Instanzenzug: S 36 AS 175/12
Gründe:
I
1Streitig sind nur (noch) höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in der Zeit vom bis unter Berücksichtigung von Mobilitätsbedarfen ("Verkehrskosten").
2Das SG hat - bestätigt durch das LSG - die Gewährung einer höheren Regelleistung abgelehnt. Die Kläger könnten eine solche Leistung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beanspruchen. Aus dem Umstand, dass das BVerfG - auch für den hier streitigen Zeitraum - die Höhe der Regelleistungen für unvereinbar mit Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) erklärt hat ( ua - BVerfGE 125, 175 ff), resultierten für den streitbefangenen Zeitraum keine weitergehenden Leistungsansprüche. Die Kläger hätten auch keinen Anspruch auf zusätzliche Leistungen für Verkehrskosten aufgrund eines unabweisbaren, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs aus den Vorschriften des SGB XII. Es fehle bereits an einem entsprechenden atypischen Bedarf. Die Kläger könnten ihren geltend gemachten Anspruch nicht darauf stützen, dass mit dem in die Regelleistung eingerechneten Pauschbetrag für Mobilität (ca 18 Euro) übliche soziale Kontakte mit außerhalb des eigenen Wohnumfelds lebenden Freunden und Verwandten generell nicht aufrechterhalten werden könnten, weil - anders als bei den Fallgestaltungen der Sicherstellung des elterlichen Umgangs - keine Anhaltspunkte für einen besonderen Bedarf im Bereich der Mobilität vorlägen.
3Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision machen die Kläger geltend, es liege eine Divergenz zu den Entscheidungen des , 3/09, 4/09) sowie zu denen des ) und (B 14 AS 30/13 R) vor.
II
4Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil die als Zulassungsgrund geltend gemachte Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Dies erfordert, dass in der Beschwerdebegründung deutlich gemacht wird, worin die Abweichung zu sehen sein soll. Der Beschwerdeführer muss darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine das Berufungsurteil tragende Abweichung in dessen rechtlichen Ausführungen enthalten sein soll. Er muss einen abstrakten Rechtssatz aus dem vorinstanzlichen Urteil und einen abstrakten Rechtssatz aus der höchstrichterlichen Entscheidung so bezeichnen, dass die Divergenz erkennbar wird. Es reicht hingegen nicht aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Schließlich ist darzulegen, dass die berufungsgerichtliche Entscheidung auf der gerügten Divergenz beruht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54, 67). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
5Zwar stellen die Kläger abstrakte Rechtssätze gegenüber, indem sie ausführen, die Entscheidung des Berufungsgerichts beruhe auf dem Rechtssatz, dass der Anspruch auf zusätzliche Leistungen für Verkehrskosten aufgrund eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfs nicht rückwirkend für die Zeit vor der Entscheidung des und damit auch nicht für den streitbefangenen Zeitraum von April 2007 bis September 2007 gelte. Diese Rechtsauffassung sei mit dem das ) tragenden Rechtssatz unvereinbar, dass in einem laufenden und noch nicht abgeschlossenen Verfahren ein nicht gedeckter, unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf im Sinne des ua) auch für Zeiträume vor Entscheidung des BVerfG Leistungen zur Deckung des Bedarfs aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG vom Grundsicherungsträger zu erbringen sei. Auch weiche die genannte Rechtsauffassung des Berufungsgerichts von der Entscheidung des ab, denn dieses habe zur Anwendung des Anspruchs im Tenor der Entscheidung angeordnet, dass dieser Anspruch nach Maßgabe der Urteilsgründe unmittelbar aus Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 GG zu Lasten des Bundes geltend gemacht werden könne. Die Kläger haben jedoch nicht hinreichend dargelegt, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auch auf dieser behaupteten Abweichung beruht. Insofern muss die Erörterung, ob das Urteil der Vorinstanz auf der Abweichung beruht, auch die Prüfung einschließen, ob dieses Urteil nicht unabhängig von dem geltend gemachten Zulassungsgrund mit anderer Begründung bestätigt werden kann (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 13 f).
6Vorliegend ist das LSG - unabhängig von der Frage der zeitlichen Rückwirkung der Entscheidung des BVerfG - davon ausgegangen, dass es schon an einer atypischen Bedarfslage iS der SGB XII-Regelungen fehle. Bezogen auf diese, die Entscheidung eigenständig tragende Begründung haben die Kläger eine Divergenz nicht herausgearbeitet, weil sie sich nur auf eine abweichende Würdigung des Einzelfalls beziehen, jedoch keine fallübergreifenden Ausführungen machen. Sie haben hierzu lediglich vorgetragen, dass aufgrund ihrer ländlichen Wohnlage Verkehrskosten in Höhe von rund 100 Euro pro Person und Monat allein für unvermeidliche Einkaufsfahrten sowie Arzt-, Banken- und Apothekenbesuche entstünden. Auch ohne die Fahrten, die eigentlich zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen zu gewährleisten wären, liege der Mobilitätsbedarf deutlich über dem in der Regelleistung enthaltenen Betrag von 18 Euro pro Person und Monat. Das LSG hat diesen Tatsachenvortrag gewürdigt und ist davon ausgegangen, dass bei den Klägern nur die für SGB II-Leistungsbezieher typischen Bedarfslagen vorlägen. Zur Darlegung einer rechtlichen Divergenz hätten sich die Kläger ua mit den Entscheidungen des BSG zu den Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 73 SGB XII aufgrund einer "sog. atypischen Bedarfslage" auseinandersetzen müssen, nach der eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen bestehen und zugleich der Bereich der Grundrechtsausübung tangiert sein muss (vgl nur - RdNr 22; - RdNr 17).
7Auch soweit die Kläger geltend machen, die Entscheidung des LSG beruhe auf einer Abweichung von der Entscheidung des ), ist eine Divergenz nicht ausreichend dargetan. Sie tragen insofern vor, die angefochtene Entscheidung des LSG beruhe auf dem Rechtssatz, dass sie bei einem gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich diesen durch geringere Ausgaben in einem anderen Lebensbereich ausgleichen könnten. Diese Rechtsauffassung sei unvereinbar mit der bezeichneten Entscheidung des BSG, nach der es keine allgemeine Bagatellgrenze in Höhe von 10 vH des monatlichen Regelbedarfs gebe. Die Einsparmöglichkeit durch Umschichtung, also eine Präferenzentscheidung dahingehend, einen höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen Lebensbereich auszugleichen, komme nur zum Tragen bei Bedarfen, die dem Grunde nach vom Regelbedarf umfasst seien. Insofern beruht die gerügte Divergenz im Ergebnis auf einer abweichenden Auffassung der Kläger zu dem tatsächlichen Umfang der über die Leistungen zur Sicherstellung des Existenzminimums abzudeckenden Bedarfe für Mobilität. Die Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung im Einzelfall ist jedoch nicht Gegenstand des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Jedenfalls bezogen auf den hier streitigen Zeitraum können die Kläger - neben dem geltend gemachten atypischen Bedarf - keine weiteren Bedarfe aufgrund einer besonderen Bedarfslage (vgl hierzu BVerfGE 125, 175 ff, 254) geltend machen, weil das BVerfG die Vorschriften des § 20 Abs 2 und 3 SGB II zwar für verfassungswidrig erklärt, den Gesetzgeber jedoch nicht zu einer rückwirkenden Neuregelung verpflichtet hat. Auch die in dem Urteil geschaffene Härtefallregelung gilt nicht rückwirkend für Zeiträume, die vor der Verkündung dieses Urteils liegen ( - SozR 4-4200 § 20 Nr 11). Die Kläger haben auch nicht behauptet, dass insofern ein (erneuter) rechtlicher Klärungsbedarf eingetreten ist.
8Die unzulässige Beschwerde ist nach § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.
9Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstelle(n):
IAAAE-93609