Auskunftserteilung an Gemeinden in Realsteuerangelegenheiten
1. Auskunft über die für die Festsetzung der Realsteuern erheblichen Vorgänge nach § 21 FVG
Nach § 21 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG) haben die Gemeinden das Recht, sich über die für die Festsetzung der Realsteuern (Grundsteuer und Gewerbesteuer, § 3 Abs. 2 AO) erheblichen Vorgänge bei den zuständigen Finanzbehörden zu unterrichten. Zu diesem Zweck steht ihnen das Recht auf Akteneinsicht sowie auf mündliche und schriftliche Auskunft zu.
Auch im Verfahren über die Zerlegung und die Zuteilung von Steuermessbeträgen können die Gemeinden als Steuerberechtigte, denen ein Anteil an dem Steuermessbetrag zugeteilt worden ist oder die einen Anteil beanspruchen (§ 186 Satz 1 Nr. 2 AO), von der zuständigen Finanzbehörde Auskunft über die Zerlegungs- bzw. Zuteilungsgrundlagen verlangen und durch ihre Amtsträger (§ 7 AO) Einsicht in die Zerlegungs- bzw. Zuteilungsunterlagen nehmen (§§ 187, 190 Satz 2 AO). Diese Rechte können auch aus § 21 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 FVG hergeleitet werden.
Darüber hinaus sind die Gemeinden auch berechtigt, durch Gemeindebedienstete an Außenprüfungen bei Steuerpflichtigen teilzunehmen, wenn diese in der Gemeinde eine Betriebsstätte unterhalten oder Grundbesitz haben und die Außenprüfungen im Gemeindebezirk stattfinden (§ 21 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 FVG).
Die entsprechenden Auskunfts- und Teilnahmerechte der Gemeinden nach § 21 Abs. 3 i. V. m. § 21 Abs. 1 FVG reichen nur soweit, wie die Finanzämter die Gewerbesteuer verwalten (Festsetzung, Zerlegung und Zuteilung der Messbeträge). Das Steuergeheimnis steht diesen Rechten nicht entgegen.
2. Auskunft in Haftungs-, Stundungs- und Erlasssachen sowie zum Zwecke der Vollstreckung
In Angelegenheiten, die nicht die Verwaltung der Gewerbesteuer durch die Finanzämter betreffen, ist eine Auskunftserteilung an die Gemeinden nur zulässig, wenn das Steuergeheimnis dieser nicht entgegensteht.
Eine Auskunftsserteilung an Gemeinden in Haftungs-, Erhebungs- und Vollstreckungsverfahren zur Gewerbesteuer ist nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO dem Grunde nach zulässig, soweit die Gemeinden in Realsteuerverfahren tätig werden.
Die Zulässigkeit einer Offenbarung ist nicht auf die Mitteilung von Tatsachen zwischen Finanzbehörden beschränkt. Zu den Behörden, zwischen denen Mitteilungen über Verhältnisse eines anderen zu steuerlichen Zwecken zugelassen sind, gehören, soweit sie in Realsteuerverfahren tätig werden, auch die Gemeindebehörden oder andere Behörden, denen Aufgaben im Realsteuerverfahren übertragen wurden.
Für die Gemeinden gelten u. a. die Vorschriften der AO über die Haftung und das Erhebungsverfahren entsprechend (§ 1 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 5 i. V. m. § 3 Abs. 2 AO), soweit ihnen die Verwaltung der Realsteuern übertragen worden ist. Für die Vollstreckung der Realsteuern gelten zwar nicht die Vorschriften des Sechsten Teils der AO, sondern die des Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (HessVwVG), dennoch handelt es sich um ein Verwaltungsverfahren in Steuersachen i. S. des § 30 Abs. 2 Nr. 1a AO. Darunter fallen nicht nur die in der AO aufgeführten Verwaltungsverfahren, vielmehr umfasst der Begriff alle Verfahren, die die Verwaltung von Steuern im Sinne des § 3 Abs. 1, 2 und 3 AO betreffen.
Auskunftsersuchen der Gemeinden kann unter Berücksichtigung der nachfolgenden Ausführungen nur entsprochen werden, wenn den Ersuchen eindeutig zu entnehmen ist, dass die Auskünfte zu steuerlichen Zwecken benötigt werden. Die Auskünfte sind auf den Umfang zu beschränken, der für eine sachgerechte Bearbeitung der Realsteuerangelegenheit erforderlich ist.
Auskünfte sind auch insoweit zulässig, als die entscheidungserheblichen Tatsachen aus anderen als den Realsteuerakten hervorgehen. Das Auskunftsrecht schließt jedoch – anders als in den unter Nr. 1 genannten Fällen – die Befugnis zur Akteneinsicht nicht ein.
2.1 Erlass oder Stundung von Gewerbesteuer
Gewerbesteuerpflichtige, die beim Finanzamt Erlass oder Stundung von Steuern beantragen, stellen oftmals auch bei der Gemeinde einen Antrag auf Erlass oder Stundung ihrer Gewerbesteuerrückstände. Die Gemeinde ersucht dann vielfach das Finanzamt um Auskunft, ob und in welcher Höhe der Steuerpflichtige beim Finanzamt Steuerrückstände hat, ob und mit welchem Ergebnis er einen Stundungs- oder Erlassantrag gestellt hat und/oder wie generell seine wirtschaftlichen oder finanziellen Verhältnisse beschaffen sind.
Derartige Auskünfte dürfen nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO erteilt werden, soweit sie dem bei der Gemeinde anhängigen Stundungs- oder Erlassverfahren dienen.
2.2 Haftung für Gewerbesteuer
Der Umfang der Offenbarung richtet sich nach der jeweils einschlägigen Haftungsvorschrift.
Offenbart werden dürfen ausschließlich Sachverhalte, die dem Finanzamt bekannt und für das von den Gemeinden durchzuführende Haftungsverfahren relevant sind. Zur Durchführung dieses Verfahrens gehören insbesondere die eigenständige Prüfung sämtlicher Tatbestandsmerkmale der Haftungsnorm sowie die notwendigen Ermessenserwägungen. Ermessenserwägungen des Finanzamts im Zusammenhang mit einer Haftungsinanspruchnahme durch das Finanzamt wegen Rückständen aus anderen Steuerarten sind für die Gemeinden nicht bindend und nicht Gegenstand der Offenbarung.
Von diesen Grundsätzen ausgehend ist das Finanzamt berechtigt und verpflichtet, in Abhängigkeit von der jeweils einschlägigen Haftungsnorm den für das Haftungsverfahren relevanten Sachverhalt, soweit dieser dem Finanzamt bekannt ist, auf Antrag mitzuteilen. Eine darüber hinausgehende Befugnis der Finanzämter zur Ermittlung der haftungsrelevanten Sachverhalte im Hinblick auf eine Haftungsinanspruchnahme für Gewerbesteuerrückstände besteht nicht.
2.3 Vollstreckung von Realsteuern
Die Gemeinden dürfen die von den Finanzbehörden für Zwecke der Vollstreckung der Realsteuern mitgeteilten Daten, ohne das Steuergeheimnis zu verletzen, entsprechend § 249 Abs. 2 Satz 2 AO für die Vollstreckung anderer Geldleistungen (z. B. für die Vollstreckung rückständiger Gebühren) verwenden. Die erhaltenen Informationen unterliegen aber dem verlängerten Steuergeheimnis nach § 30 Abs. 2 Nr. 1c AO, sodass die Gemeinden die Verantwortung für die gesetzesmäßige Verwendung der Daten tragen.
Soweit eine Gemeinde keine eigenen Vollziehungsbeamten beschäftigt oder keine eigenen Vollstreckungsstellen unterhält, wird die Durchführung des Vollstreckungsverfahrens hinsichtlich der Realsteuern gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 HessVwVG durch die Kasse des Landkreises, dem die Gemeinde angehört, vorgenommen. Eine Offenbarung der Verhältnisse des Steuerpflichtigen ist auch gegenüber einer Kreiskasse, der das Vollstreckungsverfahren hinsichtlich der Realsteuern übertragen wurde, nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO zulässig. Für welche kreisangehörigen Städte und Gemeinden die Kasse eines Landkreises vollstreckt, wird im Staatsanzeiger für das Land Hessen bekanntgegeben (§ 16 Abs. 2 Satz 5 HessVwVG).
3. Einspruchsverfahren gegen Realsteuermessbescheide
Gemeinden sind nicht befugt, Steuermessbescheide anzufechten (vgl. § 40 Abs. 3 FGO); eine Rechtsbehelfsbefugnis der Gemeinden besteht nur im Zerlegungsverfahren (§ 186 Nr. 2 AO). Zu einem Rechtsbehelfsverfahren gegen einen Steuermessbescheid dürfen die Gemeinden auch nicht hinzugezogen bzw. beigeladen werden (§ 360 Abs. 2 AO, § 60 Abs. 2 FGO). Die Finanzämter sollen aber die steuerberechtigten Gemeinden über anhängige Einspruchsverfahren gegen Realsteuermessbescheide von größerer Bedeutung unterrichten und zwar unabhängig davon ob vom Steuerpflichtigen Aussetzung der Vollziehung beantragt wurde (vgl. AEAO zu § 184 AO). Hierdurch soll vermieden werden, dass die Gemeinde von dem Ausgang eines Rechtsbehelfsverfahrens mit finanzieller Tragweite überrascht wird. Durch die Unterrichtung über das anhängige Verfahren kann sich die Gemeinde auf eventuelle Haushaltsrisiken einstellen.
Der AEAO zu § 184 bestimmt keine feste Betragsgröße, ab der die Information der Gemeinde erfolgen soll, da die Auswirkungen je nach Größe der Gemeinde und Haushaltssituation unterschiedlich sind.
Zu den Einspruchsverfahren von größerer Bedeutung zählt beispielsweise das , in dem der BFH aufgrund der Anwendung der Bruttomethode entschied, den Gewinn aus Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft bei einer Organgesellschaft nach § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG 2002 um fiktive nichtabziehbare Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG 2002 zu vermindern sowie beim Organträger keine Hinzurechnung dieser fiktiven nichtabziehbaren Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG 2002 vorzunehmen, da das sog. Schachtelprivileg bereits auf Ebene der Organgesellschaft gewährt worden ist.
OFD Frankfurt/M. v. - S 0130 A - 69 - St 23
Fundstelle(n):
TAAAE-99398