BGH Urteil v. - IV ZR 70/13

Instanzenzug:

Tatbestand

1Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.

2Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN im November 2004 mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen und eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) mit Belehrung über sein Widerspruchsrecht in drucktechnisch deutlicher Form gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.

3D. VN zahlte von Dezember 2004 bis Dezember 2010 nach den Feststellungen des Landgerichts Prämien in Höhe von insgesamt 7.267,60 €. Im Oktober 2010 kündigte d. VN den Vertrag und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom erklärte d. VN schließlich den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.

4Mit der Klage verlangt d. VN - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, insgesamt 6.839,58 €.

5Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.

6Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7Die Revision hat keinen Erfolg.

8I. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Widerspruchsbelehrung in der Verbraucherinformation zum Versicherungsschein sei drucktechnisch deutlich hervorgehoben und auch inhaltlich ordnungsgemäß. D. VN sei in Satz 1 der Widerspruchsbelehrung dem Text des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. entsprechend darüber belehrt worden, dass der Widerspruch innerhalb von 14 Tagen "nach Überlassen der Unterlagen" zu erklären sei. Die Aufzählung der maßgeblichen Unterlagen - des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation - in Satz 2 der Belehrung mache d. VN hinreichend deutlich, dass der Fristbeginn vom Überlassen dieser Unterlagen abhänge. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung.

9II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

10D. VN kann nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB Rückzahlung der Prämien verlangen.

111. Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Versicherungsvertrages sind hier erfüllt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen und eine Verbraucherinformation mit Widerspruchsbelehrung. Die Revision beanstandet ohne Erfolg, dass der Versicherer den Begriff der Textform nicht erläutert habe. Ohne die gesetzliche Erläuterung in § 126b BGB kennen zu müssen, kann d. VN diesem Begriff ohne weiteres entnehmen, dass er den Widerspruch in lesbarer Form dem Versicherer übermitteln und als Urheber erkennbar sein muss. Er kann ersehen, dass er seine Erklärung in Schriftzeichen und einer zur dauerhaften Wiedergabe geeigneten Weise festhalten muss und eine lediglich mündliche Erklärung nicht genügt. In diesem Verständnis wird er durch den in der Belehrung enthaltenen Hinweis bestärkt, dass zur Wahrung der Frist die Absendung des Widerspruchs genüge. Entgegen der Auffassung der Revision sind die fristauslösenden Unterlagen für d. VN erkennbar bezeichnet worden. Aus dem Zusammenhang mit der Aufzählung der für den Vertragsinhalt maßgeblichen Unterlagen in Satz 2 der Belehrung ergibt sich deutlich, dass von der Überlassung dieser Unterlagen auch der Beginn der Widerspruchsfrist abhängt. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen Widerspruchsfrist erklärte d. VN den Widerspruch nicht.

122. Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; , WM 2015, 514 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die Treuwidrigkeit liegt darin, d ass d. VN nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des Vertrags vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom aaO Rn. 32-42; aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss Ende 2004 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte von Dezember 2004 bis Dezember 2010, somit sechs Jahre die Versicherungsprämien. Nach der Kündigung im Oktober 2010 ließ er mehr als sechs Monate vergehen, bis er im Mai 2011 den Widerspruch erklärte. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits im November 2004 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.

Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 27/2015 S. 1977
IAAAE-93220