Honorarprozess einer Wirtschaftsprüfergesellschaft: Gehörsverletzung durch Übergehen von Parteivortrag zu einer Honorarvereinbarung
Gesetze: Art 103 Abs 1 GG
Instanzenzug: Az: 7 U 2287/13vorgehend LG München I Az: 10 HKO 9575/12
Gründe
I.
1Die Parteien streiten um die Berechtigung von Honorarforderungen der Klägerin. Die Klägerin ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die von der Beklagten mit der Durchführung der Abschlussprüfungen für die Jahre 2006 bis 2008 beauftragt wurde. Die schriftlich bestätigten Aufträge enthalten zum Honorar Folgendes:
"Wir schätzen, dass das auf Basis der erhaltenen Unterlagen kalkulierte Pauschalhonorar und aufgrund der Prüfungshandlungen einen Betrag von
für 2006: 16.000 €
für 2007: 10.000 €
für 2008: 10.000 €
zzgl. Umsatzsteuer in der gesetzlichen Höhe nicht übersteigen wird. Das genannte Honorar ergibt sich aus der Schätzung der anfallenden Prüferstunden bei Berücksichtigung eines Durchschnittsstundensatzes von 80 €."
2Die Klägerin rechnete ihre Leistungen zunächst nach Aufwand in Höhe von 26.304,95 € ab. Die Bezahlung verweigerte die Beklagte, da sie die Abrechnung nicht nachvollziehen könne. Daraufhin erstellte die Klägerin eine Rechnung über ein Gesamtpauschalhonorar von 36.000 € netto zzgl. Umsatzsteuer. Dieser Betrag ist Gegenstand der Klage.
3In erster Instanz hat die Beklagte vorgetragen, es sei im Rahmen von Besprechungen im Mai/Juni 2010, vor Abschluss der Pauschal-Honorarvereinbarung, ausdrücklich vereinbart worden, dass die Leistungen der Klägerin nach Zeitaufwand abzurechnen seien, und zwar nach einem Stundensatz von 80 €. Zudem sei die Klägerin gebeten worden, eine Honorarobergrenze zu benennen. Vor diesem Hintergrund habe der Geschäftsführer der Beklagten die Pauschal-Honorarvereinbarung unterschrieben, weil er den Inhalt der zuvor geführten Gespräche in Erinnerung gehabt und an der Seriosität der Klägerin nicht gezweifelt habe.
4Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, es könne dahinstehen, ob vor dem Zeitpunkt der schriftlichen Vereinbarung des Pauschalhonorars im Rahmen von Besprechungen zwischen den Parteien von einer Abrechnung nach Stundensätze die Rede gewesen sei, da der Vertrag schließlich mit einer Pauschal-Honorarvereinbarung geschlossen worden sei.
5Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründung hat sie unter anderem ausgeführt:
"Im Zuge der Überprüfung des Ersturteils hat der Geschäftsführer der Beklagten die Angelegenheit nochmals hausintern mit seinem Geschäftspartner, Herrn St. besprochen. Hierbei stellte sich heraus, dass Herr St., nachdem die Auftragsbestätigungen für die Jahre 2006 bis 2008 bei der Beklagten eingegangen waren, bei dem Geschäftsführer der Klägerin, Herrn R., anrief und ihn befragte, weshalb er nicht eine relativ kurzgefasste Stundenlohnvereinbarung, sondern statt dessen mehrseitige teilweise kryptisch formulierte Auftragsbestätigungen übersandt habe. Herr R. erklärte Herrn St. hierzu, er könne aufgrund berufsrechtlicher Vorschriften nur auf diese Art und Weise eine Abrechnung nach Zeitaufwand unter gleichzeitiger Geltung der mündlich vereinbarten Honorarobergrenzen wirksam darstellen. Unabhängig von diesen Formulierungen bleibe es jedoch selbstverständlich bei den mündlichen Vereinbarungen, nach denen ausschließlich nach Zeitaufwand zu einem Stundensatz von 80 € abzurechnen ist und die in den Auftragsbestätigungen vom genannten Beträge absolute Honorarobergrenzen darstellen.
Beweis: St., b.b, als Zeuge
Der vorstehende Sachverhalt wurde dem Geschäftsführer von Herrn St. Mitte Juni 2013 mitgeteilt, als er mit diesem das Ersturteil durchging. Ihm war dieser Sachverhalt zuvor nicht bekannt gewesen. Aufgrund dessen konnte auch in erster Instanz noch nicht vorgetragen werden."
6Das Berufungsgericht hat die Beklagte mit Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hingewiesen, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe. Unter anderem hat das Berufungsgericht ausgeführt, es könne dahinstehen, ob vor der schriftlichen Vereinbarung des Pauschalhonorars zwischen den Parteien bereits ein mündlicher Vertrag auf Stundenbasis zustande gekommen sei. Wäre dies so, wäre der mündliche Vertrag durch den nachfolgenden schriftlichen Vertrag überholt bzw. abgeändert worden.
7Zu dem Hinweisbeschluss hat die Beklagte mit Schriftsatz vom Stellung genommen und unter anderem ausgeführt:
"Der wahre Wille der Vertragsschließenden zeigt sich auch noch einmal in dem Telefonat zwischen Herrn St. und dem Geschäftsführer der Klägerin, Herrn R., nach Erhalt der Auftragsbestätigungen im Juli 2010. In diesem Telefonat rechtfertigte Herr R. die Wortwahl in Ziff. 6 der Auftragsbestätigung damit, dass nur auf diese Weise die zuvor mündlich vereinbarte Honorarobergrenze erreicht werden kann und versicherte nochmals, dass selbstverständlich entsprechend der zuvor mündlich vereinbarten Honorarregelung abgerechnet wird. ...
Die Besprechungen zwischen den Parteien vor sowie das Telefonat zwischen Herrn St. und Herrn R. nach Übersendung der Auftragsbestätigungen wurden jedoch vom Gericht in keinster Weise berücksichtigt. Auch das auf Blatt 5 der Berufungsbegründung ausführlich geschilderte Telefonat hätte maßgeblich zur Ermittlung des tatsächlichen Willens und des gemeinsamen Verständnisses der Parteien über den Regelungsgehalt der Ziff. 6 in den Auftragsbestätigungen beigetragen."
8Mit Beschluss vom hat das Berufungsgericht gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Berufung zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde der Beklagten.
II.
91. Das Berufungsgericht führt aus: Es sei richtig, dass der übereinstimmende Wille der Parteien dem Wortlaut eines Vertrages vorgehe. Allerdings könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses kein Pauschalhonorar gewollt habe. Anderslautende Stellungnahmen im Vorfeld seien in den Vertrag nicht eingeflossen.
102. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg. Der Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts beruht auf einer Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG. Er ist deshalb aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 544 Abs. 7 ZPO, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht.
11Ein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Parteivorbringen nicht zur Kenntnis nimmt (BGH, Beschlüsse vom - VII ZR 272/13, juris Rn. 9; vom - VII ZR 126/12, juris Rn. 7; vom - VII ZR 195/08, BauR 2010, 1792 Rn. 8).
12So liegt der Fall hier. Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Beklagten zum übereinstimmenden Verständnis der Parteien über den Inhalt der Honorarvereinbarung vollständig übergangen und in seinen Gründen weder in der Sachverhaltsdarstellung noch im Rahmen der rechtlichen Bewertung erwähnt. Da dieser Vortrag den Kern des Rechtsstreits betrifft, indiziert dessen Nichterwähnung, dass das Berufungsgericht ihn nicht zur Kenntnis genommen hat. Deshalb hat es auch nicht erwogen, den hierzu benannten Zeugen St. zu vernehmen.
13Das angefochtene Urteil beruht auf dem Verfahrensverstoß. Bei Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten ist es nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht zu der Bewertung gelangt wäre, dass die Vertragsparteien übereinstimmend den Vertrag im Sinne eines Vergütungsanspruchs der Klägerin nach Zeitaufwand verstanden haben, mithin kein Anspruch auf ein Pauschalhonorar besteht und deshalb das Berufungsgericht zu einer für die Beklagte günstigeren Entscheidung gelangt wäre.
Eick Halfmeier Kartzke
Jurgeleit Wimmer
Fundstelle(n):
CAAAF-07446