen das Urteil hat der Bevollmächtigte mit Telefax vom , eingegangen am selben Tag, fristgerecht Revision eingelegt. Mit undatiertem Schreiben, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am , hat er sich auf eine angeblich am ablaufende Begründungsfrist bezogen und deren Verlängerung um einen Monat beantragt. Auf Hinweis des Senatsvorsitzenden vom , dass die Frist zur Begründung der Revision bereits am abgelaufen sei, hat der Bevollmächtigte der Klägerin am per Telefax mitgeteilt, dass der Fristverlängerungsantrag am "zum Postausgang" gegeben worden sei, und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen einer überlangen Postlaufzeit beantragt. Am hat er - ebenfalls per Telefax - die Revisionsbegründung sowie eine von ihm selbst erstellte eidesstattliche Versicherung vorgelegt, wonach er den Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründung am zusammen mit seiner Mitarbeiterin S. H. - einer deutschen Juristin - gefertigt und (nur er selbst) unterschrieben habe. Nach Fertigstellung sei der Schriftsatz unmittelbar in den Postausgang gegeben worden, welcher täglich zum Postamt gebracht werde.

II

3Die Revision der Klägerin ist unzulässig (§ 169 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Nach § 164 Abs 2 S 1 SGG ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vorinstanzlichen Urteils zu begründen; bei einer Zustellung im Ausland beträgt die Frist in entsprechender Anwendung des § 87 Abs 1 S 2 SGG (vgl BSG SozR Nr 51 zu § 164; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 7a) vier Monate. Diese Frist kann gemäß § 164 Abs 2 S 2 SGG auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Das Urteil des LSG ist dem Bevollmächtigten der Klägerin am in Israel zugestellt worden. Bis zum Ablauf der am endenden Revisionsbegründungsfrist ist weder eine Revisionsbegründung noch ein Antrag auf Fristverlängerung beim BSG eingegangen.

4Gemäß § 67 Abs 1 SGG ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist nach Abs 2 der Vorschrift binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am - und damit innerhalb eines Monats nach Versäumung der Beantragung der Fristverlängerung - den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Er hat zwar den Antrag auf Fristverlängerung nicht innerhalb dieser Frist nachgeholt, dafür aber vor Ablauf der Monatsfrist zur Nachholung der Prozesshandlung am seine Revisionsbegründung - zusammen mit seiner eidesstattlichen Versicherung vom selben Tag zur Glaubhaftmachung der Unverschuldetheit der Fristversäumung - vorgelegt und damit die (eigentliche) Prozesshandlung nachgeholt, für die er ursprünglich die Verlängerung der Frist beantragt hatte. Nicht hingegen hat der Bevollmächtigte der Klägerin, der selbst von einem Fristablauf erst am ausging, Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand glaubhaft gemacht (§ 67 Abs 2 S 2 SGG). Er beruft sich zwar auf eine ungewöhnlich lange Postlaufzeit zwischen Israel und Deutschland; dass eine solche aber ursächlich für die Fristversäumnis gewesen ist, hat er nicht iS einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit dargetan.

5Der Senat lässt dahinstehen, dass sich der Bevollmächtigte der Klägerin zur Fristwahrung bei der Revisionseinlegung sowie im weiteren Schriftwechsel - mit Ausnahme nur des Fristverlängerungsantrags - stets des Telefaxes zur Übermittlung der Schriftsätze bedient hat. Nur der Fristverlängerungsantrag weist auch kein Ausstellungsdatum auf, wobei auffällt, dass nur dieses Schreiben von der als "susi" in der internen Kanzleisoftware des Bevollmächtigten bezeichneten Frau S. H. bearbeitet und - offenbar - versandfertig gemacht worden sein soll, der Bevollmächtigte aber weder in seiner eigenen eidesstattlichen Versicherung vom die Zuverlässigkeit dieser Mitarbeiterin sowie deren Unterweisung und hinreichende Überwachung aufgeführt noch eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin selbst zur Glaubhaftmachung einer fehlerfreien Weiterbearbeitung vorgelegt hat.

6Denn jedenfalls begnügt sich der Bevollmächtigte der Klägerin mit der Behauptung, dass der Schriftsatz zur Beantragung der Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist "in den Postausgang" gegeben worden sei. Weder ist belegt, wann genau dies erfolgt sein soll ("... nach Fertigstellung unmittelbar ..."), noch ist erkennbar, wer für den Postausgang und die Übermittlung der Post zum Postamt verantwortlich ist (bzw war) und ob die- oder derjenige ein(e) sonst zuverlässige(r) Mitarbeiter(in) ist (war), die (der) hinreichend beaufsichtigt und unterwiesen worden ist. Ein Rechtsanwalt ist aber verpflichtet, durch organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen in größtmöglichem Umfang auszuschließen; hierzu gehört insbesondere eine wirksame Ausgangskontrolle, durch die gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen (vgl BSG Beschlüsse vom - B 10 EG 3/05 B - und vom - B 9 SB 27/14 B - Juris mwN). Unverzichtbares Organisationserfordernis sind ausreichende Einrichtungen zur Vermeidung von Fehlern bei der Behandlung von Fristsachen (stRspr, vgl zB BGH NJW 1991, 1178; BFH BFH/NV 2003, 1440; BVerwG FEVS 54, 390; - Juris). Dies bedeutet, dass jeder Rechtsanwalt eine Ausgangskontrolle für fristwahrende Schriftsätze eingerichtet haben muss (BSGE 61, 213 f = SozR 1500 § 67 Nr 18 S 44; - Juris; BVerwG FEVS 54, 390; BFH BFH/NV 2000, 1117 f; BGH NJW 1996, 2096, 2097; OVG Saarland NVwZ-RR 2005, 448) . Dies kann zB derart organisiert sein, dass ein Fristenbuch geführt wird, in dem für jeden fristwahrenden Schriftsatz die maßgebliche Frist eingetragen und erst nach Absendung durchgestrichen wird, sowie dass am Schluss jeden Arbeitstags eine Überprüfung der erforderlichen Erledigungen stattfindet (vgl dazu - MedR 2006, 235; BSGE 61, 213, 216 = SozR 1500 § 67 Nr 18 S 44; - Juris; OVG Saarland NVwZ-RR 2005, 448; s auch BGH NJW 1996, 1178 f).

7Dass der Bevollmächtigte das Versenden der Post noch am in der vorbeschriebenen Weise kontrolliert hat, hat er weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Wäre bei einer solchen Kontrolle aufgefallen, dass der Schriftsatz ggf noch nicht zur Post gegeben worden war, hätte die Möglichkeit bestanden, durch eine Übermittlung per Telefax die Frist zu wahren.

8Mangels Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrunds scheidet die Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist damit aus. Die unzulässige Revision ist ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 169 Satz 2 und 3 SGG).

9Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Fundstelle(n):
CAAAF-09121