BSG Beschluss v. - B 9 SB 24/15 B

Instanzenzug: S 1 SB 3507/10

Gründe:

I

1In der Hauptsache begehrt der Kläger die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 ab dem 14.11.2008 und damit der Schwerbehinderteneigenschaft. Bei dem Kläger hatte das beklagte Land zuletzt wegen einer Funktionsbehinderung beider Schultergelenke und der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen sowie wegen einer Hüftgelenksendoprothese links bei Funktionsbehinderungen des rechten Hüftgelenks ab dem 14.11.2008 einen GdB mit 40 festgestellt (Bescheid vom 12.2.2009). Der hiergegen gerichtete Widerspruch war ebenso erfolglos wie die anschließende Klage vor dem SG Freiburg (Widerspruchsbescheid vom 23.6.2010; Gerichtsbescheid vom 11.10.2012). Das LSG hat die dagegen gerichtete Berufung nach orthopädischer Begutachtung gemäß § 109 SGG durch Prof. Dr. S. nebst ergänzender Stellungnahme und einer abweichenden gutachtlichen Stellungnahme durch Dr. R. vom Versorgungsärztlichen Dienst des beklagten Landes zurückgewiesen. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ua ausgeführt, die Bewegungseinschränkungen der Schultergelenke seien entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen zutreffend mit einem Einzel-GdB von 20 in Ansatz zu bringen, während die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule entgegen den Ausführungen von Prof. Dr. S. lediglich mit einem Einzel-GdB von 10 zu berücksichtigen seien, weil eine Addition von entsprechenden Einzel-GdB Werten im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule nicht zulässig sei. Unter Einbeziehung der Kniegelenkserkrankung sowie der verbliebenen Bewegungseinschränkung im Bereich der Hüftgelenksendoprothese mit jeweils einem Einzel-GdB von 20 sei im Rahmen einer Zusammenschau der bestehenden Funktionsbeeinträchtigung ein GdB von mehr als 40 nicht festzustellen. Zwar habe Prof. Dr. S. im Rahmen seines Gutachtens darauf hingewiesen, dass beim Kläger eine Einschränkung des Hörvermögens und eine behandlungsbedürftige Herzrhythmusstörung bestünden. Diese seien allerdings zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen. Im Rahmen der insoweit beabsichtigten Beweiserhebung durch Einvernahme der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen sei der Bevollmächtigte des Klägers um Mitteilung gebeten worden, ob sich der Kläger in HNO-ärztlicher und in internistisch/kardiologischer Behandlung befinde. Ferner sei bejahendenfalls um Benennung der Ärzte gebeten worden. Trotz zweimaliger Erinnerung und Präklusionsandrohung habe es der Kläger unterlassen, die gerichtliche Anfrage zu beantworten. Da auch aus der im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Erklärung über die Entbindung der Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht keine entsprechende fachspezifische Behandlung ersichtlich sei, habe für den Senat keine Möglichkeit bestanden, in die beabsichtigte Beweisaufnahme einzutreten. Die hieraus resultierenden prozessrechtlichen Folgen, vorliegend die Nichtaufklärbarkeit einer ggf bestehenden weiteren Funktionsbeeinträchtigung, habe nach den Grundsätzen der objektiven Feststellungslast der Kläger zu tragen (Urteil vom 11.2.2015).

2Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und macht den Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers geltend.

II

3Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

41. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall des Klägers darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist.

5a) Der Kläger behauptet eine Verletzung der Präklusionsvorschrift nach § 106a SGG mit der Begründung, dass der Hinweis des LSG in seiner Verfügung vom 21.3.2014 auf § 106a SGG nicht durch den Vorsitzenden Richter, sondern durch den Berichterstatter erfolgt und damit gemäß § 106a Abs 1 und 2 SGG rechtsunwirksam gewesen sei. Der Kläger behauptet aber selbst nicht, dass das LSG Erklärungen und Beweismittel, die er vorgebracht habe, zurückgewiesen und ohne weitere Ermittlungen entschieden habe (§ 106a Abs 3 SGG). Damit hat auch nach dem Vorbringen des Klägers selbst eine Anwendung der Präklusionsvorschrift des § 106a SGG durch das LSG nicht stattgefunden und ist folgerichtig deren Verletzung nicht dargelegt.

6b) Der Kläger hat auch eine konkludent behauptete Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) durch das LSG nicht ausreichend bezeichnet. Er hat weder behauptet, dass und inwieweit das Berufungsgericht eigene Sachkunde an die Stelle der medizinischen Sachverständigen gesetzt hat und hat auch nicht dargelegt, im Verfahren vor dem LSG einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt zu haben, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (vgl - Juris).

7c) Selbst wenn der Kläger sinngemäß noch eine Gehörsverletzung (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) rügen wollte, so ist auch diese nicht hinreichend dargelegt. Eine Gehörsverletzung liegt nur vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Hierfür trägt die Beschwerdebegründung indes nichts vor.

8Der vom Kläger angeführte Umstand, dass das Berufungsgericht die Präklusionsvorschrift des § 106a SGG fehlerhaft angewendet habe und diese Regelung gegen Art 19 Abs 4 GG verstoße, bezeichnet keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Auch ist das Gericht nicht verpflichtet, den Ausführungen eines bestimmten medizinischen Sachverständigen zu folgen, sondern es entscheidet in freier Würdigung der erhobenen Beweise (§ 128 Abs 1 S 1 SGG). Vorliegend hat das LSG tatsächlich weiteren Beweis erheben wollen und ist lediglich an der fehlenden Mitwirkung des Klägers selbst gescheitert. Eine darüber hinaus gehende nicht vorhersehbare Beweiswürdigung durch das LSG bezeichnet die Beschwerdebegründung nicht.

92. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).

103. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

114. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Fundstelle(n):
TAAAE-96621