BSG Beschluss v. - B 9 V 11/15 B

Instanzenzug: S 12 VG 196/12

Gründe:

I

1In der Hauptsache begehrt die 1978 geborene Klägerin Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) wegen einer schizotypen Persönlichkeitsstörung als Folge einer von der Klägerin behaupteten exhibitionistischen Handlung zwischen 1991 und 1993 bzw eines von ihr behaupteten sexuellen Übergriffs zwischen 2001 und 2003 durch verschiedene Personen (N und S). Mit ihrem Begehren war die Klägerin bei dem beklagten Land sowie vor dem SG und LSG ohne Erfolg. Das SG hat die Klage nach nervenärztlicher Begutachtung unter Berücksichtigung eines aussagepsychologischen Gutachtens im Strafverfahren (gegen S) abgewiesen mit der Begründung, die von der Klägerin geschilderten Taten ließen sich nicht nachweisen. Es sei nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die allein noch verfügbaren Angaben der Klägerin erlebnisbegründet seien. Auch könne die vorliegende Persönlichkeitsstörung nicht Folge einzelner Übergriffe sein (Urteil vom ). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ua ausgeführt, es fehle bereits an einem tätlichen Angriff iS des § 1 OEG. Hinsichtlich der exhibitionistischen Handlung durch N sei ein körperlicher Angriff angesichts der stark voneinander abweichenden Angaben der Klägerin nicht glaubhaft. Entsprechendes gelte bezüglich der angegebenen sexuellen Nötigung durch S . Die psychiatrische Sachverständige habe insoweit überzeugend dargelegt, dass die Vorwürfe gegen N und S möglicher Ausdruck anders nicht mehr auszuhaltender Selbstvorwürfe im Zusammenhang zahlreicher von der Klägerin begangener Eigentumsdelikte seien. Trotz eines möglicherweise wahren Kerns verblieben erhebliche Zweifel, die eine relative Wahrscheinlichkeit iS des § 15 Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung ausschlössen (Beschluss vom ).

2Mit ihrer am eingegangenen Beschwerde, für die sie Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt, wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihr am zugestellten Beschluss des LSG, verbunden mit einem - sinngemäßen - Wiedereinsetzungsantrag wegen eines Krankenhausaufenthalts in der Zeit vom 27.2. bis .

II

3Der Antrag auf PKH für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG ist, auch wenn im Hinblick auf die geltend gemachten Gründe gemäß § 67 SGG Wiedereinsetzung gewährt wird, abzulehnen. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die von der Klägerin angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.

4Hinreichende Erfolgsaussicht hat eine Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen lässt sich nach Aktenlage unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des LSG-Beschlusses und des Vortrags der Klägerin keiner feststellen. Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall der Klägerin hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von der Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Insbesondere ist nicht erkennbar, dass das LSG bei seiner Entscheidung von den Vorgaben der Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Gewaltbegriff (vgl BSGE 113, 205 = SozR 4-3800 § 1 Nr 20 RdNr 27 ff; zuletzt = SozR 4-3800 § 1 Nr 21 RdNr 19 ff) oder zu den im OEG maßgeblichen Beweismaßstäben (vgl BSGE 113, 205 = SozR 4-3800 § 1 Nr 20, RdNr 32 ff) entscheidungstragend abgewichen sein könnte.

5Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass die Klägerin einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG bezeichnen könnte (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Anhaltspunkte für Verfahrensfehler sind nach Aktenlage unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin nicht erkennbar. Es unterliegt keinen Bedenken, dass das LSG entsprechend den von der Klägerin angegriffenen Bescheiden vom und davon ausgegangen ist, der Streitgegenstand (§ 123 SGG) beschränke sich auf die angegebene exhibitionistische Handlung zwischen 1991 und 1993 bzw den sexuellen Übergriff zwischen 2001 und 2003, unbeschadet ausführlichster Darlegungen der Klägerin zu weiteren in der Vergangenheit erlittenen Übergriffen durch andere Personen als N und S . Auch begegnet die Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG keinen durchgreifenden Bedenken. Anhalt für eine grobe Fehleinschätzung (vgl ) besteht nicht. Das SG hatte eine mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der die Klägerin ordnungsgemäß geladen, aber nicht erschienen war (vgl zur Entscheidung des Berufungsgerichts durch Beschluss in einer solchen Fallkonstellation BVerwG NVwZ 1988, 1018). Die erst im Nachhinein angegebene, aber nicht glaubhaft gemachte gesundheitliche Verhinderung hätte das SG selbst im Falle eines rechtzeitigen Antrags ebenso wenig wie die zum wiederholten Mal erbetene Gelegenheit zu weiterer Stellungnahme zu einer Verlegung oder Vertagung (§ 110 SGG iVm § 227 ZPO) veranlassen müssen. Dementsprechend hat die Klägerin im Anhörungsverfahren zur Entscheidung durch Beschluss keine Einwände erhoben, sondern lediglich zum Ausdruck gebracht, ihre Berufung nicht zurücknehmen zu wollen.

6Der Antrag auf PKH ist daher abzulehnen. Damit entfällt zugleich auch die Beiordnung eines Rechtsanwaltes (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 ZPO).

7Die von der Klägerin selbst angelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Die Klägerin muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen, da sie nicht selbst zum Kreis vertretungsbefugter Personen gehört. Sowohl die Beschwerdeschrift als auch die Beschwerdebegründungsschrift muss von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf ist die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich hingewiesen worden.

8Die Verwerfung der nicht formgerecht eingelegten Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter.

9Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Fundstelle(n):
WAAAE-93263