BSG Beschluss v. - B 5 RS 10/15 B

Sozialgerichtsverfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Divergenz - Abweichungen von Entscheidungen eines anderen obersten Gerichtshofes des Bundes

Gesetze: § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Instanzenzug: SG Altenburg Az: S 18 R 160/11 Urteilvorgehend Thüringer Landessozialgericht Az: L 3 R 1846/12 Urteil

Gründe

1Mit Urteil vom hat das Thüringer LSG einen Anspruch des Klägers auf Feststellung der Zeit vom bis als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einschließlich der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte im Zugunstenverfahren verneint.

2Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG und Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG.

3Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

5Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

6Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 32 ff). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

8Er hat es aber versäumt, deren Klärungsfähigkeit, dh Entscheidungserheblichkeit ausreichend aufzuzeigen.

9Entscheidungserheblichkeit bedeutet, dass es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits auf die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ankommt und die Entscheidung bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers in seinem Sinne hätte ausfallen müssen. Kann mangels entsprechenden Vortrags nicht ausgeschlossen werden, dass der geltend gemachte Anspruch unabhängig vom Ergebnis der angestrebten rechtlichen Klärung womöglich am Fehlen einer weiteren Anspruchsvoraussetzung scheitern müsste, fehlt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit und damit der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 3 mwN). Ein Beschwerdeführer hat daher den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und dabei insbesondere den Schritt darzustellen, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Hierzu enthält die Beschwerdebegründung keine schlüssigen Ausführungen.

11Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich darüber hinaus, dass die Beklagte den Bescheid vom nach § 45 SGB X zurückgenommen hat.

12Gemäß § 45 Abs 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nur unter den Einschränkungen der Abs 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Dass in einem künftigen Revisionsverfahren das Vorliegen einer Einschränkung iS des § 45 Abs 2 bis 4 SGB X zu verneinen wäre, hat der Kläger nicht dargelegt. Nur in diesem Fall wäre aber entscheidungserheblich, ob der Bescheid vom mangels Vorliegens der sogenannten betrieblichen Voraussetzung rechtswidrig wäre. Läge hingegen eine der Rücknahme des Bescheids vom entgegenstehende Einschränkung vor, könnte der Bescheid unabhängig von seiner Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit nicht zurückgenommen werden.

13Den gebotenen Darlegungserfordernissen hat der Kläger auch nicht durch den Hinweis genügt, dass nach der Rechtsauffassung des LSG die Einschränkungen des § 45 Abs 2 S 1 und Abs 4 S 2 SGB X nicht bestünden. Für die Entscheidungserheblichkeit einer Rechtsfrage im Beschwerdeverfahren vor dem BSG kommt es nicht auf die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts an, sondern auf den vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung, den der Beschwerdeführer darzulegen hat.

14Ebenso wenig reicht die Erklärung des Klägers aus, dass die übrigen Voraussetzungen zwischen den Beteiligten unstreitig seien. Dem sozialgerichtlichen Verfahren ist der den Zivilprozess beherrschende Verhandlungsgrundsatz und damit ein "unstreitiger" Vortrag als Entscheidungsgrundlage fremd.

15Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zu Grunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen tragenden abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht; ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zu Grunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

17Mit diesem Vorbringen hat der Kläger bereits keinen tragenden höchstrichterlichen Rechtssatz dargestellt. Die Zitierung eines bloßen Satzteils ohne Darstellung des Kontextes und des Sachverhalts der herangezogenen Entscheidung erlaubt nicht die Prüfung, ob die zitierte Erklärung tragend für die höchstrichterliche Entscheidung ist oder lediglich ein "obiter dictum" vorliegt. Auch ist wegen der fehlenden Darstellung des Sachverhalts der herangezogenen Entscheidung nicht prüfbar, ob die angefochtene Entscheidung auf dem geltend gemachten Widerspruch beruht. Eine Divergenz ist nur möglich, wenn Berufungsgericht und BSG einen gleichen oder zumindest vergleichbaren Sachverhalt entschieden haben. Soweit der Kläger aus dem zitierten Satzteil ableitet, dass nach der Rechtsprechung des BSG die Wirksamkeit der Spaltung nach den gesetzlichen Regeln und der hierzu ergangenen Rechtsprechung insbesondere des BGH zu beurteilen sei und einen Umkehrschluss auf unwirksame Spaltungen zieht, legt er nicht dar, mit Hilfe welcher Methodik er der höchstrichterlichen Entscheidung diese Aussagen entnehmen will. Damit bleibt offen, ob es sich insoweit nicht um eine Meinungsbildung des Klägers handelt. Hierfür spricht der Hinweis auf Seite 7 der Beschwerdebegründung, dass das BSG die Frage der Folgen einer Aufspaltung eines VEB in zwei Kapitalgesellschaften, die vor und nach dem Stichtag in das Register eingetragen worden seien, für die fingierte Versorgungsanwartschaft noch nicht beantwortet habe.

18Soweit der Kläger mit der Erklärung, das LSG habe sich in direkten Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH gesetzt, möglicherweise eine Abweichung des Berufungsurteils von Entscheidungen des BGH rügen will, ist darauf zu verweisen, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG die Revision nach dieser Vorschrift nur zugelassen werden kann, wenn das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Entscheidungen eines anderen obersten Gerichtshofes des Bundes ermöglichen keine Zulassung wegen Divergenz (vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 11).

20Abgesehen davon, dass schon mangels Darstellung des Sachverhalts der herangezogenen Entscheidung nicht geprüft werden kann, ob es sich um einen tragenden Rechtssatz des BSG handelt und die höchstrichterlich zu entscheidende Sachkonstellation mit dem dem Berufungsurteil zu Grunde liegenden Sachverhalt zumindest vergleichbar ist, ist die Kausalität zwischen der gerügten Abweichung und der Entscheidung des LSG auch aus einem anderen Grund nicht dargelegt.

21Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich, dass das Vorliegen der sogenannten betrieblichen Voraussetzung nach der Rechtsprechung des BSG davon abhängig ist, dass der Betreffende am Stichtag in einem volkseigenen Produktionsbetrieb tätig war. Ferner gibt die Beschwerdebegründung an, dass nach der Rechtsprechung des BSG das Beschäftigungsverhältnis mit dem VEB aufgelöst werden kann, indem dieser erlischt (zB durch Betriebsumwandlung in ein Nachfolgeunternehmen) oder aber das Arbeitsverhältnis zwischen dem fortexistierenden VEB und dem Arbeitnehmer durch einen dem Begründungsakt (Arbeitsvertrag oder Berufung) entsprechenden Tatbestand beendet wird. Ferner ist der Beschwerdebegründung zu entnehmen, dass das LSG von einem Erlöschen des VEB am ausgegangen ist. Damit hat ausweislich der Beschwerdebegründung das Beschäftigungsverhältnis zwischen dem VEB E. und dem Kläger nach der angefochtenen Entscheidung wegen des Erlöschens des VEB vor dem Stichtag nicht mehr bestanden. Folglich sind nach dem eigenen Vortrag des Klägers die Ausführungen des LSG zum damals geltenden Recht der DDR und seinen Auswirkungen auf damalige Arbeitsverhältnisse nicht entscheidungsrelevant.

22Der Kläger rügt darüber hinaus eine Divergenz zwischen dem - BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) und der Berufungsentscheidung. Hierzu trägt er vor, das BSG habe den Rechtssatz aufgestellt, dass neben VEB und GmbH vor dem die Existenz eines weiteren Rechtssubjekts nicht in Betracht gekommen sei, weil das in der DDR geltende GmbHG keine Vorgesellschaft gekannt habe, während das LSG von der Existenz einer teilrechtsfähigen Vor-GmbH ausgegangen sei.

23Auch insoweit ist schon wegen der fehlenden Darstellung des Sachverhalts der herangezogenen Entscheidung eine Divergenz aus den bereits oben dargelegten Gründen schlüssig nicht dargelegt.

24Mit seinem sonstigen Vorbringen rügt der Kläger die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung in der Sache. Hierauf kann indes gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

25Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil diese nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

26Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2015:070715BB5RS1015B0

Fundstelle(n):
PAAAE-97039