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LSG Bayern Urteil v. - L 12 EG 60/13

Zwischen den Beteiligten ist die Berechnung des Elterngeldes nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) für das am 18.07.2009 geborene Kind J der Klägerin streitig. Die 1983 geborene Klägerin war vor der Geburt ihres Kindes seit 01.10.2005 bei der H. GmbH als Fotografin beschäftigt. Sie bezog nach dem Anstellungsvertrag vom 06.08.2005 ein Festgehalt von 1.100,- EUR brutto monatlich zzgl. eines persönlichen Zuschlags von 100,- EUR. Weiter war arbeitsvertraglich vereinbart, dass die Klägerin darüber hinaus eine Sitting-Provision von 2,50 EUR netto je fotografiertes Sitting erhält. Diese Sitting-Provision wurde ab September 2007 auf 3,- EUR netto erhöht. Die Sitting-Provisionen wurden von der Klägerin von den Kunden der H. GmbH bar vereinnahmt. Von der Arbeitgeberin wurden keine Abrechnungen über die von der Klägerin eingenommenen Sitting-Provisionen erstellt, auch Sozialabgaben und Einkommenssteuer wurden auf die Sitting-Provisionen nicht abgeführt. Seit 25.11.2008 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Nach Beendigung der Entgeltfortzahlung bezog sie vom 07.01.2009 bis 24.02.2009 wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Arbeitsunfähigkeit Krankengeld, vom 05.06.2009 bis 12.09.2009 Mutterschaftsgeld. Mit Bescheid vom 10.02.2009 verhängte das Gewerbeaufsichtsamt bei der Regierung von Schwaben für die Klägerin ein Beschäftigungsverbot ab 25.02.2009. Die Klägerin hat mit Antrag vom 01.09.2009 für das am 18.07.2009 geborene Kind J für den 1. bis 12. Lebensmonat Elterngeld beantragt. Dem Antrag lagen u.a. die monatlichen Abrechnungen der Brutto-Netto-Bezüge der H. GmbH sowie von der Klägerin selbst erstellte Aufstellungen über die von ihr bezogenen Netto-Sitting-Provisionen (Januar 2008: 252,00 EUR, Februar 2008: 276,00 EUR, März 2008: 830,50 EUR, April 2008: 620,00 EUR, Mai 2008: 129,00 EUR, Juni 2008: 450,00 EUR, Juli 2008: 61,00 EUR, 2008: 620,80 EUR, September 2008: 1.037,70 EUR und Oktober 2008: 1.406,50 EUR) bei. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 12.10.2009 der Klägerin Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat bewilligt und zwar wegen des bezogenen Mutterschaftsentgeltes für den 1. Lebensmonat ein gekürztes Elterngeld in Höhe von 116,10 EUR und für den 2. Lebensmonat in Höhe von 181,25 EUR sowie für den 3. bis 12. Lebensmonat in Höhe von 519,00 EUR monatlich. Der Beklagte legte dabei als Bemessungszeitraum die Monate April 2008 bis Dezember 2008 sowie März 2009 bis Mai 2009 zugrunde. Unberücksichtigt blieben die Monate Januar 2009 und Februar 2009, da in diesen Monaten eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung bei der Klägerin mit einer Einkommensminderung vorlag. Der Beklagte legte bei der Bemessung des Einkommens aus nicht selbständiger Arbeit im Bemessungszeitraum die von der Klägerin vorgelegten Abrechnungen der Brutto-Netto-Bezüge der H. GmbH zugrunde, in denen die Sitting-Provisionen nicht ausgewiesen waren, und ermittelte hieraus ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 595,30 EUR. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass das Elterngeld nach den vorliegenden Unterlagen festzustellen sei und entgangenes Elterngeld aufgrund fehlerhafter Monatsabrechnungen ggf. über eine private Schadensersatzforderung vom Arbeitgeber einzuklagen sei. Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Klägerin vom 29.10.2009. Der Arbeitgeber habe das Entgelt für den Bemessungszeitraum nicht korrekt abgerechnet. Zwischen den Parteien würden zurzeit noch Verhandlungen schweben, die kurz vor dem Klageverfahren stehen, um die ausstehenden Abrechnungen sowie Löhne zu erhalten. Es wurde eine Musterabrechnung des Steuerberaters der Klägerin unter Zugrundelegung der tatsächlichen vertraglichen Vereinbarungen vorgelegt. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass diese Abrechnungen für den Krankengeldbezug ab dem Beschäftigungsverbot der Klägerin zugrunde gelegt worden seien. Der Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2010 den Widerspruch zurückgewiesen. Der Beklagte hat u.a. ausgeführt, dass Grundlage der Einkommensermittlung die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers (§ 2 Abs. 7 Satz 4 BEEG) seien. Entscheidend für die Berücksichtigung nach dem BEEG sei nur das Einkommen, das im maßgeblichen 12-Monatszeitraum und in den einzelnen Monaten tatsächlich zugeflossen sei (steuerliches Zuflussprinzip). Nachberechnungen außerhalb des 12-Monatszeitraums bzw. des betroffenen Monats oder auch Nachzahlungen aufgrund arbeitsgerichtlicher Verfahren, die danach zufließen, könnten hingegen nicht mehr berücksichtigt werden, da sie im Bemessungszeitraum nicht als Erwerbseinkommen zur Verfügung gestanden hätten. Hiergegen richtet sich die Klage der Klägerin vom 22.07.2010 zum Sozialgericht Augsburg, die mit Schriftsatz vom 24.09.2010 begründet wurde. Die ehemalige Arbeitgeberin der Klägerin habe die Nettolohnabrechnungen nicht korrekt erstellt. Die Vergütungen für "Fotografie-Sitzungen" seien der Klägerin jeweils in bar ausgezahlt worden, die Arbeitgeberin habe es aber versäumt, diese Beträge als Lohnleistungen in die Entgeltabrechnung einzustellen, so dass sich das Bruttogehalt und demgemäß das ausgewiesene Nettoentgelt der Klägerin erheblich verringert habe. Zwischen den Arbeitsvertragsparteien sei diesbezüglich ein Verfahren beim Arbeitsgericht anhängig. Mit Schriftsatz vom 30.12.2010 haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine Kopie des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11.11.2010 übersandt, in dem die frühere Arbeitgeberin zu Nachzahlungen für den Zeitraum vom 01.12.2008 mit Unterbrechungen bis September 2009 verurteilt wurde; des Weiteren wurde festgestellt, dass die ehemalige Arbeitgeberin der Klägerin verpflichtet ist, dieser den durch die fehlerhafte oder fehlende Berücksichtigung der Nettoprovisionen in den Gehaltsabrechnungen beim Elterngeld entstehenden Schaden zu ersetzen. Das Sozialgericht Augsburg hat mit Schriftsatz vom 13.05.2011 um Übersendung von Belegen über die von der Klägerin im Bemessungszeitraum vereinnahmten Arbeitsentgeltzahlungen gebeten. Mit Schriftsatz vom 23.05.2011 wurde hierzu eine von der Klägerin gegenüber der ehemaligen Arbeitgeberin erstellte "Nettoprovisionsabrechnung" übersandt, die jeweils als Barleistungen gezahlt worden seien. Des Weiteren hat die Klägerin auf die von ihrem Steuerberater ermittelte "Musterabrechnung" für den Zeitraum Juni 2008 bis Mai 2009 verwiesen, die Abrechnung für April und Mai 2008 werde nachgereicht, des Weiteren hat die Klägerin auf die von der H. GmbH ausgestellte Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III über das beitragspflichtige Arbeitsentgelt der Klägerin in der Zeit von 2008 bis September 2009 sowie auf die Einkommenssteuererklärungen für die Jahre 2008 und 2009 verwiesen. Der Beklagte hat zu den vorgelegten Unterlagen mit Schriftsatz vom 10.08.2011 dahingehend Stellung genommen, dass für die maßgeblichen Kalendermonate im 12-Monatszeit- raum keine geänderten Verdienstbescheinigungen des Arbeitgebers ausgestellt worden seien, sondern lediglich die Musterrechnungen des Steuerberaters vorliegen würden, in denen jedoch auch Einmalzahlungen enthalten seien, die nicht einzeln aufgeführt seien. Des Weiteren sei immer noch nicht erkennbar, dass die mit Gerichtsurteil vom 11.11.2010 festgestellten Beträge der Klägerin im Bemessungszeitraum bereits zugeflossen seien. Laut Urteil sei der Arbeitgeber erst zu einer Zahlung samt Zinsen verurteilt worden, von bereits geleisteten Barzahlungen sei nichts ersichtlich. Nach dem Schreiben der Bundes- agentur für Arbeit habe die Klägerin eine einmalige Entschädigung in Höhe von 11.622,47 EUR nachbezahlt bekommen. Es werde nochmals um Vorlage der neu festgesetzten Verdienstbescheinigungen durch den Arbeitgeber für den maßgeblichen 12-Monats- zeitraum (4/08 bis 5/09) mit korrektem Bruttoverdienst und den entsprechenden Abzügen unter Berücksichtigung der steuerlichen Vorgaben gebeten. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben hierzu mit Schriftsatz vom 29.08.2011 mitgeteilt, dass die Nettolohnabrechnungen nicht vorgelegt werden könnten, da sich die frühere Arbeitgeberin bisher strikt geweigert habe, die Abrechnungen zu erstellen. Die ehemalige Arbeitgeberin sei inzwischen insolvent, inwieweit der Insolvenzverwalter sich bereit erkläre, entsprechende korrigierte Nettolohnabrechnungen noch zu erstellen, sei nicht ersichtlich. Aus dem Tenor des Urteils des Arbeitsgerichts ergebe sich, welche ausstehenden Lohnzahlungen seit dem 01.12.2008 noch bestehen würden. Die Zahlungen seitens des Arbeitsamtes seien erfolgt, da das Arbeitsamt selbstverständlich die Musterabrechnungen und das Urteil zugrunde gelegt habe. Mit weiterem Schriftsatz vom 20.10.2011 haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein Schreiben des Insolvenzverwalters vorgelegt, in dem dieser mitteilt, dass die Insolvenzmasse nicht ausreiche, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. Mit weiterem Schreiben vom 15.11.2011 wurde schließlich mitgeteilt, dass die Klägerin in den Jahren 2010 und 2011 keine Zahlungen auf den ausstehenden Lohn erhalten habe, die in dem Urteil des Arbeitsgerichts titulierten Ansprüche seien zur Insolvenztabelle angemeldet worden. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben mit Schriftsatz vom 05.03.2012 den Streitstand nochmals zusammengefasst. Die Klägerin habe entsprechend ihrem Arbeitsvertrag für abgehaltene "Fotositzungen" jeweils ein Nettoentgelt in bar ausbezahlt bekommen, das sie bei den Kunden direkt kassiert habe. Dieses sei in den Arbeitsunterlagen entsprechend vermerkt und verbucht worden. Der Arbeitgeber habe aber das Entgelt nicht in die entsprechenden Brutto-/Nettolohnberechnungen aufgenommen. Nachdem die Klägerin dann schwangerschaftsbedingt ein Arbeitsverbot erhalten habe, sei nach den zugrundeliegenden Gesetzen der durchschnittliche Bruttoverdienst der letzten drei Monate weiter gezahlt worden. Dies bedeute, dass die zuvor fehlerhaften Abrechnungen nunmehr entsprechend zu korrigieren seien. Der Steuerberater der Klägerin habe eine "Rückrechnung" in Hinblick auf die letzten Monate vorgenommen, in dem er die in bar erhaltenen Beträge der Klägerin als netto zugrunde gelegt habe und den Nettobetrag auf den Bruttobetrag zurückgerechnet habe. Die frühere Arbeitgeberin habe diese Abrechnungen erhalten, die Abrechnungen aber entsprechend nicht korrigiert. Die Klägerin habe deshalb zunächst ein zu geringes Krankengeld und später ein zu geringes Arbeitslosengeld erhalten und auch das Erziehungsgeld sei nicht richtig berechnet worden. Mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil sei der frühere Arbeitgeber verpflichtet worden, aufgrund des bestehenden Schwangerschaftsverbotes und dann im Hinblick auf den Mutterschutz die entsprechenden Entgelte zu zahlen und zwar das durchschnittliche Bruttoentgelt aus den letzten drei Monaten. In das Bruttoentgelt seien die Beträge, die für die Sitzungen angefallen und in bar als netto einbehalten worden seien, als brutto einzustellen. Dies habe die frühere Arbeitgeberin aber nicht getan. Bei den vorgelegten "Probeabrechnungen" handle es sich daher um Abrechnungen, wie sie der Arbeitgeber hätte erstellen müssen. Mit weiterem Schriftsatz vom 28.01.2013 haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt, dass ihnen nicht klar sei, warum die nunmehr von einem Steuerberater anhand der angegebenen Bruttozahlungen erstellten Nettolohnabrechnungen, die den Bruttoarbeitslohn, die sozialversicherungsrechtlichen und steuerrechtlichen Abzüge und den Nettolohn ausweisen, nicht ausreichend sein sollen. Der Klägerin sei es nicht möglich, von dem nicht mehr existenten Arbeitgeber die für diesen Zeitraum nicht erstellten Nettolohnabrechnungen zu erhalten. Die Ansicht des Beklagten, die nur auf den reinen Wortlaut abstelle, sei viel zu eng und nur vor dem Hintergrund zu erklären, dass man "Geld sparen" möchte. Der Beklagte hat hierzu mit Schriftsatz vom 06.02.2013 vorgetragen, dass es ihm durchaus bewusst sei, dass ein nicht mehr existierender Arbeitgeber auch keine Verdienstabrechnungen ausstellen könne. Jedoch könne aus den vom Steuerbüro erstellten Musterabrechnungen nicht entnommen werden, wie sich der Bruttoarbeitslohn zusammensetze. So würden keine Einmalzahlungen bestätigt, die laut bescheinigtem Arbeitsentgelt bei der Bundesanstalt für Arbeit in den Monaten 8 bis 11/2008 vorgelegen hätten. Die abweichenden Bruttoentgeltbeträge hätten nicht erklärt werden können. Es sei dem Beklagten daher nicht möglich, das korrekte Entgelt zu beziffern bzw. eine plausible Grundlage für die Elterngeldberechnung zu finden. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben mit Schriftsatz vom 19.04.2013 noch darauf hingewiesen, dass die Klägerin keinen Einfluss darauf habe, welche Bescheinigung der ehemalige Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitsamt abgegeben habe. Er habe dort "Einmalzahlungen" aufgeführt, die tatsächlich so nicht geflossen seien. Tatsächlich habe er wohl die einbehaltenen "Nettoprovisionen" gemeint. Er habe übersehen, dass es sich um ein Nettoentgelt handele, das eigentlich in die Abrechnungen entsprechend hätte aufgenommen werden müssen.

Fundstelle(n):
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