Instanzenzug:
Tatbestand
1Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Lebensversicherung.
2Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und im Begleitschreiben vom eine schriftliche Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.
3D. VN zahlte von November 2004 bis Juli 2010 Prämien in Höhe von insgesamt 7.985 €. Mit Schreiben vom erklärte d. VN den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F./Widerspruch nach § 8 VVG, den Widerruf nach § 355 BGB, vorsorglich Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB und hilfsweise Kündigung. Der Versicherer behandelte diese Erklärung als Kündigung und zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom erklärte d. VN vorsorglich nochmals unter anderem den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.
4Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, insgesamt 6.952,44 €.
5Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil keine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerspruchsrecht erfolgt und das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.
6Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
7Die Revision hat keinen Erfolg.
8I. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Widerspruchsfrist sei als Folge der Übersendung des Versicherungsscheins nebst den weiteren erforderlichen Unterlagen in Gang gesetzt worden. Die erteilte Widerspruchsbelehrung im Begleitschreiben sei drucktechnisch deutlich hervorgehoben und umfasse Beginn und Dauer der Widerspruchsfrist sowie die Form des Widerspruchs. Innerhalb der 30-tägigen Widerspruchsfrist habe d. VN den Widerspruch nicht erklärt. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung.
9II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
10D. VN kann nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB Rückzahlung der Prämien verlangen.
111. Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Versicherungsvertrages sind hier erfüllt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine Widerspruchsbelehrung. Die Revision beanstandet ohne Erfolg, dass der Versicherer den Begriff der Textform nicht erläutert habe. Ohne die gesetzliche Erläuterung in § 126b BGB kennen zu müssen, kann d. VN diesem Begriff ohne weiteres entnehmen, dass der Widerspruch in letztlich lesbarer Form dem Versicherer übermittelt und der Urheber erkennbar sein muss. D. VN kann ersehen, dass die Erklärung in Schriftzeichen und einer zur dauerhaften Wiedergabe geeigneten Weise festgehalten sein muss und eine lediglich mündliche Erklärung nicht genügt. Dieses Verständnis wird unterstützt durch den in der Belehrung enthaltenen Hinweis, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genüge. Entgegen der Ansicht der Revision ist es für d. VN nicht verwirrend, dass die Widerspruchsfrist im Antrag mit 14 Tagen und im Policenbegleitschreiben mit 30 Tagen entsprechend der jeweiligen Gesetzeslage angegeben war, denn maßgeblich ist allein die Belehrung im Begleitschreiben. Schließlich ist auch der Fristbeginn - anders als die Revision meint - nicht ungenau bezeichnet. Aus den in der Widerspruchsbelehrung in Bezug genommenen und mit dem Policenbegleitschreiben mit übersandten "Verbraucherinformationen auf einen Blick" ergeben sich die fristauslösenden Unterlagen deutlich. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 30-tägigen Widerspruchsfrist erklärte d. VN den Widerspruch nicht.
122. Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; , WM 2015, 514 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüch licher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die Treuwidrigkeit liegt darin, dass d. VN nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom aaO Rn. 32-42; aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ sie bei Vertragsschluss 2004 ungenutzt verstreichen und zahlte bis zum Widerspruch im Juli 2010 fünfeinhalb Jahre die Versicherungsprämien. Die jahrelangen Prämienzahlungen der bereits 2004 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.
Fundstelle(n):
KAAAE-94492