Instanzenzug:
Tatbestand
1Die Klägerseite (Versicherungsnehmer/in: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung.
2Diese wurde aufgrund Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2004 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhi elt d. VN mit Schreiben vom 30. Dezember 2004 mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und eine schriftliche Belehrung über sein Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.
3D. VN zahlte bis September 2009 Prämien in Höhe von insgesamt 4.215,15 €. Einen zunächst von ihr unterzeichneten Stundungsvertrag, mit dem die monatlichen Beiträge ab Dezember 2009 gestundet werden sollten, widerrief d. VN mit Schreiben vom 19. November 2010. Zugleich kündigte d. VN den Versicherungsvertrag und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom März 2011 erklärte d. VN den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. und mit Schreiben vom August 2011 den Widerruf nach §§ 495, 355 BGB a.F.
4Mit der Klage verlangt d. VN insbesondere Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, insgesamt 1.876,66 €.
5Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können. Außerdem hätten die auf den Vertragsschluss gerichteten Erklärungen nach §§ 355, 495 BGB a.F. widerrufen werden können, weil es sich bei der vereinbarten unterjährigen Prämienzahlung um einen entgeltlichen Zahlungsaufschub i.S. von § 499 Abs. 1 BGB a.F. handele. Schließlich habe d. VN Anspruch auf Schadensersatz im Hinblick auf die sogenannte Kick-back-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
6Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verf olgt d. VN das Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
7Die Revision ist bezüglich eines Schadensersatzanspruchs als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen ist sie unbegründet.
8A. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Widerspruchsfrist sei als Folge der Übersendung des Versicherungsscheins nebst allen Unterlagen in Gang gesetzt worden. Die erteilte Widerspruchsbelehrung sei drucktechnisch deutlich hervorgehoben und umfasse Beginn und Dauer der Widerspruchsfrist sowie die Form des Widerspruchs. Innerhalb der 30-tägigen Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. habe d. VN den Widerspruch nicht erklärt. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung. Ein Widerrufsrecht nach § 355, § 495 Abs. 1 a.F., § 499 Abs. 1 BGB und ein Anspruch auf Schadensersatz bestehe nicht.
9B. Die Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich eines Schadensersatzanspruchs nicht zulässig.
10Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 VVG a.F. und den Widerruf nach §§ 495, 355 BGB für unwirksam erachtet hat.
11Es hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt auf die Fragen zugelassen, ob die Vorschriften des § 5a VVG a.F. den Regelungen der Europäischen Union entsprechen und hinsichtlich der Möglichkeit eines Widerrufs wegen unterjähriger Prämienzahlung. Diese in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 11). Der dem Bereicherungs- und Rückgewähranspruch zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden. Im Übrigen hätte die Revision insoweit auch in der Sache keinen Erfolg. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Rechtsprechung zu den Aufklärungspflichten einer anlageberatend tätigen Bank über Innenprovisionen und von ihr vereinnahmten Rückvergütungen nur in Fällen einer Kapitalanlageberatung durch die Bank gilt (, NJW-RR 2012, 416, 420 Rn. 39 und vom 1. Juli 2014 - XI ZR 247/12, WM 2014, 1621, 1623 Rn. 19 ff.).
12C. Die Revision hat, soweit sie zulässig ist, keinen Erfolg.
13I. Hinsichtlich eines Rückgewähranspruchs nach §§ 495, 355 BGB hat der Senat mit Urteil vom 6. Februar 2013 (IV ZR 230/12, BGHZ 196, 150) entschieden, dass die vertraglich vereinbarte unterjährige Zahlungsweise von Versicherungsprämien keine Kreditgewährung in Form eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs ist. Im Ergebnis steht das Berufungsurteil im Einklang mit dem vorgenannten Senatsurteil, dessen Ausführungen hier entsprechend gelten. Gesichtspunkte, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
14II. D. VN kann auch nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB Rückzahlung der Prämien verlangen.
151. Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Versicherungsvertrages sind hier erfüllt. Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und entgegen der Ansicht der Revision auch eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung in drucktechnisch deutlicher Form. Die Revision beanstandet weiter ohne Erfolg, dass der Adressat des Widerspruchs nicht klar erkennbar sei. Dieser steht mit vollständiger Anschrift deutlich sichtbar am Ende der ersten Seite des Begleitschreibens. D. VN weiß, dass Vertragspartner der Versicherer ist. Schließlich ist - anders als die Revision meint - in der Widerspruchsbelehrung kein Hinweis dazu erforderlich, dass der Widerspruch ohne Angabe von Gründen erklärt werden kann. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 30-tägigen Widerspruchsfrist erklärte d. VN den Widerspruch nicht.
162. Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; , WM 2015, 514 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die Treuwidrigkeit liegt darin, dass d. VN nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des Vertrags vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist blieb bei Vertragsschluss 2004 ungenutzt. D. VN zahlte rund fünf Jahre die Versicherungsprämien und ließ sich die Beiträge ab Dezember 2009 zunächst stunden, erst im November 2010 erfolgte die Kündigung, wobei nochmals einige Monate bis zur Erklärung des Widerspruchs vergingen. Die jahrelangen Prämienzahlungen der bereits 2004 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei dem Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet, was für d. VN auch erkennbar war.
Fundstelle(n):
KAAAE-93562