BSG Beschluss v. - B 12 KR 62/15 B

Instanzenzug: S 10 KR 252/12

Gründe:

1In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob zwei Kapitalabfindungen, die der Kläger am von der Allianz Versorgungskasse VVaG erhielt, als kapitalisierte Versorgungsbezüge der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und in der sozialen Pflegeversicherung unterliegen.

2Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

4Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

5Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

61. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

7Der Kläger formuliert auf Seite 5 der Beschwerdebegründung:

"Die Rechtssache hat auch grundsätzliche Bedeutung, da bislang verfassungsrechtlich die unterschiedliche Behandlung einer privat abgeschlossenen Lebensversicherung bei einer Pensionskasse zu den privat fortgeführten Direktversicherungen nicht geklärt ist."

8Zur Begründung führt der Kläger zusammenfassend aus, es liege eine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG durch die Rechtsprechung vor, da die Gerichte im Wege der Auslegung gesetzlicher Vorschriften oder der Lückenfüllung zu einer dem Gesetzgeber verwehrten Differenzierung oder zu einer dem Gesetzgeber verwehrten Gleichbehandlung von Ungleichem gelangten. Könne der Gesetzgeber ohne Verletzung von Art 3 Abs 1 GG eine Rechtslage nicht schaffen, die dem Ergebnis der hier angegriffenen Rechtsprechung entspreche, so verstoße die Rechtsprechung gegen Art 3 Abs 1 GG. Es liege auch eine Verletzung des Eigentumsrechts bzw eine Verletzung des Rückwirkungsverbotes vor. Er habe die Lebensversicherung im Jahr 1971 abgeschlossen. Er habe somit keine Wahl treffen können, die private Lebensversicherung bei einem anderen Lebensversicherungsunternehmen abzuschließen, bei dem die spätere Kapitalauszahlung keiner Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung unterlegen hätte. "Lediglich formelle institutionelle Kriterien" seien nicht ausreichend, um zwischen einer privat abgeschlossenen Lebensversicherung bei einer Pensionskasse zu den privat fortgeführten Direktversicherungen zu unterscheiden.

9Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge schon im Ansatz nicht (vgl hierzu exemplarisch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Denn der Kläger hat schon keine hinreichend klare abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl allgemein - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; -B5R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181).

10Darüber hinaus legt der Kläger die Klärungsbedürftigkeit nicht in der gebotenen Weise dar. Er befasst sich nicht mit der vom LSG auf Seite 7 des Beschlusses zitierten umfangreichen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zur Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus Direktversicherungen (vgl BVerfG SozR 4-2500 § 229 Nr 5; - Juris; - Juris; SozR 4-2500 § 229 Nr 16; zur Frage eines Vertrauensschutzes in Zusammenhang mit Neuregelungen vgl BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 4 RdNr 25). Insbesondere berücksichtigt er nicht, dass das BVerfG die in der Rechtsprechung des BSG entwickelte institutionelle Unterscheidung grundsätzlich gebilligt hat und nur für Kapitalleistungen, die auf Beiträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit auf den Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers einzahlte, eine Ausnahme gemacht hat (BVerfG SozR 4-2500 § 229 Nr 11 RdNr 15). Die Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, inwieweit der vorliegende Sachverhalt insbesondere vor dem Hintergrund der zu Rentenzahlungen einer Pensionskasse (etwa BSGE 116, 241 = SozR 4-2500 § 229 Nr 18), auf die das LSG auf Seite 9 des Beschlusses ebenfalls ausdrücklich hingewiesen hat, (erneut) klärungsbedürftige Rechtsfragen aufwirft. Soweit der Kläger das Vorliegen einer Ungleichbehandlung in den Raum stellt, unterlässt er eine nachvollziehbare Darstellung der vermeintlich ungleich behandelten Sachverhalte. Wird in der Beschwerde eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung aber unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; ferner zB - Juris RdNr 7 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Darzulegen ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG insbesondere, worin die für eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale bestehen sollen (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 45). Entsprechende Ausführungen sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Im Kern wendet sich der Kläger vielmehr gegen die Rechtsanwendung durch das LSG im Einzelfall, was in seiner die Beschwerdebegründung einleitenden Formulierung "Dem kann nicht gefolgt werden" und in seiner Darstellung seiner Rechtsauffassung, zB "Die Kapitalauszahlung ist daher mit einer Auszahlung aus einem privaten Kapital-Lebensversicherungsvertrag gleichzusetzen (...)", unter Beweisantritt deutlich wird. Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

11Schließlich legt der Kläger die Klärungsfähigkeit der von ihm für grundsätzlich bedeutsam erachteten Rechtssache überhaupt nicht dar.

122. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und der Berufungsentscheidung tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).

13Der Kläger behauptet auf Seite 5 der Beschwerdebegründung, die Entscheidung des LSG weiche von einer Entscheidung des BVerfG ab und beruhe auf dieser Abweichung.

14Auch insoweit genügt die Beschwerdebegründung nicht den Darlegungsvoraussetzungen. Der Kläger unterlässt es bereits, aus den gegenübergestellten Entscheidungen sie jeweils tragende präzise Rechtssätze zu entnehmen, die zum gleichen Gegenstand gemacht wurden. Er beschränkt sich lediglich darauf, eine Gleichbehandlung zwischen Leistungen privater Lebensversicherungen und "kapitalisierten betrieblichen Altersrenten einer selbstständigen Pensionskasse iS des § 1b Abs 3 S 1 BetrAVG" (vgl Beschluss des LSG S 6) zu fordern. Eine zur Zulassung der Revision führende Divergenz legt der Kläger dadurch nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise dar.

153. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

164. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Fundstelle(n):
SAAAF-09107