BGH Urteil v. - V ZR 2/14

Rückwirkung demnächst erfolgender Klagezustellung: Hinnehmbare dem Kläger zuzurechnende Verzögerung bei Leistung des Gerichtskostenvorschusses; Berücksichtigung der verfahrenswidrigen Einforderung des Kostenvorschusses von dem Prozessbevollmächtigten

Gesetze: § 167 ZPO, § 12 Abs 1 GKG

Instanzenzug: Az: 85 S 147/12 WEGvorgehend AG Schöneberg Az: 770 C 53/11 WEG

Tatbestand

1Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Auf der Wohnungseigentümerversammlung vom wurden mehrere Beschlüsse gefasst. Mit der am (Montag) eingegangenen Anfechtungsklage wendet sich die Klägerin - soweit hier noch von Interesse - gegen die zu dem Tagesordnungspunkt (TOP) 10 beschlossene Entlastung der Verwaltungsbeiräte und der Hausverwaltung. Nachdem die Klägerin nach Aufforderung des Gerichts innerhalb der hierzu gesetzten Frist zur Berechnung des Kostenvorschusses erforderliche Unterlagen eingereicht hatte, ihr Prozessbevollmächtigter am die an ihn versandte Aufforderung zur Zahlung des Vorschusses erhalten und er diese an die Rechtsschutzversicherung der Klägerin weitergeleitet hatte, ist der Vorschuss am bei der Justizkasse eingegangen.

2Die am zugestellte Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Anfechtung der zu TOP 10 gefassten Beschlüsse weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Gründe

I.

3Das Berufungsgericht hält die Klage wegen Versäumung der einmonatigen Anfechtungsfrist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG für unbegründet. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 167 ZPO, weil die Klage nicht „demnächst" zugestellt worden sei. Diese Voraussetzung sei nur erfüllt, wenn sich die Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen hielten. Gehe es um die Zahlung des Kostenvorschusses, sei das nur dann der Fall, wenn dieser nach Anforderung innerhalb eines Zeitraums eingezahlt werde, der sich um zwei Wochen bewege oder nur geringfügig darüber liege. Besondere Umstände seien bei der Frage zu berücksichtigen, ob eine geringfügige Überschreitung des grundsätzlich maßgeblichen Zeitraums von 14 Tagen hinzunehmen sei. Gemessen daran liege keine 14 Tage nur geringfügig überschreitende Verzögerung vor. Das gelte selbst dann, wenn man zugunsten der Klägerin berücksichtigte, dass die Anforderung des Kostenvorschusses entgegen § 31 Abs. 1, § 32 Abs. 2 KostVfG- Berlin nicht dieser selbst, sondern ihrem Prozessbevollmächtigten zugesandt worden sei.

II.

4Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klägerin hat die materielle Klageerhebungsfrist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG gewahrt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Zustellung der Klage demnächst im Sinne von § 167 ZPO bewirkt worden.

51. Im rechtlichen Ausgangspunkt geht das Berufungsgericht allerdings mit Recht davon aus, dass das Merkmal „demnächst" (§ 167 ZPO) nur erfüllt ist, wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Dabei wird eine der Partei zuzurechnende Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen regelmäßig hingenommen (vgl. nur Senat, Urteil vom - V ZR 246/94, NJW 1996, 1060, 1061 [insoweit in BGHZ 131, 376 nicht abgedruckt]; , NJW 1994, 1073, 1074; jeweils mwN), um eine Überforderung des Klägers sicher auszuschließen.

62. Darüber hinaus sieht das Berufungsgericht richtig, dass der Senat in der typisierbaren Fallgruppe des nach § 12 Abs. 1 GKG zu leistenden Gerichtskostenvorschusses eine hinnehmbare Verzögerung bejaht hat, wenn dieser nach seiner Anforderung innerhalb eines Zeitraums eingezahlt wird, der sich „um zwei Wochen bewegt oder nur geringfügig darüber liegt" (Senat, Urteil vom - V ZR 148/11, ZMR 2012, 643 f.; Urteil vom - V ZR 5/10, NJW 2010, 3376, 3377 Rn. 7; Urteil vom - V ZR 44/11, NJW-RR 2012, 527 Rn. 7; Urteil vom - V ZR 74/08, BGHZ 179, 230, 235 f., Rn. 16; vgl. auch jeweils obiter , NJW 1986, 1347, 1348; Urteil vom - III ZR 113/09, juris Rn. 21 f.; insoweit in NJW 2010, 333 ff. nicht abgedruckt). Dabei hat der Senat einen Zeitraum von 14 Tagen für unschädlich erachtet. Die Hinnehmbarkeit darüber hinausgehender Verzögerungen hat er dagegen vom Vorliegen besonderer Umstände und dem Ergebnis einer tatrichterlichen Würdigung der Gesamtumstände abhängig gemacht (vgl. nur Senat, Urteil vom - V ZR 148/11, ZMR 2012, 643, 644). Demgegenüber belässt es der VII. Zivilsenat auch in dieser Konstellation bei den allgemeinen Grundsätzen, was dazu führt, dass bei der Berechnung der noch hinnehmbaren Verzögerung von 14 Tagen nicht auf die Zeitspanne zwischen der Aufforderung zur Einzahlung der Gerichtskosten und deren Eingang bei der Gerichtskasse, sondern darauf abgestellt wird, um wieviele Tage sich der für die Zustellung der Klage ohnehin erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert hat (, NJW 2011, 1227 Rn. 8 f.; Urteil vom - VII ZR 116/99, NJW 2000, 2282; Urteil vom - VII ZR 24/98, NJW 1999, 3125; vgl. auch Urteil vom - VII ZR 181/69, NJW 1971, 891 f.). Dieser Rechtsauffassung schließt sich der Senat nunmehr aus Gründen der Vereinheitlichung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und zur Herstellung eines einheitlichen - für sämtliche Fallgruppen geltenden - Maßstabes an.

73. Gemessen daran ist die Zustellung vorliegend „demnächst" bewirkt worden. Eine der Klägerin vorwerfbare Verzögerung von mehr als 14 Tagen liegt nicht vor.

8Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass der Kostenvorschuss verfahrenswidrig (§ 31 Abs. 1, § 32 Abs. 2 KostVfG-Berlin aF) nicht von der Partei selbst, sondern über deren Anwalt angefordert worden ist (Abgrenzung zu Senat, Urteil vom - V ZR 148/11, ZMR 2012, 643, 644; Urteil vom - V ZR 44/11, NJW-RR 2012, 527 Rn. 11). Die damit einhergehende - der Partei nicht zuzurechnende - Verzögerung ist nach Auffassung des Senats im Allgemeinen mit drei Werktagen zu veranschlagen unter Ausklammerung des Eingangstages und von Wochenendtagen. Innerhalb einer solchen Zeitspanne kann auch in hochbelasteten Anwaltskanzleien eine Kenntnisnahme, Bearbeitung und Weiterleitung sowie bei Zugrundelegung üblicher Postlaufzeiten auch der Eingang bei der Partei selbst erwartet werden. Vorliegend ist die Kostenanforderung dem Prozessbevollmächtigten am (Mittwoch) zugegangen. Dies führt dazu, dass die Klägerin so zu stellen ist, wie sie stünde, wenn ihr selbst die Anforderung erst am (Montag) zugegangen wäre. Da die Klägerin frühestens am nächsten Tag hätte tätig werden müssen und der Kostenvorschuss tatsächlich am bei der Justizkasse eingegangen ist, liegt selbst ohne Berücksichtigung des für die Überweisung durch die Bank erforderlichen Zeitraums keine schuldhafte Verzögerung von mehr als 14 Tagen vor.

III.

9Nach allem unterliegt das Berufungsurteil der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die für eine Endentscheidung notwendigen Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Stresemann                                  Roth                            Brückner

                         Weinland                            Kazele

Fundstelle(n):
RAAAE-98421