BSG Beschluss v. - B 8 SO 25/15 B

Instanzenzug: S 20 SO 141/08

Gründe:

I

1Im Streit ist ein Anspruch der Klägerin auf weitere Leistungen der Hilfe zur Pflege als Rechtsnachfolgerin der am verstorbenen S (S).

2Die Klägerin erbrachte S, die in einer Senioren-Wohngemeinschaft für demenzkranke Menschen lebte, rund um die Uhr Pflegeleistungen. Der Beklagte bewilligte S Hilfe zur Pflege begrenzt auf einen monatlichen Höchstbetrag (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ); wegen der übrigen geltend gemachten Kosten erhob S Klage vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam, die die Klägerin nach dem Tod von S unter Berufung auf § 19 Abs 6 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) als Sonderrechtsnachfolgerin fortführte. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (; Urteil des Landessozialgerichts [LSG] Berlin-Brandenburg vom ). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, unabhängig davon, ob ein weitergehender Anspruch der S bestanden habe, sei die Klägerin jedenfalls nicht Rechtsnachfolgerin nach § 19 Abs 6 SGB XII geworden; denn bei der erbrachten Hilfe habe es sich nicht um eine "Leistung für Einrichtungen", sondern um ambulante, also außerhalb einer Einrichtung erbrachte Leistungen gehandelt.

3Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Anwendung des § 19 Abs 6 SGB XII auf Pflegeleistungen, die durch Pflegedienste in Seniorenwohngemeinschaften für Demenzkranke mit mehreren Bewohnern erbracht würden, die jeweils gesonderte Mietverträge geschlossen hätten. In diesen Fällen sei der Anspruchsübergang nicht bereits aufgrund der Bezeichnung als "ambulanter" Pflegedienst und der "ambulanten" Finanzierung ausgeschlossen. Mit seiner Auffassung, dass ambulante Leistungen definitionsgemäß "außerhalb von Einrichtungen" erbracht würden und ambulante Dienste keine "Einrichtungen" seien, verkenne das LSG den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) und des Bundessozialgerichts (BSG) entwickelten Einrichtungsbegriff. Es liege auch eine Divergenz vor; die Klägerin erfülle nämlich die nach der Rechtsprechung erforderlichen Kriterien für eine Einrichtung.

II

4Die Beschwerde ist unzulässig, weil die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet sind. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

5Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - ggf sogar des Schrifttums - angeben, welche Rechtsfrage sich stellt, dass diese noch nicht geklärt ist, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfrage aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer deshalb eine konkrete Frage formulieren, deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit und (konkrete) Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (Breitenwirkung) darlegen.

6Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin hat die Klärungsbedürftigkeit von Rechtsfragen dazu, ob im Falle der von ihr beschriebenen Wohnform von einer stationären Einrichtung auszugehen ist, nicht aufgezeigt. Sie trägt selbst vor, dass das BVerwG und das BSG in mehreren Entscheidungen grundsätzlich geklärt haben, bei Vorliegen welcher Merkmale von einer stationären Einrichtung auszugehen sei, das LSG diese Grundsätze aber nicht beachtet habe. Weshalb eine weitergehende Auseinandersetzung durch das BSG aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts dann noch erforderlich sein könnte, bleibt jedoch offen. Die angeblich fehlerhafte Umsetzung vorhandener höchstrichterlicher Rechtsprechung durch ein LSG eröffnet nicht die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

7Soweit die Klägerin eine Divergenz zu den Entscheidungen des BVerwG und des BSG behauptet, genügt ihr Vorbringen ebenfalls nicht den gesetzlichen Anforderungen. Schon nach dem Wortlaut des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG kann eine Abweichung der Entscheidung des LSG von Entscheidungen des BVerwG eine Divergenz nicht begründen. Eine Divergenz läge demnach nur vor, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des BSG aufgestellt hätte; eine Abweichung wäre aber erst dann zu bejahen, wenn das LSG diesen Kriterien - wenn auch unter Umständen unbewusst - widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hätte (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Die Klägerin stellt zwar die Behauptung auf, das LSG habe anlässlich seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt; die folgende Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen macht aber deutlich, dass sie lediglich die Argumentation des LSG im vorliegenden Einzelfall kritisiert. Die Frage, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat, eröffnet die Revision jedoch nicht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

8Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Fundstelle(n):
RAAAF-02584