Instanzenzug: S 10 P 66/12
Gründe:
1In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab gemäß § 44a Abs 1 SGB XI einen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung zu gewähren.
2Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
3Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
4Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
5Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
6Der Kläger wirft auf Seite 2 der Beschwerdebegründung folgende Frage auf:
"Verstoßen § 44 a SGB XI i.V.m. § 3 Pflegezeitgesetz und § 10 SGB V insoweit gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn pflegenden Angehörigen ohne Möglichkeit einer Familienversicherung, die wegen der Pflege eines nahen Angehörigen die Arbeit aufgeben und über die Pflegezeit nach § 3 Pflegezeitgesetz hinaus nahe Angehörige pflegen, während der Pflegezeit kein Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung zusteht, obwohl für diese Zeit Beiträge zur Renten- und Unfallversicherung bezahlt werden?"
7Der einkommenslose Kläger gehöre zu der Gruppe von Normadressaten, die aufgrund ihres familiären Status als "Single" keine Chance hätten, in der Zeit der Pflege eines nahen Angehörigen in einer beitragsfreien Familienversicherung versichert zu sein "und ein sozialversicherungspflichtiges Einkommen zu beziehen". Der Gesetzgeber habe offensichtlich die Zuschussregelung zur Kranken- und Pflegeversicherung schaffen wollen, um den Anreiz der Pflege zuhause zu schaffen. Dabei dürfe es nicht auf eine Beschäftigung ankommen, aus der man von der Arbeitsleistungserbringung freigestellt sei. Denn jede andere Regelung diskriminiere iS des Art 3 Abs 1 GG diejenigen, die pflegen, aber ansonsten ihre Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung selbst erbringen müssten. Der Kläger gehöre als Pflegender zum Personenkreis der Beschäftigten. Aufgrund der Pflege seiner Mutter sei er "wenigstens" wie ein Beschäftigter anzusehen, zumal er die Voraussetzungen einer mehr als 14-Stunden-Pflege der Mutter pro Woche erfülle und somit für ihn von der Beklagten Beiträge zur Rentenversicherung nach § 44 Abs 1 SGB XI erbracht würden.
8Die Beschwerdebegründung erfüllt die Zulässigkeitsanforderungen nicht einmal ansatzweise. In ihr führt der Kläger - unter mehrfacher Wiederholung - eine Vielzahl von Einzelaspekten auf, ohne sie zu systematisieren und zu strukturieren. Die Ausführungen zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde müssen aber ein Mindestmaß an Klarheit und Verständlichkeit aufweisen (vgl - Juris mwN). Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, aus einem Gemenge das herauszusuchen, was möglicherweise - bei wohlwollender Auslegung - zur Begründung der Beschwerde geeignet sein könnte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 mwN). Ist der Inhalt einer Beschwerdebegründung nicht oder nur sehr schwer verständlich, liegt eine ordnungsgemäße Begründung nicht vor; denn der in den Verfahren vor dem BSG nach § 73 Abs 4 SGG bestehende Vertretungszwang soll gerade sicherstellen, dass der Inhalt der Beschwerdebegründung und das Begehren des Beschwerdeführers vom Beschwerdegericht ohne großen Aufwand zu ermitteln ist. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
9Den Anforderungen an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage - ihre Qualität als hinreichend konkrete, in einem späteren Revisionsverfahren prüfbare Rechtsfrage unterstellt - genügt der Kläger ebenfalls nicht. Wird in der Beschwerde eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; ferner zB - Juris RdNr 7 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Wird in der Beschwerde eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG darlegen, worin die für eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale bestehen sollen (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 45). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht einmal ansatzweise gerecht: Es ist völlig unklar, worin und im Vergleich wozu der Kläger überhaupt eine Verletzung des Gleichheitssatzes sieht. Soweit man die Beschwerdebegründung dahingehend versteht, dass der Kläger eine Benachteiligung als "Single" beim vermeintlichen Ausschluss von der Familienversicherung erblickt, fehlt es an jedweder Auseinandersetzung mit § 10 SGB V. Soweit man die Beschwerdebegründung dahingehend versteht, dass der Kläger eine Benachteiligung durch die in § 44a SGB XI geforderten Tatbestandsvoraussetzungen sieht, bildet der Kläger keine Vergleichsgruppen; es fehlt auch daran, dass er darlegt, dass es für eine unterstellte Gleich- bzw Ungleichbehandlung keine sachlichen Gründe gibt. Schließlich unterlässt der Kläger jedwede Darlegung der Unterschiede zwischen den Leistungen nach § 44 SGB XI und den zusätzlichen Leistungen nach § 44a SGB XI und zu der von ihm offenbar für notwendig erachteten analogen Anwendung von § 44a SGB XI.
10Schließlich fehlt es an einer hinreichenden Darlegung der Klärungsfähigkeit. Die Beschwerdebegründung legt nicht dar, wie das BSG in einem künftigen Revisionsverfahren überhaupt eine Antwort auf die aufgeworfene Rechtsfrage geben kann. Das LSG hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der Kläger - ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen, die das BSG als Revisionsinstanz im Rahmen von § 163 SGG binden - die Voraussetzungen nach § 44a Abs 1 SGB XI nicht erfüllt. Gegen die tatsächlichen Feststellungen des LSG erhobene Rügen sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
112. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
123. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstelle(n):
FAAAF-06648