Instanzenzug: S 24 KR 428/10
Gründe:
1In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob eine in Jahresraten über einen Zeitraum von zehn Jahren dem als Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Kläger ausgezahlte Kapitalleistung der betrieblichen Altersversorgung ("Deferred Compensation") in Anwendung von § 229 Abs 1 S 3 SGB V mit einem Einhundertzwanzigstel der Gesamtleistung monatlich der Beitragserhebung zugrunde zu legen ist.
2Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
3Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
4Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
51. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
6Der Kläger wirft auf Seite 2 der Beschwerdebegründung folgende Fragen auf:
"1) Sind Zahlungen aus einer sog. 'Deferred Compensation' in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu verbeitragen, wenn die Anwartschaften aus Arbeitseinkommen rühren, dessen Höhe über der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gelegen hat und wenn ja, in welcher Höhe?
2) Sind die Zahlungen aus einer sog. 'Deferred Compensation', sofern diese in gleichmäßigen Jahresraten erfolgen, im jeweiligen Zuflussmonat zu verbeitragen oder aber im Rahmen des § 229 Abs. 1 S. 3 SGB V in maximal 120 Raten?"
7Bei der "Deferred Compensation" handele es sich um ein Modell der betrieblichen Altersvorsorge, für das sich eine Vielzahl von ehemaligen Arbeitnehmern - zumeist auch aus steuerlichen Gründen - entschieden hätten. Diese Geschäftsmodelle seien teilweise schon lange vor der Änderung des § 229 Abs 1 S 3 SGB V entwickelt und vereinbart worden. Der Kläger habe jeweils Höchstbeiträge zu den gesetzlichen Sicherungssystemen erbracht. Ungeklärt sei, ob die wirtschaftliche Belastung der Betroffenen übermäßig sei. Auch die Frage der Form der Verbeitragung sei offen, sofern es sich um gleichmäßige Zahlungen iS regelmäßig gezahlter Raten zu einem genau festgelegten Datum handele. Zwar habe das BSG entschieden, dass Zahlungsmodalitäten keine Rolle spielten (Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 9 RdNr 17). Diese Entscheidung sei vorliegend aber nicht anwendbar, weil das BSG im Rahmen der Auslegung der Norm des § 229 SGB V von einer sich ändernden Ratenzahlung ausgegangen sei und dabei auch das Prinzip der Verwaltungsvereinfachung deutlich hervorgehoben habe.
8Hierdurch legt der Kläger entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dar. Es ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger abstrakt-generelle Rechtsfragen - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl allgemein - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181). Jedenfalls legt der Kläger die Klärungsbedürftigkeit seiner Fragen nicht hinreichend dar. Hinsichtlich der ersten Frage gilt dies schon deshalb, weil er sich nicht mit der Rechtsprechung des BSG befasst und dadurch darlegt, dass sich seine Frage nicht bereits aufgrund der vom BSG hierin aufgestellten Rechtssätze beantworten lässt. So hat das BSG ua entschieden, dass es für die Einordnung als betriebliche Altersversorgung unerheblich ist, ob Beiträge zB allein durch den Arbeitnehmer aus dem Weihnachtsgeld finanziert wurden ( - Juris RdNr 22; die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen: BVerfG [Kammer] SozR 4-2500 § 229 Nr 5). Der Kläger befasst sich überhaupt nicht mit diesem Urteil und weiteren Entscheidungen des BSG (insbesondere BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12; BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 13) und legt demzufolge nicht dar, ob und inwieweit seine erste Frage überhaupt klärungsbedürftig ist. Auch hinsichtlich der zweiten Frage legt der Kläger deren Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dar, weil er sich unter diesem Blickwinkel nur unzureichend mit der Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung von § 229 Abs 1 S 1 und S 3 SGB V (insbesondere BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 9 RdNr 13 f) auseinandersetzt. Zudem arbeitet der Kläger nicht wie erforderlich - insbesondere vor dem Hintergrund der vorgenannten Entscheidung des BSG und der rechtlichen Systematik (§ 229 Abs 1 S 1 Nr 5, S 3; § 223 SGB V) - heraus, was seiner Meinung nach für die Abgrenzung der beitragsrechtlichen Berücksichtigung der ihm gewährten Leistungen maßgebend sein soll, sondern beschränkt sich im Kern seines Vorbringens darauf, die Anwendung von § 229 Abs 1 S 3 SGB V durch das LSG anzugreifen. Damit rügt er im Ergebnis nur eine vermeintlich unrichtige Rechtsanwendung. Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden. Schließlich legt der Kläger hinsichtlich seiner ersten Frage auch deren Klärungsfähigkeit nicht hinreichend dar. Er setzt sich nicht damit auseinander, dass der von ihm hinsichtlich der grundlegenden Frage der beitragsrechtlichen Behandlung der Leistungen erstinstanzlich gestellte Klageantrag bereits durch das SG abgewiesen worden ist und er hiergegen kein Rechtsmittel eingelegt hat. Die Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, inwieweit bei dieser Verfahrenssituation das BSG in einem Revisionsverfahren zu der ersten von ihm gestellten Frage Stellung nehmen könnte.
92. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).
10a) Der Kläger sieht eine Divergenz zu einer Entscheidung des BSG (erneut Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 9 RdNr 17). Darin habe das BSG den Rechtssatz aufgestellt, dass die Einbeziehung der Versorgungsbezüge in die Beitragspflicht der Krankenversicherung der Einnahmenerhöhung der Krankenkassen dienen und die Beitragsgerechtigkeit und Solidarität unter den versicherten Rentnern stärken solle und dass allgemein am Gleichheitssatz orientierte Erwägungen, insbesondere die Absicht, alle einer aus früherer Berufstätigkeit herrührenden Versorgungseinnahmen gleich zu behandeln, von Bedeutung seien. Das LSG habe diese Ausführungen wiederholt, sei dabei aber "von falschen Voraussetzungen" ausgegangen, da es nicht berücksichtigt habe, dass der Kläger Beiträge über der Beitragsbemessungsgrenze gezahlt habe. Damit "verfälsche" es den Rechtssatz des BSG.
11b) In der vorgenannten Entscheidung des BSG (BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 9) werde zudem der Rechtssatz aufgestellt, dass bei unterschiedlichen Ratenzahlungen § 229 Abs 1 S 3 SGB V Anwendung finde, da dies für die Ordnung von Massenerscheinungen als notwendig anerkannten Regeln der Typisierung verfassungsrechtlich und hinzunehmen sei und insbesondere der Verwaltungsvereinfachung diene. Das LSG habe demgegenüber "festgestellt, dass nicht nur in Gründen der Verwaltungsvereinfachung, sondern auch und vor allem in der Herstellung und Aufrechterhaltung von Beitragsgerechtigkeit im weitesten Sinne die Verbeitragung der Ratenkapitalzahlungen nach Maßgabe des § 229 Abs. 1 S. 3 SGB V notwendig sei". Die Abweichung zu der Rechtsprechung des BSG ergebe sich aus einer "Fehlinterpretation" der jeweils zugrundeliegenden Sachverhalte.
12c) Schließlich werde in der in der vorgenannten Entscheidung des BSG (BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 9) der Rechtssatz formuliert, dass die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG der Heranziehung zu Krankenversicherungsbeiträgen aus einer Ratenkapitalzahlung nach § 229 Abs 1 S 3 SGB V nicht entgegenstehe, soweit es dadurch nicht zu einer grundlegenden Beeinträchtigung der Vermögensverhältnisse komme. Das LSG führe hierzu aus, dass die Anwendung der Regelung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliege. Der "erhobene Rechtssatz" sei in seiner Allgemeinheit richtig, lege aber die "falschen Voraussetzungen" zugrunde. Er "verfälsche die Aussagen" des BSG zu Art 14 Abs 1 GG, weil das BSG im Gegensatz zum LSG beachtet habe, dass es nicht zu einer grundlegenden Beeinträchtigung der Vermögensverhältnisse kommen werde. Damit bringe das BSG zum Ausdruck, dass bei übermäßiger Verbeitragung, ggf auch über die Beitragsbemessungsgrenze hinweg, eine zu beachtende Grenze für die Verbeitragung gegeben sei. Dabei müsse auch beachtet werden, dass der ursprüngliche Steuervorteil durch die Verbeitragung aufgezehrt werde.
13d) Durch die Ausführungen unter a) bis c) legt der Kläger eine entscheidungserhebliche Divergenz nicht in einer zur Zulässigkeit seiner Nichtzulassungsbeschwerde führenden und nachvollziehbaren Weise dar. Er bildet bereits weder aus der jeweils in Bezug genommenen BSG-Entscheidung noch aus der angefochtenen Entscheidung des LSG hinreichend klare abstrakte Rechtssätze, die die jeweiligen Gerichte zum selben Gegenstand gemacht haben, sondern stützt sich allein auf vermeintliche Unterschiede in den jeweiligen Sachverhalten und beanstandet mehrfach nur vermeintliche "Fehlinterpretationen" und "Verfälschungen" des LSG, also im Kern die seiner Meinung vorliegende bloße Unrichtigkeit der Rechtsanwendung. Soweit der Kläger dabei auf die im vorliegenden Fall gegebene Zahlung gleichbleibender Jahresraten abstellt, während in dem der in Bezug genommenen Entscheidung des BSG zugrundeliegenden Sachverhalt unterschiedlich hohe Jahresraten gezahlt wurden, lässt sich daraus ebenfalls nicht die Darlegung einer Divergenz ableiten. Er befasst sich nicht hinreichend mit der Entscheidung des BSG auf der abstrakten rechtlichen Ebene insbesondere zum Terminus "nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung" in § 229 Abs 1 S 3 SGB V (BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 9 RdNr 12 ff: Kapitalisierung vor Eintritt des Versicherungsfalls zugesagter Leistungen - laufende Versorgungsbezüge ersetzende Leistungen - Kriterium der Begrenztheit der Leistung bzw Gesamtsumme). Darüber hinaus zeigt der Kläger bei allen von ihm als abweichend bezeichneten Punkten nicht auf, inwieweit die von ihm angesprochenen Aussagen des LSG dessen Urteil "tragend" zugrunde gelegen haben.
143. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen, § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG.
154. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstelle(n):
ZAAAE-91830