BBK Nr. 21 vom Seite 969

„Eine Reform der Buchführungsvorschriften der AO muss her!“

Bernd Rätke | VRiFG, BBK-Herausgeber

[i]Muster-Verfahrensdokumentation der AWV nach GoBD NWB ZAAAF-06569 In diesen Tagen hat die Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e. V. (AWV) eine Muster-Verfahrensdokumentation bereitgestellt. Sie soll helfen, die Anforderungen der GoBD an eine Verfahrensdokumentation zu erfüllen (s. Kurznachricht Muster-Verfahrensdokumentation für GoBD-Buchführung verfügbar, in diesem Heft).

Als Richter schaut [i]Gesetz verlangt keine Verfahrensdokumentationman bei solchen Gelegenheiten gern ins Gesetz, um die Rechtsgrundlage für das Erfordernis einer Verfahrensdokumentation zu prüfen – und stellt fest, dass die AO keine Verfahrensdokumentation verlangt. Die AO fordert sinngemäß lediglich die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit der Buchführung in § 145 Abs. 1 AO; gefordert wird insbesondere die sog. progressive und retrograde Nachprüfbarkeit: Ein Prüfer muss also den Weg der Buchung vom Beleg zum Buchführungskonto (progressiv) und umgekehrt vom Buchführungskonto den Buchungsvorgang zurück zum Beleg (retrograd) nachvollziehen können. Hierbei kann eine Verfahrensdokumentation hilfreich sein – zwingend ist sie indes nicht.

Auch bei anderen [i]GoBD zum Teil ohne gesetzliche GrundlageForderungen der GoBD stellt man fest, dass eine gesetzliche Grundlage nicht ohne Weiteres zu finden ist: Wo steht in der AO, dass Belege gegen Verlust zu schützen sind? Antwort: Nirgendwo; dies ist auch nicht nötig, da ohne Belege eine Schätzung und der Verlust des Vorsteuerabzugs drohen. Und wo steht in der AO, dass die Autorisierung der buchenden Person anzugeben ist oder dass Zugangs- oder Zugriffsberechtigungen im Rahmen eines internen Kontrollsystems einzurichten, auszuüben und zu protokollieren sind, wie dies in Abschnitt 5.3, Tz 94, und Abschnitt 6, Tz. 100 der GoBD verlangt wird? Auch hierzu findet sich in der AO nichts, obwohl diese in den §§ 140 - 147a die Buchführungspflicht und die Anforderungen an die Buchführung regelt.

Deshalb sei an dieser [i]GoBD sind kein GesetzStelle noch einmal gesagt: Die GoBD sind „nur“ eine Stellungnahme der Finanzverwaltung – sie sind kein Gesetz und daher weder für die Unternehmer noch für die Finanzgerichte verbindlich. Gesagt werden muss aber auch: Wer sich an die GoBD nicht hält, riskiert einen Rechtsstreit mit der Finanzverwaltung, dessen Ausgang natürlich mit einem Risiko behaftet ist.

Das Dilemma, das [i]Die Papier-Buchführung der AOsich aus der „Unverbindlichkeit“ der GoBD ergibt, hat seinen Grund in einer völlig veralteten AO: Die AO geht in weiten Teilen immer noch von einer Buchführung in Papierform aus. An ihren „modernen“ Stellen erlaubt die AO immerhin, dass Papierbelege digital gespeichert werden können, z. B. in § 147 Abs. 2 AO. Der Gedanke, dass die Belege von vornherein nur als Datei existieren (etwa als elektronische Rechnung), ist der aus dem Jahr 1977 stammenden AO fremd. Es bedarf daher dringend einer Reform der Buchführungsvorschriften der AO. Dabei müssen insbesondere die folgenden Punkte endlich geregelt werden: S. 970

  • [i]Manipulationssichere KassenEs muss eine Pflicht zur Verwendung elektronischer und manipulationssicherer Registrierkassen eingeführt werden (z. B. nach INSIKA): Bislang darf der Steuerpflichtige nämlich sogar eine offene Ladenkasse verwenden.

  • [i]Pflicht zur KassenbuchführungUnabhängig von der Art der Gewinnermittlung muss der Steuerpflichtige zur Führung eines Kassenbuchs verpflichtet sein: Bei der Einnahmen-Überschussrechnung besteht bislang keine Pflicht zur Verwendung eines Kassenbuchs.

  • [i]Ersetzendes ScannenDas ersetzende Scannen muss gesetzlich geregelt werden, insbesondere auch umsatzsteuerlich, weil immerhin der Originalbeleg, der für den Vorsteuerabzug erforderlich ist, vernichtet wird.

  • Die Anforderungen an eine Verfahrensdokumentation müssen definiert werden.

  • [i]Aufbewahrung von Online-AuszügenFast schon Triviales wie die Anforderungen an die Aufbewahrung von Online-Bankauszügen sollte endlich gesetzlich und nicht nur durch Verwaltungsanweisungen geregelt werden.

  • [i]Tatsächliche Veränderung oder Unveränderbarkeit?Festgeschrieben werden muss auch die Unveränderbarkeit der Buchführung. Bislang ist im sog. Radierparagrafen (!) des § 146 Abs. 4 AO nur geregelt, dass die Buchführung nicht verändert werden darf; dies ist aber nicht mit einer Unveränderbarkeit gleichzusetzen. Die Vorschrift betrifft erkennbar die Papier-Buchführung, bei der eine nachträgliche Veränderung (Radieren, TippEx) vergleichsweise einfach erkannt werden kann. Für die digitale Speicherung ist die bisherige Regelung ungeeignet, weil eine nachträgliche Veränderung durch ein digitales Überschreiben oder Löschen kaum bemerkt wird.

[i]Die AO stammt aus der digitalen SteinzeitWürde sich der Gesetzgeber zu einer solch umfassenden Reform entschließen und die AO aus der digitalen Steinzeit in die Moderne transportieren, würden sich auch die GoBD einfügen – nämlich als Stellungnahme des BMF, die das geltende Recht aus Sicht der Finanzverwaltung erläutert. Die aktuelle Situation, in der die GoBD an vielen Stellen ohne gesetzliche Grundlage die Anforderungen an eine digitale Buchführung erläutern, ist mehr als unbefriedigend.

Beste Grüße

Bernd Rätke

Fundstelle(n):
BBK 2015 Seite 969 - 970
KAAAF-06895