Instanzenzug: S 45 R 258/10
Gründe:
1Mit Urteil vom hat das LSG Niedersachsen-Bremen die Entscheidung des SG bestätigt, wonach der Kläger als selbständiger Lehrer im Zeitraum vom bis wegen bereits eingetretener Verjährung nicht zu Pflichtbeiträgen herangezogen werden durfte.
2Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Beklagte Beschwerde zum BSG eingelegt. In der Beschwerdebegründung macht sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
3Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
4Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
5Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
6Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 42).
7Die Beklagte hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:
1. "Ist ein Verfahren über die Nachversicherung des Klägers unter den Begriff des 'Beitragsverfahren' im Sinne des § 198 Satz 2 SGB VI mit der Folge zu subsumieren, dass die Verjährung eines Beitragsanspruchs aus einer versicherungspflichtigen selbständigen Tätigkeit gehemmt wird, obwohl eine zeitliche Kongruenz zwischen dem auf Beitragsbeitreibung zielenden Verfahren und dem Nachversicherungsverfahren nicht gegeben ist?"
2. "Ist ein Kontenklärungsverfahren (im Sinne des § 149 SGB VI) ein 'Beitragsverfahren' im Sinne des § 198 Satz 2 SGB VI mit der Folge, dass dadurch die Hemmung der Verjährung eines Anspruchs auf Zahlung von Beiträgen aufgrund einer versicherungspflichtigen selbstständigen Tätigkeit nach § 25 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) eintritt?"
3. "Oder handelt es sich bei einem Kontenklärungsverfahren um ein 'Verfahren über einen Rentenanspruch' im Sinne des § 198 Satz 2 SGB VI mit der zu Ziffer 2 geschilderten Rechtsfolge?"
81. Damit hat sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan. Die Beschwerdebegründung lässt bereits offen, warum die erste Frage über den konkreten Fall hinaus Breitenwirkung entfalten könnte, obwohl sie sich ausdrücklich nur "auf ein Verfahren über die Nachversicherung des Klägers" bezieht und damit gerade einzelfallbezogen formuliert ist. Dass (auch) "Verfahren über die Nachversicherung ... unter den Begriff des 'Beitragsverfahren(s)' im Sinne des § 198 S 2 SGB VI ... zu subsumieren" sind, hat der Senat in seinem Urteil vom (B 5 R 8/08 R - SozR 4-2600 § 233a Nr 1) im Übrigen bereits ausdrücklich entschieden. Danach ist der Begriff des Beitragsverfahrens weit zu verstehen und erfasst schon Verwaltungsverfahren, in denen (zunächst nur) die Nachversicherungsvoraussetzungen geprüft werden, wobei unerheblich ist, ob es anschließend (dh nach Abschluss der Prüfung) tatsächlich zur Durchführung der Nachversicherung mit dem Ziel der Beitragszahlung kommt. Mit diesem Urteil des erkennenden Senats setzt sich die Beschwerdebegründung nirgendwo auseinander, so dass auch nicht deutlich wird, ob diese Entscheidung bereits ausreichende Anhaltspunkte enthält, um (auch) den letzten Teil der ersten Frage zu beurteilen.
92. Die Beklagte legt auch nicht schlüssig dar, dass die zweite Frage noch klärungsbedürftig ist. Wie die Beschwerdebegründung selbst einräumt, hat der 12. Senat in seinem Urteil vom (B 12 RA 4/01 R - Juris RdNr 16) zu § 198 S 1 SGB VI bereits explizit entschieden, dass Kontenklärungsverfahren die Frist des § 197 Abs 2 SGB VI nicht unterbrechen. Zu diesem Ergebnis konnte der 12. Senat nur durch die implizite Überlegung gelangen, dass Kontenklärungsverfahren weder zu den "Beitragsverfahren" noch zu den "Verfahren über einen Rentenanspruch" iS des § 198 S 1 SGB VI gehören. Warum dieser Gedanke nicht auf § 198 S 2 SGB VI übertragbar sein könnte, obwohl diese Vorschrift ausdrücklich auf die "Tatsachen" in S 1 aaO verweist, erläutert die Beklagte nicht.
10Soweit sie auf das angeblich divergierende Senatsurteil vom (B 5/4 RA 73/97 R - Juris RdNr 14) hinweist, geht sie mit keinem Wort darauf ein, dass diese Entscheidung im Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) zum Begriff des "Beitragsverfahrens" iS des § 75 Abs 2 S 2 Nr 2 SGB VI ("Entgeltpunkte für Zeiten nach Rentenbeginn") im Dritten Titel ("Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte") des Dritten Unterabschnitts ("Rentenhöhe und Rentenanpassung") im Zweiten Abschnitt ("Renten") des Zweiten Kapitels ("Leistungen") des SGB VI ergangen ist, während sich die zweite Rechtsfrage ausdrücklich nur auf ein "Beitragsverfahren im Sinne des § 198 Satz 2 SGB VI" und damit auf eine Vorschrift im Deckungsverhältnis der GRV bezieht, die im Dritten Titel ("Wirksamkeit der Beitragszahlung") des Zweiten Unterabschnitts ("Verfahren") im Vierten Kapitel ("Finanzierung") des Zweiten Abschnitts ("Beiträge und Verfahren") verortet ist. Aus welchen Gründen der Begriff des "Beitragsverfahrens" im Deckungsverhältnis und im Leistungsrecht der GRV identisch auszulegen und der 12. Senat deshalb im selben Kontext in derselben Rechtsfrage - unter Missachtung des Anfrageverfahrens (§ 41 Abs 3 S 1 SGG) und der Vorlagepflicht (§ 41 Abs 2 SGG) an den Großen Senat (§ 41 Abs 1 SGG) - von der Entscheidung des 5. Senats abgewichen sein könnte, erläutert die Beschwerdebegründung nicht ansatzweise.
113. In der Rechtsprechung des BSG ist bereits anerkannt, dass Kontenklärungsverfahren (früher: Vormerkungsverfahren) iS des § 149 SGB VI eine möglichst zeitnahe und verbindliche Feststellung von Tatsachen bezwecken, die - ausgehend von der zu dieser Zeit gültigen Rechtslage - in einem künftigen Leistungsfall möglicherweise rentenversicherungsrechtlich bedeutsam werden könnten (vgl - SozR 3-2600 § 58 Nr 2, vom - B 4 RA 29/98 R - Juris und vom - B 13 R 27/07 R - BSGE 100, 19 = SozR 4-2600 § 281 Nr 1). Damit ist das Kontenklärungsverfahren dem "Verfahren über einen Rentenanspruch" (Rentenfeststellungsverfahren) notwendigerweise vorgelagert (Senatsurteil vom - B 5 RS 7/09 R - Juris RdNr 14; - SozR 4-8570 § 8 Nr 1, vom - B 4 RA 6/01 R - SozR 3-8570 § 8 Nr 7, vom - B 4 RA 62/00 R - SozR 3-2600 § 248 Nr 8, vom - B 4 RA 117/00 R - SozR 3-8570 § 5 Nr 6, vom - B 4 RA 10/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr 6, vom - B 4 RA 1/99 R - SozR 3-8570 § 5 Nr 5; jeweils zum Feststellungsverfahren nach § 8 AAÜG) und trotz seiner Beweissicherungsfunktion mit diesem keinesfalls identisch. Auf dieser Grundlage hat der 12. Senat in seinem Urteil vom (B 12 RA 4/01 R - Juris RdNr 16) implizit entschieden, dass Kontenklärungsverfahren nicht zu den "Verfahren über einen Rentenanspruch" iS des § 198 S 1 SGB VI gehören. Warum im hier streitigen Zusammenhang etwas anderes gelten könnte, legt die Beschwerdebegründung nicht schlüssig dar. Soweit sie sich auf die Kommentierung von Peters (in KassKomm zum Sozialversicherungsrecht, Stand: Juni 2012, § 198 RdNr 5) beruft, ist darauf hinzuweisen, dass sich dieser nicht mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandersetzt. Gleichwohl geht er ebenfalls davon aus, dass Kontenklärungsverfahren "das Rentenverfahren vorbereiten", ohne jedoch zu begründen, warum diese Verwaltungsverfahren iS von § 8 SGB X nicht nur auf die bescheidmäßige Feststellung der im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten iS von § 149 Abs 5 S 1 SGB VI, sondern darüber hinaus auch auf den Erlass eines (Renten-)Verwaltungsakts gerichtet sein könnten.
12Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
13Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstelle(n):
VAAAE-94124