Schwerer Raub: Notwendige Feststellungen zum Vorsatz der Beihilfe
Gesetze: § 27 StGB, § 250 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO
Instanzenzug: Az: 115 KLs 2/14nachgehend Az: 2 StR 518/14 Beschluss
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten O. wegen besonders schweren Raubs in vier Fällen, schweren Raubs in zwei Fällen, Anstiftung zum schweren Raub, räuberischer Erpressung und Diebstahls in zwei Fällen, teilweise in Tateinheit mit weiteren Delikten, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an den Adhäsionskläger E. 10.000 € und an den Adhäsionskläger T. 1.500 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem zu zahlen. Zugleich hat es festgestellt, dass der Anspruch des Adhäsionsklägers T. aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung herrührt.
2Die Angeklagte N. hat das Landgericht wegen Beihilfe zu einem in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und einer gefährlichen Körperverletzung begangenen besonders schweren Raubs in zwei Fällen sowie wegen Beihilfe zu einem in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangenen besonders schweren Raubs in einem weiteren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt.
3Gegen die Angeklagte I. hat es wegen Beihilfe zu einem in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und einer gefährlichen Körperverletzung begangenen besonders schweren Raubs unter Einbeziehung zweier Strafen aus früheren Verurteilungen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verhängt.
4Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten mit der Sachrüge, die Angeklagten O. und I. erheben zudem Verfahrensrügen. Die Rechtsmittel der Angeklagten haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Soweit sich die Revision des Angeklagten O. gegen den Adhäsionsausspruch richtet, bleibt eine abschließende Entscheidung vorbehalten.
I.
5Die Verfahrensrügen des Angeklagten O. sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet. Auch die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
6Soweit die Revision die Adhäsionsentscheidungen angreift, ist der Senat an einer abschließenden Entscheidung gehindert. Der Senat hat mit Beschluss vom (2 StR 137/14 und 337/14) bei den anderen Strafsenaten und beim Großen Senat für Zivilsachen angefragt, ob an der Rechtsprechung, die bei der Bemessung des Schmerzensgelds regelmäßig die Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse des Schädigers und des Geschädigten erfordert, festgehalten wird. Er beabsichtigt diese Rechtsprechung aufzugeben. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird Bezug genommen.
7Das Landgericht hat bei der Entscheidung über die Adhäsionsanträge jeweils die "desolaten wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten” (UA S. 129 f.) berücksichtigt. Ob und in welcher Weise es die wirtschaftlichen Verhältnisse der Geschädigten berücksichtigt hat, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Damit kann ein den Angeklagten beschwerender Rechtsfehler nicht ausgeschlossen werden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Landgericht sowohl die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten als auch der Geschädigten lediglich anspruchsmindernd in Ansatz gebracht hätte (vgl. Senatsbeschluss vom - 2 StR 211/14).
8Im Hinblick darauf, dass über diesen Teil der Revision des Angeklagten in absehbarer Zeit nicht entschieden werden kann, ist es geboten, über den "entscheidungsreifen" strafrechtlichen Teil des angefochtenen Urteils vorab zu entscheiden (vgl. Senatsbeschluss vom - 2 StR 137/14). Der Senat stellt daher die Entscheidung über den Adhäsionsausspruch zurück. Dies betrifft auch den Feststellungsausspruch, der für sich gesehen nicht zu beanstanden ist (vgl. , BGHZ 152, 166, 171 f.).
II.
9Die Überprüfung des Urteils auf die Revision der Angeklagten N. führt zur Aufhebung der Verurteilung im Fall B.I.4. der Urteilsgründe sowie zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
101. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen fuhren der Angeklagte O. , der gesondert verfolgte C. und die Angeklagte N. im Juli 2013 zur Wohnung des Zeugen G. , um diesen zu überfallen. Der Angeklagten N. kam dabei die Aufgabe zu, bei dem Zeugen G. zu klingeln und diesen zu veranlassen, die Tür zu öffnen. Da die Angeklagte N. festgestellt hatte, dass die Haustür nicht verschlossen war, teilte sie dies O. und C. mit und ging zum Auto zurück. O. und C. betraten daraufhin das Haus und zogen sich Sturmhauben über den Kopf. Nachdem der Zeuge G. die Wohnungstür geöffnet hatte, bedrohte C. den Zeugen mit einer nicht funktionsfähigen Signal- oder Gaswaffe, während O. ihm ein Messer drohend vor das Gesicht hielt. Die Angeklagten erbeuteten 2.000 € Bargeld sowie weitere Wertgegenstände. Zudem nötigten sie den Zeugen, seine Bankkarte und die dazugehörige Geheimzahl herauszugeben, und hoben anschließend einen geringen Geldbetrag von dessen Konto ab.
112. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, auf die es seine Überzeugung gestützt hat, die Angeklagte N. habe entgegen ihrer Einlassung den Einsatz einer Pistole und eines Messers zumindest billigend in Kauf genommen, ist nicht frei von Rechtsfehlern.
12Die Würdigung der erhobenen Beweise ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Die von dem Gericht gezogenen Schlussfolgerungen müssen aber auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruhen und dürfen sich nicht als bloße Vermutung erweisen, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (vgl. ; Beschluss vom - 4 StR 11/15).
13Dass die Angeklagte die verwendeten Tatwerkzeuge auf der Fahrt zum Tatort wahrgenommen hat, hat das Landgericht nicht festgestellt. Vielmehr hat es seine Überzeugung auf einen "Rückschluss aus den festgestellten Umständen" gestützt, denn derjenige, der sich an einer Tat wie der vorliegenden beteilige, ohne dass eine konkrete Tatbeteiligung abgesprochen oder sonst vorgesehen ist, nehme diejenige Tatbegehung billigend in Kauf, mit der nach den Umständen zu rechnen sei (UA S. 62 f.). Dabei hat das Landgericht indiziell zulasten der Angeklagten gewertet, sie habe selbst nicht behauptet, es sei eine Begehungsweise ohne Waffen oder Tatwerkzeuge abgesprochen gewesen.
14Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht durfte der Angeklagten schon nicht anlasten, dass sie keine von den Feststellungen abweichende andere Tatplanung behauptet hat. Hieraus ergibt sich kein Indiz dafür, die Angeklagte habe auch hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen des § 250 StGB vorsätzlich gehandelt. Macht ein Angeklagter zu einem bestimmten Punkt eines einheitlichen Geschehens keine Angaben, dürfen daraus für ihn nachteilige Schlüsse nur gezogen werden, wenn nach den Umständen Äußerungen zu diesem Punkt zu erwarten gewesen wären, andere mögliche Ursachen des Verschweigens ausgeschlossen werden können und die gemachten Angaben nicht ersichtlich fragmentarischer Natur sind (vgl. , NStZ 2003, 45; Beschluss vom - 4 StR 508/10, NStZ-RR 2011, 118). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es erschließt sich nicht, warum von der Angeklagten, die sich dahin eingelassen hat, sie sei von einer Tatbegehung "mittels Schlägen" ausgegangen, zu erwarten gewesen wäre, dass sie weitere Angaben dazu macht, worauf sich ihre Tatvorstellung gründete, zumal den Urteilsgründen auch nicht zu entnehmen ist, dass überhaupt danach gefragt worden ist.
15Die Überzeugung des Tatgerichts, die Angeklagte habe nach den ihr bekannten Umständen der Tat mit dem Einsatz eines Messers und einer Pistole rechnen müssen, ist aber auch im Übrigen nicht rechtsfehlerfrei begründet. Das Landgericht hat insoweit nur berücksichtigt, dass es sich bei dem Tatopfer um einen Betäubungsmittelhändler handelte, und dass O. und der gesondert verfolgte C. vor der Tat in Gegenwart der Angeklagten erörtert hatten, ob bei der Tatbegehung mit Widerstand oder einer weiteren anwesenden Person zu rechnen sei. Im Hinblick darauf, dass das Tatopfer in seiner Wohnung überfallen, durch das plötzliche Eintreten der zwei mit Sturmhauben maskierten Tatbeteiligten überrascht und körperliche Gewalt angewandt werden sollte, hätte das Landgericht zudem erörtern müssen, ob die Angeklagte auch mit dem Einsatz von Droh- oder Druckmitteln rechnen musste. Letztlich offen bleibt auch, worauf sich die Annahme der Strafkammer stützt, die Angeklagte habe davon ausgehen müssen, dass bei der Tat neben einer ungeladenen Pistole (§ 250 Abs. 1 Nr. 1b) StGB) auch ein Messer (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) eingesetzt werden würde.
16Nach alledem hat der Schuldspruch wegen Beihilfe zum besonders schweren Raub in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung keinen Bestand. Die Aufhebung erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie tateinheitliche Verurteilung wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall B.I.4. der Urteilsgründe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
III.
17Die Revision der Angeklagten I. hat mit der Sachrüge vollumfänglich Erfolg. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es daher nicht mehr an.
181. Nach den Feststellungen betraten der Angeklagte O. und der gesondert verfolgte C. unter Mitnahme eines Baseballschlägers und einer nicht funktionstüchtigen Gas- oder Signalwaffe am die M. Filiale in O. . Sie bedrohten die vier anwesenden Mitarbeiter, wobei der Angeklagte O. dem Zeugen R. zudem mit dem Baseballschläger gegen die Schulter schlug. Insgesamt erbeuteten sie Bargeld in Höhe von mindestens 3.500 €. Um die Tatbegehung zu erleichtern, hatte die Angeklagte I. , die als Mitarbeiterin bei der M. Filiale beschäftigt war, den Angeklagten O. zuvor unter anderem darüber informiert, wo sich der Tresor befindet und wie viele Mitarbeiter sich zum Tatzeitpunkt in der Filiale aufhalten werden.
192. Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte I. habe auch den Einsatz des Baseballschlägers durch den Angeklagten O. billigend in Kauf genommen, beruht auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung.
20Das Landgericht hat seine Überzeugung wiederum maßgeblich auf die Einlassung der Angeklagten gestützt, die angegeben hatte, "sich keine Gedanken darüber gemacht zu haben, wie der Überfall ablaufen würde." Damit habe sie "jede Tatbegehung billigend in Kauf genommen, mit der nach den Umständen zu rechnen gewesen" sei (UA S. 83).
21Es stellt im Ergebnis zwar keinen Rechtsfehler dar, wenn das Landgericht angesichts der konkreten Tatumstände davon ausgeht, die Angeklagte I. habe damit rechnen müssen, dass die Tat unter Mitnahme von Droh- oder Druckmitteln begangen werden sollte. Wenngleich es das Landgericht versäumt hat, sich mit den konkreten Umständen der Tat auseinanderzusetzen, legen die Urteilsgründe in ihrem Zusammenhang diesen Schluss nahe. Denn bei der Tatausführung war nach Kenntnis der Angeklagten I. jedenfalls mit der Anwesenheit von vier Mitarbeitern und gegebenenfalls mit dem Erscheinen von Gästen zu rechnen. Zudem musste ein Mitarbeiter veranlasst werden, den Tresor zu öffnen. Demgegenüber erschließt sich nicht von selbst, dass die Angeklagte I. darüber hinaus auch mit der Verwendung von Tatmitteln im Sinne des § 250 Abs. 2 StGB und einer körperlichen Misshandlung oder Verletzung von Mitarbeitern rechnen musste. Dies bedarf nochmaliger Prüfung durch das neue Tatgericht.
22Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs hinsichtlich aller tateinheitlich erfüllter Straftatbestände (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12).
Fundstelle(n):
JAAAE-94008