Erforderlichkeit der Betreuung eines altersdemenzkranken Betroffenen: Auslegung einer Vorsorgevollmacht nach dem Musterformular des Bundesjustizministeriums hinsichtlich von Verpflichtungsgeschäften
Gesetze: § 1896 Abs 2 BGB
Instanzenzug: LG Amberg Az: 32 T 1133/14vorgehend AG Schwandorf Az: 407 XVII 410/14
Gründe
I.
1Der 72jährige Betroffene leidet an einer schweren Demenz, wegen derer er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann und geschäftsunfähig ist.
2Am hatte er seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 3, Vorsorgevollmacht unter Verwendung des vom Bundesministerium der Justiz bereitgestellten Musterformulars erteilt und mit ergänzender Erklärung vom die Beteiligte zu 2, seine Tochter, zur Ersatzbevollmächtigten bestimmt. In dem Formular ist unter der Überschrift "Vermögenssorge" der Punkt "Sie darf mein Vermögen verwalten und hierbei alle Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte im In- und Ausland vornehmen, Erklärungen aller Art abgeben und entgegennehmen sowie Anträge stellen, abändern, zurücknehmen" mit "ja" angekreuzt. Die mit "namentlich..." daran angeknüpften Unterpunkte sind ebenfalls mit "ja" angekreuzt mit Ausnahme der Unterpunkte "Verbindlichkeiten eingehen" und "Schenkungen in dem Rahmen vornehmen, der einem Betreuer rechtlich gestattet ist", die weder mit "ja" noch mit "nein" angekreuzt sind.
3Das Amtsgericht hat eine Betreuung für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge eingerichtet und die Beteiligte zu 3 als Betreuerin sowie die Beteiligte zu 2 zur Ersatzbetreuerin bestellt.
4Dagegen hat die Betreuungsbehörde Beschwerde eingelegt, mit der sie geltend gemacht hat, die Betreuung sei angesichts der vorliegenden Vorsorgevollmacht nicht erforderlich. Das Landgericht hat den Aufgabenkreis der Betreuung auf das "Eingehen von Verbindlichkeiten" beschränkt und die weitergehende Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betreuungsbehörde.
II.
5Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Einstellung des Verfahrens auf Einrichtung einer Betreuung.
61. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB sei eine Betreuung nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten durch einen Bevollmächtigten ebenso gut besorgt werden könnten. Die vorliegende Vorsorgevollmacht sei jedoch lückenhaft ausgefüllt. Hinsichtlich der Eingehung von Verbindlichkeiten sei die Vorsorgevollmacht jedenfalls unklar, weshalb insoweit Betreuungsbedarf bestehe. Da die Angelegenheiten des Betroffenen lückenlos besorgt werden müssten, sei eine die Vorsorgevollmacht ergänzende Betreuungsanordnung notwendig.
72. Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
8Wie der Senat bereits entschieden hat (Senatsbeschluss vom - XII ZB 29/15 - zur Veröffentlichung bestimmt), ist mit der Bejahung des Punktes "Sie darf mein Vermögen verwalten und hierbei alle Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte im In- und Ausland vornehmen, Erklärungen aller Art abgeben und entgegennehmen sowie Anträge stellen, abändern, zurücknehmen" grundsätzlich eine Vollmacht im Bereich der Vermögenssorge erteilt, die auch den Abschluss und die Erfüllung von Verpflichtungsgeschäften beinhaltet. Die daran anschließende Unterrubrik, bei der es um die Berechtigung zum "Eingehen von Verbindlichkeiten" geht, bezieht sich auf Geschäfte von außergewöhnlicher Bedeutung. Mit dieser Formulierung ist im Zusammenhang mit Vorsorgevollmachten vor allem die Begründung von Kreditverpflichtungen und die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung gemeint, also die Begründung solcher Verbindlichkeiten, die durch das verfügbare Vermögen nicht gedeckt sind und deshalb eine Verschuldung bewirken.
9Dass für Rechtsgeschäfte solcher Art ein konkreter Bedarf besteht, hat das Landgericht weder festgestellt noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich. Auch die Bevollmächtigte sieht keinen Bedarf für die Anordnung einer Betreuung insoweit.
Dose Weber-Monecke Klinkhammer
Nedden-Boeger Guhling
Fundstelle(n):
KAAAE-91407