Besonders schwerer Raub: Messer als Waffe
Gesetze: § 250 Abs 1 Nr 2 StGB, § 250 Abs 2 Nr 2 StGB
Instanzenzug: LG Essen Az: 26 KLs 7 Js 240/13 - 23/14
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen besonders schweren Raubes in sechs Fällen und versuchten besonders schweren Raubes unter Einbeziehung der Strafe aus einem anderen rechtskräftigen Urteil zu einer Gesamtfreiheitstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten B. hat es wegen besonders schweren Raubes in sechs Fällen, schweren Raubes, versuchten besonders schweren Raubes und Diebstahls schuldig gesprochen und gegen ihn deshalb unter Einbeziehung der Strafe aus einem anderen rechtskräftigen Urteil eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren festgesetzt. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.
21. Die Annahme eines besonders schweren Raubes gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 2 StGB in den Fällen II. 2 und 8 der Urteilsgründe wird von den Feststellungen nicht getragen.
3a) Danach schlossen sich die Angeklagten und die gesondert verfolgten S. A. , C. und T. Anfang 2013 zusammen, um in einer Vielzahl von Fällen maskiert und bewaffnet in Geschäftslokale einzudrin- gen. Dort wollten sie Mitarbeiter und Kunden mit den Waffen bedrohen, um an größere Bargeldbeträge aus dem Geschäftslokal zu gelangen.
4Am drang der Angeklagte A. zusammen mit C. , S. A. und T. maskiert in einen Supermarkt in D. ein, in dem die Zeuginnen K. und Sc. gerade mit dem Ausräumen von Regalen beschäftigt waren. C. griff der Zeugin K. in den Nacken und stieß sie unter Vorhalt eines Messers in den Bürobereich. Nachdem die Zeugin auf Aufforderung des C. und unter weiterem Vorhalt des Messers den Tresor geöffnet hatte, entnahmen die Täter daraus Münzrollen. Anschließend drängten sie beide Zeuginnen zum Kassenbereich. Dort öffneten die Zeuginnen auf Aufforderung die Kassen, aus denen die Täter sodann weiteres Bargeld an sich nahmen. Die gesamte Beute belief sich auf ca. 2.000 Euro (Fall II. 2 der Urteilsgründe).
5Am betraten die beiden Angeklagten zusammen mit B. C. und S. A. maskiert und „mit einem Messer bewaffnet" eine Spielhalle in Da. , in der sich die als Spielhallenaufsicht tätige Zeugin R. und zwei Gäste befanden. Die Angeklagten und ihre Mittäter zwangen die Gäste zu Boden und forderten die Zeugin, die sich vor Schreck auch auf den Boden gesetzt hatte und sich mit beiden Händen die Augen zuhielt, dazu auf, die Kasse zu öffnen und den Tresor zu zeigen. Die Zeugin öffnete die Kasse, zeigte den Tresor und schloss diesen mit dem darin steckenden Schlüssel auf. Das vorgehaltene Messer nahm sie dabei nicht wahr, weil sie ihren Blick aus Angst nicht nach oben richtete. Die Angeklagten und ihre Mittäter entwendeten aus der Kasse und dem Tresor insgesamt ca. 1.000 Euro (Fall II. 8 der Urteilsgründe).
6Das Landgericht hat die Verurteilung des Angeklagten A. wegen besonders schweren Raubes im Fall II. 2 der Urteilsgründe sowohl auf § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, als auch auf § 250 Abs. 2 Nr. 2 StGB gestützt. Im Fall II. 8 der Urteilsgründe hat es einen besonders schweren Raub in der Begehungsform des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB verneint, weil die Zeugin das vorgehaltene Messer nicht wahrgenommen hatte und die Verurteilung beider Angeklagten wegen besonders schweren Raubes allein aus § 250 Abs. 2 Nr. 2 StGB hergeleitet (UA 14).
7b) Die Annahme eines besonders schweren Raubes in der Begehungsform des § 250 Abs. 2 Nr. 2 StGB begegnet in beiden Fällen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8aa) Nach § 250 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist ein unter den Bedingungen des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB (bandenmäßig) begangener Raub als besonders schwerer Raub zu bewerten, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub eine Waffe bei sich führt. Dabei ist der auch für § 250 Abs. 2 Nr. 1 und § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB geltende Begriff der Waffe im technischen Sinn zugrunde zu legen (Eser/Bosch in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 250 Rn. 31; SSW-StGB/Kudlich, 2. Aufl., § 250 Rn. 26; Kindhäuser in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl., § 250 Rn. 22). Danach ist eine Waffe ein körperlicher Gegenstand, der nach seiner Art für Angriffs- oder Verteidigungszwecke bestimmt und zur Verursachung erheblicher Verletzungen generell geeignet ist (vgl. , BGHSt 52, 257 Rn. 13; Urteil vom - 4 StR 380/98, BGHSt 45, 92, 93; Eser/ Bosch in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 250 Rn. 31; Kindhäuser in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl., § 250 Rn. 22 und § 244 Rn. 4). Die Begriffsbestimmungen des Waffengesetzes - im konkreten Fall vornehmlich die Regelungen zu den verbotenen Messern (vgl. Anlage 2 Abschnitt 1 Nrn. 1.4.1 bis 1.4.3 zu § 2 Abs. 2 bis 4 WaffG) - können hierbei eine Orientierungshilfe bieten (vgl. , BGHSt 48, 197, 203; Kindhäuser in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl., § 244 Rn. 5; SSW-StGB/Kudlich, 2. Aufl., § 244 Rn. 6 mwN). Das Landgericht hat weder im Fall II. 2 noch im Fall II. 8 der Urteilsgründe nähere Feststellungen dazu getroffen, was für ein Messer Verwendung gefunden hat. Es bleibt daher offen, ob bei den jeweils bandenmäßig begangenen Raubtaten tatsächlich eine Waffe im technischen Sinn mitgeführt worden ist.
9bb) Da die Feststellungen im Fall II. 2 der Urteilsgründe die Verurteilung des Angeklagten A. wegen besonders schweren Raubes in der Begehungsform des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB tragen, lässt der aufgezeigte Rechtsfehler den Schuldspruch unberührt. Dagegen kann der Strafausspruch keinen Bestand haben, weil das Landgericht sowohl bei der Erörterung eines minder schweren Falles gemäß § 250 Abs. 3 StGB, als auch bei der konkreten Strafzumessung die Verwirklichung von zwei Varianten des § 250 Abs. 2 StGB zum Nachteil des Angeklagten A. gewertet hat (UA 16). Im Fall II. 8 der Urteilsgründe war der Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes in Bezug auf beide Angeklagten aufzuheben, weil sich das Landgericht insoweit allein auf § 250 Abs. 2 Nr. 2 StGB gestützt hat. Einer Aufhebung der getroffenen Feststellungen bedarf es in beiden Fällen nicht. Der neue Tatrichter wird lediglich ergänzende Feststellungen zur Beschaffenheit des jeweils mitgeführten Messers zu treffen haben.
102. Durch die Aufhebungen wird bei beiden Angeklagten dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage entzogen. Die weitere Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Franke Mutzbauer
Bender Quentin
Fundstelle(n):
GAAAE-91404