BGH Beschluss v. - 1 StR 300/15

Beweisaufnahme im Strafverfahren: Ablehnung eines Beweisantrags über Indiz- oder Hilfstatsache wegen Bedeutungslosigkeit; Anforderungen an die Begründung

Gesetze: § 244 Abs 3 S 2 StPO, § 267 Abs 1 S 1 StPO

Instanzenzug: LG Traunstein Az: 6 KLs 110 Js 23243/14

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen, gegen den Angeklagten K.   eine Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten und gegen den Angeklagten E.   eine Freiheitsstrafe von acht Jahren verhängt. Zudem hat es auf Einziehung von etwa 14 kg Kokain erkannt. Die Revision des Angeklagten K.   führt mit einer Verfahrensrüge zur Aufhebung des Urteils, soweit es ihn betrifft. Die Revision des Angeklagten E.   führt mit der näher ausgeführten Sachrüge zur Aufhebung des ihn betreffenden Strafausspruchs; im Übrigen ist die Revision des Angeklagten E.   aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Den Beweisantrag des Angeklagten K.  , die in seinem Geldbeutel sichergestellten Zettel mit handschriftlichen Aufzeichnungen durch einen Sachverständigen zum Beweis der Tatsache untersuchen zu lassen, dass sich darauf weder Fingerabdrücke noch DNA dieses Angeklagten befinden, hat das Landgericht mit der Begründung als tatsächlich bedeutungslos zurückgewiesen, die Beweistatsache lasse nur einen möglichen, nicht aber einen zwingenden Schluss darauf zu, dass der Angeklagte K.   die Zettel nicht berührt habe; den möglichen Schluss wolle die Kammer nicht ziehen. Bei den Zetteln handelt es sich nach den Urteilsgründen um das zentrale Beweismittel, mit dem die Einlassung der Angeklagten, der Angeklagte K.   habe von den transportierten Betäubungsmitteln nichts gewusst und die benannten Zettel habe ihm der Angeklagte E.   untergeschoben, aus Sicht der Strafkammer widerlegt wurde. Die Revision des Angeklagten K.   rügt zu Recht, dass die Begründung des Beschlusses den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Ablehnung eines Beweisantrags wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit einer Indiztatsache nicht entspricht.

3Eine unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache ist aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung bedeutungslos, wenn sie in keinem Zusammenhang mit der Urteilsfindung steht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Falle ihrer Bestätigung keinen Einfluss auf die richterliche Überzeugung vom entscheidungserheblichen Sachverhalt hätte, da sie nur einen möglichen Schluss auf das Vorliegen oder Fehlen einer Haupttatsache oder den Beweiswert eines anderen Beweismittels ermöglicht und das Gericht der Überzeugung ist, dass dieser Schluss in Würdigung der gesamten Beweis- lage nicht gerechtfertigt wäre. Ob der Schluss gerechtfertigt wäre, hat das Tatgericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Hierzu hat es die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache so, als sei sie erwiesen, in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zu der von der potentiell berührten Haupttatsache bzw. zum Beweiswert des anderen Beweismittels in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (st. Rspr.; vgl. nur , NStZ 2015, 296 m. Anm. Venn; Senat, Urteil vom - 1 StR 13/14, NStZ-RR 2014, 316). Die Anforderungen an die Begründung entsprechen grundsätzlich den Darlegungserfordernissen bei der Würdigung von durch die Beweisaufnahme gewonnenen Indiztatsachen in den Urteilsgründen (vgl. ).

4Diesen Anforderungen wird die Beweisantragsablehnung des Landgerichts nicht gerecht. Angesichts des Umstandes, dass es sich bei den im Beweisantrag benannten Zetteln um das Hauptüberführungsindiz handelte, durfte das Landgericht den Beweisantrag nicht mit der bloßen Begründung ablehnen, der von dem Angeklagten erstrebte Schluss sei nicht zwingend, sondern nur möglich. Damit wurde die unter Beweis gestellte Indiztatsache gerade nicht als erwiesen in das bisherige Beweisergebnis eingestellt, sondern lediglich isoliert betrachtet.

5Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht. Dies zieht die Aufhebung des Urteils, soweit es den Angeklagten K.   betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen nach sich. Nicht erfasst hiervon ist die Einziehungsentscheidung, die ihre Rechtfertigung bereits im rechtskräftigen Schuldspruch des Angeklagten E.   findet.

62. Die Strafzumessung leidet hinsichtlich des Angeklagten E.   an einem durchgreifenden Rechtsfehler. Das Landgericht hat bei der Prüfung eines minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG den vertypten Milderungsgrund der Beihilfe nicht erörtert (vgl. zur Prüfungsreihenfolge Senat, Beschluss vom - 1 StR 629/14). Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich dieser Rechtsfehler auf den Strafausspruch bei dem Angeklagten E.   ausgewirkt hat. Zwar liegt - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - nahe, dass sich der Angeklagte E.   auch wegen tateinheitlichen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht hat, in welchem Fall der vertypte Milderungsgrund der Beihilfe keine Rolle mehr spielen würde. Diese Bewertung steht aber vorliegend - gegebenenfalls nach Hinweis gemäß § 265 Abs. 1 StPO - dem neuen Tatrichter zu; das Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 StPO würde einer Verböserung des Schuldspruchs nicht entgegenstehen.

7Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, weil diese vom Wertungsfehler nicht betroffen sind (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, sofern diese zu den vorhandenen nicht in Widerspruch stehen.

Raum                                Graf                             Jäger

                 Mosbacher                        Cirener

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Fundstelle(n):
PAAAF-01056