BVerwG Beschluss v. - 1 B 30.15

Instanzenzug:

Gründe

1Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

2Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist ( 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110).

3Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob ein Asylbewerber eine sachliche Prüfung seines Asylantrages in Deutschland erzwingen kann, wenn sein Asylantrag zunächst vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als unzulässig abgelehnt und eine Abschiebungsanordnung in einen anderen Mitgliedsstaat der EU erlassen wurde, der Bescheid dann - nach Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - vom Verwaltungsgericht zunächst aufgehoben, sodann aber auf die Berufung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ca. 14 Monate nach Asylgesuchstellung vom Verwaltungsgerichtshof bzw. Oberverwaltungsgericht bestätigt wurde."

4Dazu führt sie aus, der vom Berufungsgericht unter Verweis auf sein Urteil vom - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293 eingenommene ablehnende Rechtsstandpunkt begegne Bedenken, da dem Antragsteller durch die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und das Obsiegen vor dem Verwaltungsgericht in der Hauptsache attestiert worden sei, dass eine zeitnahe Rückkehr nach Bulgarien dort die Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung mit sich bringe. Ihm sei gewissermaßen zu einem weiteren Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland die Hand gereicht worden. Der zwischen Asylgesuch und Berufungsurteil verstrichene Zeitraum von 14 Monaten verzögere die Sachentscheidung in unzumutbarer Weise. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine klärungsbedürftigen Fragen des revisiblen Rechts auf, die die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen könnten.

5Die Beschwerde bezeichnet schon keine Rechtsnorm(en) des revisiblen Rechts, in Bezug auf die sich eine klärungsbedürftige Rechtsfrage ergibt und setzt sich auch nicht mit den möglicherweise heranziehenden Rechtsnormen auseinander, die auf die Ausübung des Selbsteintrittsrechts einwirken könnten. Dem Instanzenzug, den der Gesetzgeber mit der zulassungsbedürftigen Berufung in Asylsachen (§ 78 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG) eröffnet hat, ist es zudem immanent, dass das Oberverwaltungsgericht auf eine zugelassene Berufung hin die Sach- und Rechtslage ggf. abweichend vom Verwaltungsgericht würdigt. Das Vertrauen der vor dem Verwaltungsgericht obsiegenden Partei, das Oberverwaltungsgericht werde der Beweiswürdigung und der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts beitreten, erweist sich von vornherein nicht als schutzwürdig. Denn das Berufungsgericht prüft gemäß § 128 VwGO den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags in vollem Umfang neu ( 9 B 27.03 - [...]) und berücksichtigt dabei auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel, soweit sich keine Einschränkungen aus § 79 Abs. 1 AsylVfG ergeben. Zudem stellt das Berufungsgericht gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG in asylrechtlichen Streitigkeiten auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung ab. Diese prozessrechtlichen Regelungen schließen es für einen Prozessbeteiligten schon im Ansatz aus, sich mit Blick auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die im Berufungsrechtszug vom Oberverwaltungsgericht abgeändert wurde, auf schutzwürdiges Vertrauen zu berufen.

6Die Rüge, der zwischen Asylgesuch und Berufungsurteil verstrichene Zeitraum verzögere die Sachentscheidung für den Kläger in unzumutbarer Weise und müsse deshalb zu einem Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland führen, verhilft der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Die von der Beschwerde nicht weiter spezifizierte Behauptung verfehlt bereits die Anforderungen an die ordnungsgemäße Darlegung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, dass das dem Dublin-System immanente Beschleunigungsgebot (vgl. den 5. Erwägungsgrund der Verordnung [EU] Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. Nr. L 180 S. 31 sowie ferner u.a. [ECLI:EU:C:2011:865], N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 79, 98 und 108; vom - C-4/11 [ECLI:EU:C:2013:740], Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 35 und vom - C-394/12 [ECLI:EU:C:2013:813], Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 53 und 59) in einem Fall wie dem vorliegenden verletzt sein könnte. Denn das Bundesamt hat das Asylgesuch des Klägers vom mit Bescheid vom abgelehnt. Das Verwaltungsgericht hat über die Klage bereits am entschieden; das Berufungsurteil ist am ergangen (Zustellung an den Klägerbevollmächtigen am ). Nachdem das Verwaltungs- und das Gerichtsverfahren durch zwei Instanzen in insgesamt 14 Monaten abgeschlossen worden ist, ist auch nicht ansatzweise etwas für eine unangemessene Verfahrensdauer ersichtlich.

7Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Fundstelle(n):
LAAAE-98504