Instanzenzug: S 13 R 201/09
Gründe:
1Mit Urteil vom hat es das LSG Niedersachsen-Bremen abgelehnt, dem Kläger im Zeitraum vom 8.7. bis Leistungen zum Lebensunterhalt iS von § 45 SGB IX in Höhe des zuvor bezogenen Krankengeldes zu gewähren.
2Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wurde Beschwerde zum BSG eingelegt. In der Beschwerdebegründung werden die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (I.), eine Rechtsprechungsabweichung (II.) sowie Verfahrensmängel (III.) geltend gemacht.
3Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
4Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO
Nr 3).
5Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
6I. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 42).
7Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
"ob das Aufstockungsverbot gemäß § 49 Abs. 3 SGB V, wonach aufgrund gesetzlicher Bestimmungen gesenkte Entgelt- oder Entgeltersatzleistungen bei der Anwendung von § 49 Abs. 1 SGB V nicht aufgestockt werden dürfen, auch für in der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig Versicherte gilt, die Arbeitseinkommen erzielt haben."
8Anhand der Beschwerdebegründung kann jedoch nicht entschieden werden, ob diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) wäre. Insoweit hätte der Kläger darlegen (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) müssen, dass gerade ausgehend von dem Lebenssachverhalt, den das LSG für das Revisionsgericht verbindlich festgestellt hat (§ 163 SGG), im künftigen Revisionsverfahren notwendig über die angesprochene Problematik zu entscheiden sein wird und an welcher konkreten Stelle der vorzunehmenden rechtlichen Prüfung dies ggf zu geschehen hätte. Die Beschwerdebegründung verschweigt indes bereits, ob sich der Sachverhalt, den sie im Übrigen nur bruchstückhaft schildert, überhaupt auf den vom LSG festgestellten berufen will und ggf mit diesem ganz oder teilweise identisch ist. Da jedenfalls die bloße Mitteilung eines ohne Herkunftsangabe in der Beschwerdebegründung selbst formulierten Sachverhalts nicht geeignet ist, die mangelnde Bezeichnung des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts zu kompensieren und es andererseits nicht dem Beschwerdegericht obliegt, das angegriffene Urteil selbst nach einschlägigen Feststellungen zu durchsuchen, ist eine Beurteilung der potenziellen Entscheidungsrelevanz der Rechtsfragen schon deshalb von vorneherein ausgeschlossen. Dies gilt umso mehr, als die Beschwerdebegründung selbst einräumt, dass das LSG "auf die Voraussetzungen des Aufstockungsanspruchs durch den Krankengeld-Spitzbetrag nicht eingegangen" sei.
9II. Auch die Divergenzrüge hat keinen Erfolg. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zu Grunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht; ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zu Grunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
10Der Kläger macht geltend, das Berufungsgericht gehe von dem "Rechtssatz" aus,
"dass das Übergangsgeld (ausschließlich) auf der Grundlage des § 21 Abs. 2 SGB VI zu ermitteln sei, wonach als Berechnungsgrundlage das Einkommen heranzuziehen sei, das den vor Beginn der Leistungen für das letzte Kalenderjahr (Bemessungszeitraum) gezahlten Beiträgen zugrunde liegt (Berufungsurteil Seite 6, 3. Abs.)."
11Die Beschwerdebegründung versäumt es jedoch, aus dem herangezogenen Senatsurteil vom (B 5 R 44/08 R - BSGE 104, 294 = SozR 4-3250 § 14 Nr 9) einen tragenden Rechtssatz herauszuarbeiten und aufzuzeigen, dass der Senat auf der Grundlage dieses Rechtssatzes eine Fallkonstellation, die mit derjenigen des Klägers vergleichbar ist, tragend anders entschieden hat als das LSG im angefochtenen Urteil. Hierfür sind zumindest die tatsächlichen und rechtlichen Kontexte darzustellen, in denen die angeblich divergierenden Rechtssätze stehen (vgl hierzu zB - BeckRS 2007, 41946 RdNr 10 mwN). Daran fehlt es. Eine konkrete Sachverhaltsdarstellung sowohl der angefochtenen als auch der herangezogenen Entscheidung gehört aber zu den Mindestvoraussetzungen, um die Entscheidungserheblichkeit der Divergenzrüge prüfen zu können. Denn eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung kann nur bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt vorliegen, auf den grundsätzlich dieselben Rechtsnormen anzuwenden sind (vgl Senatsbeschluss vom - B 5 R 88/10 B - BeckRS 2010, 74190 RdNr 9; - Juris RdNr 4; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 383).
12III. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht.
131. Der Kläger rügt, das LSG habe die (echte) notwendige Beiladung der DAK, bei der er freiwillig krankenversichert sei, verfahrensfehlerhaft unterlassen und deshalb § 75 Abs 2 Alt 1 SGG verletzt. Aus seinem Vorbringen ergibt sich jedoch nicht, inwieweit an dem streitigen Rechtsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten der Krankenversicherungsträger derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch diesem gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das streitige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre der DAK unmittelbar eingreifen würde (stRspr, zB Senatsurteil vom - B 5 R 22/10 R - Juris RdNr 17). Notwendig ist insoweit zumindest eine (Teil-)Identität des Streitgegenstands im Verhältnis zu den beiden Hauptbeteiligten (vgl - BSGE 85, 278, 279 = SozR 3-3300 § 43 Nr 1 S 2 und Beschluss vom - B 7 AL 119/08 B - Juris RdNr 7; s auch Hommel in Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 75 RdNr 26; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 75 RdNr 10 mwN; Straßfeld in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 75 RdNr 52). Da die Beschwerdebegründung den Sachverhalt, der dem angefochtenen Urteil zu Grunde lag, allenfalls bruchstückhaft schildert und es gleichzeitig versäumt, die Feststellungen anzugeben, die das LSG bindend (§ 163 SGG) getroffen hat, fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Konstellation hier vorliegen könnte. Dies gilt umso mehr, als die Beschwerdebegründung (unter Gliederungspunkt C II. "Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör") selbst vorträgt, "dass ein Fall des § 14 SGB IX nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vorliege". Vor diesem Hintergrund lässt sich die (echte) notwendige Beiladung der DAK auch nicht aus der insoweit konträren Behauptung des Klägers herleiten, die Beklagte habe seinen Leistungsantrag nicht zeitgerecht an die an sich zuständige DAK weitergeleitet und sei deshalb nach § 14 SGB IX als sog erstangegangener Rehabilitationsträger anzusehen (s zur notwendigen Beiladung in diesen Fällen: - BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1 und Beschluss vom - B 9 V 14/10 B - Juris RdNr 11).
142. Schließlich trägt der Kläger vor, das LSG habe seinen Vortrag zu § 49 Abs 1 Nr 3 SGB V "nicht erkennbar zur Kenntnis genommen" und sich mit den Voraussetzungen dieser Norm "nicht auseinandergesetzt". Macht der Beschwerdeführer geltend, das Berufungsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt, indem es seine Ausführungen unberücksichtigt gelassen habe, muss er konkret, substantiiert und detailliert dartun, welches wesentliche Vorbringen das LSG bei seiner Entscheidung übergangen haben soll. Hieran fehlt es bereits. Im Übrigen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und erwogen hat, zumal es nach Art 103 Abs 1 GG nicht verpflichtet ist, auf jeden Gesichtspunkt einzugehen, der im Laufe des Verfahrens von der einen oder anderen Seite zur Sprache gebracht worden ist (vgl BVerfG SozR 1500 § 62 Nr 16; BVerfGE 96, 205, 217). Deshalb muss die Beschwerdebegründung "besondere Umstände" des Einzelfalls aufzeigen, aus denen auf das Gegenteil geschlossen werden kann (vgl BVerfGE 28, 378, 384 f; 47, 182, 187 f; 54, 86, 91 f). Besondere Umstände liegen etwa vor, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (vgl BVerfGE 86, 133, 146, BVerfG Nichtannahmebeschluss vom - 1 BvR 1729/09 - NZS 2010, 497, 498, RdNr 12). Derartige besondere Einzelfallumstände schildert der Kläger nicht. Da das Gericht keine Fragen erörtern muss, die nach seiner materiellen Rechtsauffassung unerheblich sind (BVerfGE 70, 288, 293 f; - NVwZ-RR 2002, 802, 803; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 681), hätte die Beschwerdebegründung substantiiert darlegen müssen, dass der umfassende Vortrag des Klägers zu den "krankenversicherungsrechtlichen Regelungen" entscheidungserheblich gewesen ist und das Urteil möglicherweise anders ausgefallen wäre, wenn das Berufungsgericht die entsprechenden Ausführungen berücksichtigt hätte. Soweit der Kläger geltend macht, das LSG habe "die Anspruchsgrundlage des § 49 Abs 1 Nr 3 SGB V ... schlicht übersehen", rügt er keinen Gehörverstoß, sondern lediglich, dass die Entscheidung unrichtig sei. Dies genügt für die Zulassung der Revision aber gerade nicht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Der Kläger verkennt, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht davor schützt, dass den Gerichten Rechtsfehler unterlaufen oder sie dem Beteiligtenvortrag in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht die Bedeutung beimessen, die die Beteiligten für richtig halten.
15Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
16Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstelle(n):
GAAAE-94116