BVerwG Beschluss v. - 9 B 85/14

Äquivalenzprinzip bei Sondernutzungsgebühren (hier: für ein Werbeplakat)

Gesetze: § 11 Abs 9 S 2 StrG BE

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 1 B 57.11 Urteil

Gründe

1Die auf alle Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

21. Die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen entscheidungserheblicher Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sind nicht erfüllt. Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn sich das Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat; die Beschwerdebegründung muss darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, stRspr; vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 B 44.88 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 32 und vom - 5 B 68.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302). Daran fehlt es hier.

3Die Beschwerde rügt, das angefochtene Urteil weiche mit der Auffassung, eine Sondernutzungsgebühr dürfe ihrer Höhe nach weder außer Verhältnis zum Ausmaß der mit der Sondernutzung verbundenen Beeinträchtigung der gemeingebräuchlichen Nutzungsmöglichkeiten noch zu den mit der Sondernutzung verfolgten wirtschaftlichen Interessen stehen, von der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Danach sei Maßstab für die Verletzung des Äquivalenzprinzips durch die Höhe einer Sondernutzungsgebühr zunächst und vorrangig das Ausmaß, in dem die Sondernutzung den Gemeingebrauch beeinträchtige. Das Oberverwaltungsgericht sei davon dadurch abgewichen, dass es die Subsidiarität bzw. Korrekturfunktion des wirtschaftlichen Interesses an der Sondernutzung als Gebührenbemessungsmaßstab nicht beachtet habe. Erst wenn der Umfang und der Grad der Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs mit den Gebühren nicht hinreichend erfasst werde, sei das wirtschaftliche Interesse als Korrektiv zu berücksichtigen. Die Beschwerde benennt eine Reihe von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, ohne jedoch den von ihr benannten Rechtssatz einer konkreten Entscheidung zuzuordnen. Dieses Vorbringen erfüllt nicht die an eine Divergenzrüge zu stellenden Anforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Das zeigt sich schon daran, dass das Oberverwaltungsgericht (UA S. 12) den von der Beschwerde gerügten Rechtssatz dem - von der Beschwerde ebenfalls zitierten - 9 B 24.08 - (Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 108 Rn. 4) wörtlich entnommen hat. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht seit langem davon aus, dass neben der Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs auch das Maß des wirtschaftlichen Vorteils, den eine eingeräumte Sondernutzung typischerweise verschafft oder zu verschaffen geeignet ist, bei der Festlegung der Gebührenhöhe zu berücksichtigen ist ( 7 C 5.87 - BVerwGE 80, 36 <40> und vom - 4 C 14.88 - Buchholz 407.4 § 8 FStrG Nr. 21 S. 14; Beschluss vom - 3 B 42.00 - juris Rn. 3 - vgl. hierzu auch § 8 Abs. 3 Satz 6 FStrG; noch anders 4 C 137.68 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 1 S. 2 f.). Einen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, Bemessungsmaßstab für eine verhältnismäßige Gebührenhöhe bei Sondernutzungen mit wirtschaftlichem Interesse sei der übliche "Mietpreis für eine horizontale Fläche”, hat das (a.a.O.) entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht aufgestellt. Vielmehr hat das Gericht in dem damals entschiedenen Fall den Rückgriff auf den hypothetischen Mietzins für eine vergleichbare Leistung als Anhaltspunkt dafür gelten lassen, dass die umstrittene Gebühr nicht außer Verhältnis zu dem Wert der beanspruchten Straßennutzung stand. Ob die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Rechtssätze zutreffend auf den hier vorliegenden Fall angewandt worden sind, kann nicht mit der Divergenzrüge zur revisionsgerichtlichen Überprüfung gestellt werden.

42. Eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt nicht in Betracht, weil mit den - sich inhaltlich teilweise überschneidenden - Fragen,

a) ob die Sondernutzungsgebühr nach den einschlägigen Vorschriften bei der Preisgestaltung und Vermarktung in dieser potentiell unwirksamen Höhe von vornherein einzukalkulieren ist oder "nur" ein geringerer Betrag in Höhe der ortsüblichen Miete für eine entsprechende Aufstellung auf einem Privatgrundstück;

b) ob es im Sinne des Berufungsurteils dem unternehmerischen Risiko zuzurechnen ist, dass die Sondernutzung bei Berücksichtigung der Sondernutzungsgebühr unrentabel ist, ob es letztlich Sache des Unternehmers ist, abzuschätzen und zu entscheiden, ob die durch die Werbung erzielten Einnahmen in einem günstigen Verhältnis zu den durch die Sondernutzungsgebühren entstehenden Kosten stehen, also kein wirtschaftliches Missverhältnis entsteht;

c) ob der verwaltungsgerichtliche Prüfungsgegenstand, die Höhe der Sondernutzungsgebühr gemäß dem gebührenrechtlichen Äquivalenzprinzip, zum Prüfungsmaßstab für die verhältnismäßige Gebühr in der Weise gemacht werden kann, dass die Rentabilitätsberechnung die Sondernutzungsgebühr und nicht das ortsübliche Nutzungsentgelt einschließen muss;

d) ob die Einbeziehung der Sondernutzungsgebühr in die Wirtschaftlichkeitsberechnung entsprechend dem Berufungsurteil vor dem Hintergrund der Grundrechtsgewährleistungen der Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG Bestand haben kann;

e) ob dies ausschließt, dass die Sondernutzungsgebühr unabhängig von ihrer Höhe maßgeblich für die Rentabilität der Sondernutzung sein kann, d.h. die Grundrechtsschranke unverhältnismäßiger Sondernutzungsgebühr zum Inhalt der Grundrechtsgewährleistungen selbst gemacht werden darf in dem Sinne, dass über die Höhe der Sondernutzungsgebühr die Grundrechtsausübung von vornherein wegen Unrentabilität ausgeschlossen werden kann;

f) ob es allein Sache des Unternehmers ist, eine wirtschaftliche Tätigkeit zu unterlassen, weil sie sich wegen der Höhe der Sondernutzungsgebühr wirtschaftlich nicht rentiert und eine Preisgestaltung, bei der sie sich rentieren würde, am Markt nicht durchsetzbar ist.

keine konkreten, fallübergreifenden Rechtsfragen bezeichnet, die für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts von Bedeutung waren und deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint.

5In der Rechtsprechung ist geklärt, dass eine Sondernutzungsgebühr dem Äquivalenzprinzip entsprechen muss. Die Gebühr darf nicht in einem Missverhältnis zu der von der Verwaltung erbrachten Leistung stehen ( 7 C 5.87 - BVerwGE 80, 36 <39 ff.>, Beschluss vom - 11 B 72.95 - juris Rn. 7). In die Gestaltung der Gebühr hat - wie oben bereits ausgeführt - einerseits die Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs und andererseits das wirtschaftliche Interesse des Gebührenschuldners einzugehen ( a.a.O. und vom - 4 C 14.88 - Buchholz 407.4 § 8 FStrG Nr. 21 S. 14; Beschlüsse vom - 3 B 42.00 - juris Rn. 3 und vom - 9 B 24.08 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 108 Rn. 4). Das Verhältnis beider Tatbestände zueinander zu bestimmen, ist unter Beachtung des Äquivalenzprinzips Sache des jeweiligen Ortsgesetzgebers. Dabei darf auch berücksichtigt werden, dass zwar bei Werbetafeln die unmittelbar in Anspruch genommene Gemeingebrauchsfläche am Boden gering sein mag, dass sich der wirtschaftliche Vorteil aber vor allem nach der Werbefläche bemisst.

6Die Fragen zielen zum Teil auf die Preiskalkulation des jeweiligen Gebührenschuldners, die sich einer rechtlichen Bewertung entzieht. Soweit sich die Fragen darauf richten, ob sich der Ortsgesetzgeber bei der Gebührenhöhe an der Miete, die von einem privaten Grundstückseigentümer ortsüblich zu entrichten ist, zu orientieren hat, bedarf auch das keiner grundsätzlichen Klärung. Zwar kann eine derartige Miete ein geeigneter Anknüpfungspunkt sein, insbesondere dann, wenn es um eine Nutzung von Gemeingebrauchsflächen zu Verkaufszwecken geht (vgl. etwa 7 C 5.87 - BVerwGE 80, 36 <40>, Beschluss vom - 3 B 42.00 - juris Rn. 3), die Gebührenhöhe muss sich aber nicht danach ausrichten. Es ist Sache des Ortsgesetzgebers, die Tarifgestaltung unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze zu bestimmen ( 4 C 14.88 - Buchholz 407.4 § 8 FStrG Nr. 21 S. 14 f.; Beschluss vom - 9 B 24.08 -Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 108 Rn. 8).

7Im Übrigen will die Beschwerde im Revisionsverfahren geklärt wissen, ob es in die Risikosphäre eines Unternehmers fällt, wenn die Sondernutzungsgebühr die wirtschaftliche Betätigung unrentabel macht. Auch insoweit ist keine im Revisionsverfahren klärungsfähige Rechtsfrage aufgeworfen, sondern die Frage nach der Wirtschaftlichkeit des Aufstellens von Werbeplakaten im öffentlichen Raum. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass bei Beachtung des Äquivalenzprinzips die Höhe der Sondernutzungsgebühr nicht dadurch rechtswidrig wird, dass Betriebszweige unwirtschaftlich sind. Es ist nicht Aufgabe der Gestaltung von Sondernutzungsgebühren, nicht marktgerechtes Wirtschaftshandeln zu unterstützen ( 4 C 14.88 - Buchholz 407.4 § 8 FStrG Nr. 21 S. 15). Das Oberverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass die hier in Streit stehenden Sondernutzungsgebühren die wirtschaftliche Betätigung generell unrentabel machen. Vielmehr hat es angenommen, dass die Klägerin von einer Berechnung ausgehe, die von vornherein nicht die anfallenden Sondernutzungsgebühren, sondern lediglich die geringeren, auf privatem Gelände üblichen Mietbeträge in Betracht ziehe. Es hat sich daher - unter Mitberücksichtigung der Gebührenhöhe in zahlreichen anderen deutschen Städten - gehindert gesehen, aus dem von der Klägerin dargelegten Umstand, dass ihre Erträge geringer als die ihr abverlangten Sondernutzungsgebühren seien, auf eine Verletzung des Äquivalenzprinzips zu schließen. Inwiefern vor diesem Hintergrund grundsätzlicher Klärungsbedarf zum Schutzumfang von Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG besteht, ist weder dargelegt noch erkennbar.

83. Eine Zulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht, § 86 Abs. 1 VwGO, kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom weder konkrete Aufklärungsmaßnahmen angeregt noch einen Beweisantrag gestellt hat. Eine weitere Sachaufklärung musste sich dem Oberverwaltungsgericht auch nicht aufdrängen. Der von der Klägerin für aufklärungsbedürftig gehaltene Umfang der Gemeingebrauchsbeeinträchtigung ist nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts in der Berechnung der Gebühr für die Sondernutzung, die sich gemäß § 11 Abs. 9, § 27 Abs. 2 BerlStrG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Sondernutzungsgebührenverordnung und Nr. 4.1 des Gebührenverzeichnisses nach Art, Umfang, Dauer und wirtschaftlichem Vorteil richtet, bereits pauschaliert enthalten. Damit kam es weder auf den konkreten Standort noch auf den konkreten "Bewirtschaftungsaufwand" für die Werbetafeln an.

94. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Fundstelle(n):
DAAAE-97095