Zu Anwendbarkeit und Inhalt der Übererklärung nach Art. 51 Abs. 2a EGV 796/2004
Leitsatz
1. Art. 51 Abs. 2a VO (EG) Nr. 796/2004 (juris: EGV 796/2004) findet dann Anwendung, wenn ein Betriebsinhaber in seinem Sammelantrag mehr Fläche als beihilfefähig geltend macht (meldet), als ihm Zahlungsansprüche zur Verfügung stehen.
2. Eine Übererklärung im Sinne von Art. 51 Abs. 2a Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 ergibt sich aus der Differenz zwischen der gemeldeten Fläche, die jenseits der Zahlungsansprüche alle anderen Beihilfevoraussetzungen erfüllt, und dem Betrag der geltend gemachten Zahlungsansprüche.
Gesetze: Art 51 Abs 2a EGV 796/2004, Art 73a Abs 1 UAbs 3 EGV 796/2004
Instanzenzug: OVG Lüneburg Az: 10 LB 206/11 Urteilvorgehend VG Stade Az: 6 A 1883/08
Gründe
1Die Beteiligten streiten über die Rückforderung der Betriebsprämien für die Jahre 2005, 2006 und 2007, die dem Kläger unter anderem auf der Grundlage von 18,29 Zahlungsansprüchen für Dauergrünland gewährt worden sind. Mit Bescheid vom wurde die Festsetzung dieser Zahlungsansprüche rückwirkend aufgehoben. Dem Kläger wurden nur noch 10,02 Zahlungsansprüche für Dauergrünland zugewiesen, weil er eine bei der Festsetzung berücksichtigte Fläche von 8,27 ha im Jahr 2005 nicht bewirtschaftet habe. Dieser Bescheid wurde nach erfolglosem Rechtsmittel bestandskräftig. Parallel hierzu hob die Beklagte die Betriebsprämienbewilligungen der Jahre 2005, 2006 und 2007 auf, forderte die gewährte Beihilfe vollständig zurück und stellte darüber hinaus einen weiteren Sanktionsbetrag für die Folgejahre zur Verrechnung. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Berufungsgericht abgewiesen. Der Kläger habe die in seinen Sammelanträgen jeweils angemeldete 8,27 ha große Teilfläche weder 2005 noch in den Jahren 2006 und 2007 landwirtschaftlich genutzt. Damit habe er vorsätzlich Übererklärungen abgegeben, die über den für diese Fläche gewährten Betrag hinaus zum Ausschluss von den Betriebsprämien führten.
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Revisionsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und auch eine nachträgliche Divergenz liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO).
31. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Dies ist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darzulegen und setzt die Formulierung einer bestimmten, jedoch fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>, vom - 1 B 127.95 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 32 S. 26 und vom - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO <n.F.> Nr. 26 S. 14). Keiner Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf eine Frage, die sich ohne Weiteres mit Hilfe der üblichen Regeln der Gesetzesauslegung zweifelsfrei beantworten lässt (stRspr, vgl. 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270>).
4Der Kläger meint, die Rückforderung der Betriebsprämien als Sanktion von Übererklärungen erweise sich als rechtswidrig, wenn die aberkannten Zahlungsansprüche als nicht gemeldete Zahlungsverpflichtungen bzw. Zahlungsansprüche gelten würden. Die damit zur Auslegung von Art. 51 Abs. 2a Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 aufgeworfene Frage hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es liegt auf der Hand und bedarf deshalb nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass dem jeweiligen Sammelantrag zu entnehmen ist, welche Zahlungsverpflichtungen im Sinne von Art. 51 Abs. 2a Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 gemeldet wurden, und dass eine Änderung der zugewiesenen Zahlungsansprüche hierfür ohne Bedeutung ist. Daher kann auch dahinstehen, ob mit der Beschwerdebegründung eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO noch hinreichend dargelegt ist.
5Art. 51 Abs. 2a VO (EG) Nr. 796/2004 wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 659/2006 (ABl. L 116 S. 20) eingefügt. Mit dieser Regelung wurden die Vorschriften über Kürzungen und Ausschlüsse in Fällen von Übererklärungen modifiziert. Allgemein knüpft die Sanktion von Übererklärungen daran an, dass die in einem Antrag angemeldete und damit geltend gemachte Fläche größer ist als die Fläche, die tatsächlich im Rahmen der Verwaltungskontrolle als beihilfefähig ermittelt wird (Art. 51 Abs. 1 Unterabs. 1 VO <EG> Nr. 796/2004). Für die Betriebsprämienregelung gilt eine Fläche dann als ermittelt, wenn sie allen in den Vorschriften für die Beihilfegewährung festgelegten Voraussetzungen genügt und der Betriebsinhaber über eine entsprechende Zahl von Zahlungsansprüchen verfügt (Art. 2 Nr. 22 VO <EG> Nr. 796/2004). Im Unterschied zu den sonstigen Voraussetzungen ist der zuständigen Behörde die Feststellung der Zahlungsansprüche, über die der Betriebsinhaber verfügt, ohne Weiteres möglich, denn sie werden behördlich zugewiesen und dokumentiert. Vor diesem Hintergrund hat der Unionsgesetzgeber in den Fällen, in denen der Betriebsinhaber "mehr Fläche" anmeldet, "als er Zahlungsansprüche besitzt", keine Sanktion für nötig erachtet, wenn die angemeldete Fläche alle anderen Beihilfevoraussetzungen erfüllt (Erwägungsgrund 12 VO <EG> Nr. 659/2006), und hat dies speziell in Art. 51 Abs. 2a Unterabs. 1 VO <EG> Nr. 796/2004 geregelt. Wenn die angemeldete Fläche allerdings nicht alle anderen Beihilfevoraussetzungen erfüllt, soll dies mit Sanktionen verbunden sein. Das regelt Art. 51 Abs. 2a Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004, auf den sich die Beschwerde bezieht. Die Vorschrift sieht vor, dass sich die Sanktion in einem solchen Fall nach der Differenz zwischen der Fläche, die alle anderen Beihilfebedingungen erfüllt, und dem Betrag der gemeldeten Zahlungsverpflichtungen bestimmt.
6Zu Unrecht lehnt das Berufungsgericht allerdings eine Anwendung von Art. 51 Abs. 2a Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 mit der Begründung ab, der Kläger habe nicht mehr Fläche gemeldet als Zahlungsansprüche gemeldet. Auch wenn sich die Vorschrift nach ihrem Wortlaut zunächst so verstehen lässt, als komme es auf eine Abweichung der in einem Sammelantrag gemeldeten Fläche von den für diese Flächen aktivierten ("gemeldeten") Zahlungsansprüchen an, stehen diesem Verständnis - wie dargelegt - ersichtlich der in Erwägungsgrund 12 VO (EG) Nr. 659/2006 zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers sowie Sinn und Zweck der Regelung entgegen. Für die Anwendung von Art. 51 Abs. 2a Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 kommt es alleine darauf an, ob die geltend gemachte Fläche die Zahl der Zahlungsansprüche überschreitet, über die der Betriebsinhaber verfügt. Dementsprechend differenzieren die Nachfolgeregelungen des Art. 57 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1122/2009 und des Art. 18 Abs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014, die im Übrigen einen anderen Regelungsgehalt haben, nunmehr sprachlich eindeutig zwischen angemeldeten Zahlungsansprüchen und zur Verfügung stehenden Zahlungsansprüchen. Damit lässt sich zugleich nicht ohne Weiteres verneinen, dass auf die Zahl der zuletzt festgesetzten Zahlungsansprüche abzustellen ist, weil die zu Unrecht zugewiesenen Zahlungsansprüche als von Anfang an nicht zugewiesen gelten (Art. 73a Abs. 1 Unterabs. 3 VO <EG> Nr. 796/2004). Folglich kann die Anwendbarkeit von Art. 51 Abs. 2a Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Das führt jedoch nicht zu dem geltend gemachten grundsätzlichen Klärungsbedarf.
7Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die 8,27 ha große Teilfläche nicht beihilfefähig sei, weil sie dem Kläger in den Jahren 2005, 2006 und 2007 nicht zur Verfügung gestanden habe und von einem Dritten landwirtschaftlich genutzt worden sei. Diese Feststellungen hat der Kläger weder mit einer Verfahrensrüge noch sonst angegriffen. Entsprechend erfüllt die angemeldete Fläche - in erheblichem Umfang - nicht alle anderen Beihilfevoraussetzungen, wofür nach der Ratio des Art. 51 Abs. 2a VO (EG) Nr. 796/2004 Sanktionen vorgesehen sind.
8Der Kläger macht mit seiner Grundsatzrüge jedoch geltend, er unterliege deshalb keiner Sanktion, weil auf die Differenz zwischen der Fläche, die jenseits der Zahlungsansprüche alle anderen Beihilfebedingungen erfüllt, und dem Betrag der gemeldeten Zahlungsverpflichtungen abzustellen sei und will dies, nachdem die ursprünglich zugewiesenen Zahlungsansprüche aufgehoben wurden und als von Anfang an nicht zugewiesen galten (Art. 73a Abs. 1 Unterabs. 3 VO <EG> Nr. 796/2004), dahin verstanden wissen, dass nur die zuletzt zugewiesenen Zahlungsansprüche als gemeldet anzusehen seien. Denn man könne keine Zahlungsansprüche anmelden, die von Anfang an nicht bestünden.
9Eine derartige Auslegung von Art. 51 Abs. 2a Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 kommt jedoch zweifellos nicht in Betracht.
10Nach dem klaren Wortlaut der Regelung (en: amount of payment entitlements declared; fr: montant des droits au paiement déclarés; sv: stödrättighetsbelopp som har deklarerats) kommt es allein auf die gemeldeten Zahlungsverpflichtungen, mit anderen Worten die geltend gemachten Zahlungsansprüche an. Hier unerheblich ist daher, ob die Zahlungsansprüche tatsächlich bestehen. Auf die zuletzt zugewiesenen Zahlungsansprüche kann hier aber auch deshalb nicht abgestellt werden, weil dies mit dem Sinn und Zweck des Sanktionensystems schlechterdings unvereinbar wäre. Die Anwendung von Art. 51 Abs. 2a Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 im Sinne des Klägers hätte zur Folge, dass keine Differenz und damit keine Übererklärung gegeben wäre, weil die jenseits der Zahlungsansprüche beihilfefähige Fläche der Zahl der zuletzt zugewiesenen Zahlungsansprüche entspräche. Dem stünde gegenüber, dass der Kläger mit seinen Sammelanträgen in erheblichem Umfang - nämlich im Umfang der späteren Verringerung der Zahlungsansprüche - für eine Fläche Betriebsprämien beantragt hat, die jenseits der Zahlungsansprüche gerade nicht alle anderen Voraussetzungen der Betriebsprämie erfüllt hat. Wäre diese Fläche jenseits des Vorliegens entsprechender Zahlungsansprüche hingegen weitestgehend beihilfefähig, so würde gerade diese Konformität mit dem Beihilferecht dazu führen, dass in ihrem Umfang eine Differenz zu der Zahl der zuletzt zugewiesenen Zahlungsansprüche und damit eine "Übererklärung" gegeben wäre. Das wäre offensichtlich sinnwidrig.
11Vor diesem Hintergrund bedarf die aufgeworfene Frage auch keiner Beantwortung durch eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. , C.I.L.F.I.T. - Slg. I-3415 Rn. 12 ff.). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang für ein Vorabentscheidungsersuchen die Frage formuliert, ob im Falle von Übererklärungen die beantragte Fläche durch die Anzahl der dem Betriebsinhaber zur Verfügung stehenden Zahlungsansprüche gedeckelt werde, wird damit ein über die vorstehend beantwortete Frage hinausgehender, rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf nicht erkennbar dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
122. Auch eine Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) kommt nicht in Betracht. Die erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist geltend gemachte Abweichung des Berufungsurteils von dem Urteil des Senats vom - 3 C 31.13 - könnte nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn der Kläger fristgerecht die Klärung einer Grundsatzfrage angestrebt hätte, die durch das Urteil nach Fristablauf geklärt worden wäre ( 8 B 101.06 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 15 m.w.N.). Das ist jedoch nicht der Fall. Die innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist geltend gemachte Grundsatzfrage betrifft nicht die Frage, auf deren Beantwortung sich der Kläger nunmehr bezieht. Der Sache nach macht der Kläger eine nach Abschluss des Berufungsverfahrens eingetretene Rechtsänderung geltend, auf der das Urteil des Senats vom beruht. Eine Gesetzesänderung, aufgrund der sich ein mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochtenes Urteil in einem Revisionsverfahren als (teilweise) fehlerhaft erweisen könnte, ist aber kein Zulassungsgrund im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO ( 3 B 73.68 - BVerwGE 30, 266 <267>).
13Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1, § 43 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG. Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerdebegründung ebenso wie bereits mit seiner Anschlussberufung alleine gegen die Sanktion wegen einer Übererklärung. Er greift damit die Rückforderung von insgesamt 24 279,32 € nicht an, soweit sie bereits daraus folgt, dass ihm zu Unrecht Betriebsprämien unter Berücksichtigung der 8,27 ha großen Teilfläche bewilligt worden sind. Dem entspricht ein Betrag in Höhe von 4 046,09 € (vgl. Schriftsatz des Klägers vom ), der in Abzug zu bringen ist. Zuzüglich des darüber hinaus als weitere Sanktion zur Verrechnung gestellten Betrags in Höhe von 1 748,36 € ergibt sich daraus der festgesetzte Streitwert. Zu einer Änderung der vorinstanzlichen Streitwertfestsetzungen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG) bestand kein Anlass, denn im Lichte des Urteils des Verwaltungsgerichts und der wechselseitigen Rechtsmittel im Berufungsverfahren (§ 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GKG) wirkt sich die bereits im Berufungsverfahren seitens des Klägers beschränkte Anfechtung des Rückforderungsbescheids nicht in gebührenerheblicher Weise aus. Die im Rückforderungsbescheid festgesetzte, nicht selbstständig angefochtene Verwaltungsgebühr ist nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 1 GKG).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2015:160415B3B43.14.0
Fundstelle(n):
IAAAE-91464