BGH Beschluss v. - IX ZB 84/13

Vollstreckbarerklärungsverfahren: Konkretisierung eines nach deutschem Recht nicht hinreichend konkreten ausländischen Titels; Darlegungslast für Versagungsgrund

Gesetze: Art 34 Nr 1 EGV 44/2001

Instanzenzug: Az: 6 W 768/12vorgehend LG Nürnberg-Fürth Az: 4 O 10143/11

Gründe

1Die Rechtsbeschwerde ist gemäß Art. 44 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (fortan: EuGVVO aF) in Verbindung mit § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nach § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil sie nicht aufzeigt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

21. Auf das Verfahren findet die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom Anwendung, die in allen (damaligen) Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft mit Ausnahme Dänemarks am in Kraft getreten ist (Art. 76 EuGVVO aF) und auf alle Klagen anzuwenden ist, die - wie vorliegend - danach erhoben worden sind (Art. 66 Abs. 1 EuGVVO aF). Die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom (fortan: EuGVVO nF) kommt nach Art. 66 Abs. 1 EuGVVO nF nicht zur Anwendung, weil das Verfahren nicht am oder danach eingeleitet worden ist. Für die vor dem eingeleiteten Verfahren findet nach Art. 66 Abs. 2 EuGVVO nF die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 weiterhin Anwendung.

32. Die von der Rechtsbeschwerde geltend gemachten Zulässigkeitsgründe liegen nicht vor:

4a) Das Beschwerdegericht hat nicht gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen, indem es bei der Vollstreckbarerklärung des italienischen Titels, der den nach deutschem Zwangsvollstreckungsrecht zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen nicht genügte, die erforderlichen Konkretisierungen anhand des in dem Fall in Bezug genommenen Mahnbescheides und weiterer Unterlagen vorgenommen hat. An der Richtigkeit der Konkretisierungen zweifelt die Rechtsbeschwerde nicht. Das Landgericht hatte dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung in vollem Umfang stattgegeben, wobei es die erforderlichen Konkretisierungen unterließ. Über die Entscheidungen des Landgerichts ist das Beschwerdegericht inhaltlich zu Lasten der Antragsgegnerin im Ergebnis nicht hinausgegangen. Klärungsbedürftige Grundsatzfragen stellen sich in diesem Zusammenhang nicht.

5b) Das Beschwerdegericht ist mit seiner Entscheidung auch nicht über den Antrag der Gläubigerin hinausgegangen. In ihrem Antrag auf Vollstreckbarerklärung war, was sich durch Auslegung ohne weiteres ergab, zu jeder Zeit, auch im Beschwerdeverfahren, der Antrag enthalten gewesen, die Vollstreckbarerklärung mit der erforderlichen Konkretisierung des vollstreckbaren Inhalts des Titels vorzunehmen. Es ist nicht erforderlich, dass der Antrag mit dem Entscheidungstenor wörtlich übereinstimmt.

6Im Interesse der Titelfreizügigkeit muss im Exequaturverfahren eine Konkretisierung oder Ergänzung für vollstreckbar zu erklärende, nach deutschem Recht nicht hinreichend konkretisierte Titel vorgenommen werden (, BGHZ 122, 16, 18; vom - III ZB 19/11, WM 2012, 179 Rn. 6). Gegebenenfalls muss hierzu auch eine Beweisaufnahme zum ausländischen Recht durchgeführt werden, wenn sich hieraus der konkrete Inhalt des Titels ergibt ( aaO; Beschluss vom - IX ZB 44/12, WM 2014, 42 Rn. 9). Die hierauf vorzunehmenden Konkretisierungen obliegen dem Gericht des Vollstreckungsstaates. Auch in diesem Zusammenhang stellen sich keine entscheidungserheblichen Grundsatzfragen.

7c) Die Beschwerdeentscheidung verstößt nicht deshalb gegen den deutschen ordre public (Art. 34 Nr. 1 EuGVVO aF), weil die Antragstellerin in Italien die streitgegenständlichen Ansprüche in einem gesonderten Verfahren auch gegen die Weinhandlung K.     geltend macht. Da aus der Sicht der Antragstellerin ungeklärt ist, gegen wen sich der Anspruch richtet, durfte sie gegen beide möglichen Passivlegitimierte vorgehen. Auch nach deutschem Recht wäre sie hierzu berechtigt und nicht darauf beschränkt gewesen, nur gegen einen von beiden mit gleichzeitiger Streitverkündung an den anderen zu klagen.

8aa) Der Versagungsgrund des Art. 34 Nr. 1 EuGVVO aF ist von Amts wegen zu prüfen, doch sind die hierfür entscheidungserheblichen Tatsachen vom Antragsgegner darzulegen (st.Rspr., vgl. zuletzt , WM 2012, 1445 Rn. 9; vom - IX ZB 144/10, WM 2012, 662 Rn. 17). Der Kläger ist dann, wenn er gegen mehrere in Betracht kommende Anspruchsgegner getrennt klagt, an die prozessuale Wahrheitspflicht gebunden. Er kann aber in den Prozessen alternativ die für ihn günstigere Sachverhaltsvariante vortragen und unter Beweis stellen, wenn nicht von vorneherein gesichert ist, dass er die Version, die er für wahr hält, tatsächlich auch beweisen kann. Sollte nämlich die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts etwas anderes ergeben, muss er ebenfalls seine Rechte wahrnehmen können. Ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht ist deshalb nicht feststellbar. Ob die eidesstattliche Versicherung des     K.     inhaltlich richtig ist, steht nicht fest.

9Der Versagungsgrund des Art. 34 Nr. 1 EuGVVO aF kann zwar im Falle des Prozessbetrugs eingreifen (vgl. etwa , WM 2004, 1391, 1393). Hinreichende Anhaltspunkte für einen Prozessbetrug hat das Beschwerdegericht aber zutreffend verneint.

10bb) Davon abgesehen hindert ein möglicher Prozessbetrug die Vollstreckbarerklärung nicht, wenn gegen die Entscheidung des Urteilsstaates ein Rechtsmittel eingelegt wurde, in welchem der Prozessbetrug geltend gemacht werden konnte oder noch geltend gemacht werden kann (, WM 2014, 1295 Rn. 6 mwN). So war es hier. Auch insoweit stellen sich keine klärungsbedürftigen Grundsatzfragen.

113. Die vom Rechtsbeschwerdeführer im Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht gestellten Anträge sind sämtlich verbeschieden worden. Ein Zulässigkeitsgrund liegt auch insoweit nicht vor, insbesondere ist das Recht der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt worden.

Kayser                           Gehrlein                      Vill

                Lohmann                          Bär

Fundstelle(n):
JAAAF-08647