Instanzenzug: S 37 KR 926/09
Gründe:
I
1Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin ist bei der Beklagten mit ihrem Begehren auf Erstattung der Kosten einer nach vorausgegangener Leistungsablehnung selbst beschafften stationären Maßnahme der Rehabilitation ([Reha]; 7. - ; 2356 Euro Behandlungskosten und 102 Euro Fahrkosten) ebenso erfolglos geblieben wie in den Vorinstanzen. Das LSG hat unter Bezugnahme auf die Gründe des SG-Urteils und die im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten zwei medizinischen Sachverständigengutachten zur Begründung ua ausgeführt, dass eine stationäre Reha-Maßnahme im "M.", Dr. E. Fachklinik für Orthopädie, Rheumatologie, Onkologie, Physikalische Medizin und Naturheilverfahren, nicht erforderlich gewesen sei, nachdem die Beklagte der Klägerin schon 2006 dort eine stationäre Reha-Maßnahme gewährt habe. Eine medizinische Indikation habe dafür nach den übereinstimmenden Gutachten von Dr. B. und Dr. D. nicht bestanden. Dem stehe der objektivierbare körperliche Befund entgegen. Der Schwerpunkt der Schmerzerkrankung der Klägerin liege zudem auf psychosomatischem Gebiet. Es sei mangels Entscheidungserheblichkeit nicht - wie beantragt - erforderlich gewesen, ergänzende Stellungnahmen bei den Sachverständigen zu der Frage einzuholen, ob die Schmerzerkrankung mit ICD-10-GM F45.41 oder einer anderen Diagnosenummer zu kodieren sei. Maßgeblich sei allein das gutachtlich beschriebene Leistungs- und Beschwerdebild. Auch bestehe kein Grund zur Einholung des beantragten "Obergutachtens" (Urteil vom ).
2Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
3Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Die Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Zulassungsgrundes des Verfahrensfehlers (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
41. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Die Klägerin legt weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (dazu a) noch der Aufklärungspflicht (dazu b) als Verfahrensmangel in diesem Sinne hinreichend dar.
5a) Die Klägerin bezeichnet eine Verletzung des rechtlichen Gehörs weder hinsichtlich ihres Vorbringens zur Erheblichkeit der tatsächlich bestehenden Erkrankung (dazu aa) noch hinsichtlich ihres Rechts ausreichend, die Sachverständigen zu befragen (dazu bb).
6aa) Wer die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG, Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU, Art 6 Abs 1 EMRK) rügt, muss hierzu ausführen, welchen erheblichen Vortrag das Gericht bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen hat, welches Vorbringen des Rechtsuchenden dadurch verhindert worden ist und inwiefern das Urteil auf diesem Sachverhalt beruht (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 36; - Juris RdNr 6 mwN). Die Klägerin trägt hierzu lediglich vor, sie habe schlüssig dargelegt, dass die korrekte Diagnose ihrer Erkrankung ICD 10 GM F45.41 (Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren) sei und warum für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch die Feststellung entscheidungserheblich sei. Sie setzt sich aber nicht damit auseinander, dass das LSG dieses Vorbringen im Tatbestand erwähnt, durch die Bezugnahme auf die Gründe des SG-Urteils sich dessen ausführliche Beweiswürdigung zu eigen gemacht und selbst ausdrücklich in Reaktion auf das klägerische Vorbringen zur Tragfähigkeit der gutachtlichen Argumente Stellung bezogen hat. Soweit die Klägerin hierzu vorträgt, das LSG habe lapidar aneinandergereiht, was in der Vorinstanz bzw in den Gutachten bereits behauptet worden sei, und dabei Kern und Qualität ihres Vorbringens missachtet, greift sie im Kern nur die Beweiswürdigung des LSG an. Die Verwertung eines - vermeintlich - fehlerhaften Sachverständigengutachtens und damit einer fehlerhaften Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) kann aber - wie dargelegt - im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht mit Erfolg gerügt werden. Es bleibt den Verfahrensbeteiligten unbenommen, ein derartiges Gutachten substantiiert anzugreifen und die Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Sachverständigen und der Einholung weiterer Gutachten darzulegen (näher dazu unter 1. b; vgl auch 5b RJ 80/85 - SozR 1500 § 103 Nr 24; - RdNr 8).
7bb) Die Klägerin rügt zudem, das LSG habe die erstinstanzlichen Sachverständigen Dres. B. und D. nicht ergänzend dazu einvernommen,
"warum sie sich nach dem Stand der Wissenschaft in ihren Gutachten 2011 und 2010 nicht mit der neuen Erkenntnis auseinandergesetzt haben, ob und daß bei der Klägerin eine chronische Schmerzstörung nach ICD-10-F 45.41 vorliegt bzw. vorliegen kann ..."
8Die Klägerin macht damit sinngemäß einen Verstoß gegen das Fragerecht nach § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO geltend. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass - unabhängig von der nach § 411 Abs 3 ZPO im pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts liegenden Möglichkeit, zur weiteren Sachaufklärung von Amts wegen das Erscheinen des Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung anzuordnen - jedem Beteiligten gemäß § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO das Recht zusteht, einem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet (BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 7; BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 2 RdNr 5; - Juris RdNr 13; - Juris RdNr 12, jeweils mwN; s auch BVerfG [Kammer] Beschluss vom - 1 BvR 909/94 - NJW 1998, 2273). Das Recht auf zusätzliche Vernehmung des Sachverständigen steht den Beteiligten indes grundsätzlich nur hinsichtlich solcher Gutachten zu, die in derselben Instanz eingeholt worden sind. Eine Ausnahme gilt nur, wenn das vorinstanzliche Gericht dem Antrag auf Anhörung eines Sachverständigen verfahrensfehlerhaft nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 2 RdNr 9; - RdNr 13; vgl auch - Juris RdNr 3). Es fehlt an einer schlüssigen Darlegung eines solchen Ausnahmefalles.
9Die Klägerin trägt schon nicht vor, dass sie den oben wiedergegebenen Antrag, der in dem in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG überreichten Schriftsatz vom enthalten ist, bereits zuvor ausdrücklich oder sinngemäß erstinstanzlich oder auch nur im Berufungsverfahren gestellt hat. Auch trägt sie nicht vor, dass sie überhaupt erstinstanzlich (irgend)eine Befragung der Sachverständigen beantragt hat.
10Soweit sie - wiederum allenfalls sinngemäß - auch eine Verletzung von § 411 Abs 3 ZPO rügt, fehlt es jedenfalls an nachvollziehbaren Darlegungen, warum einzig die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Sachverständigen Dres. B. und D. ermessensfehlerfrei gewesen wäre.
11b) Wer - wie die Klägerin - einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) rügt, muss ua die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund deren bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, und schildern, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35, 45; BSG SozR 1500 § 160a Nr 24, 34).
12Die Klägerin gibt schon nicht die Rechtsauffassung des LSG wieder, aufgrund deren bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen. Sie zeigt auch nicht auf, dass das LSG sich hätte gedrängt fühlen müssen, ein weiteres Gutachten zu dem von der Klägerin unter Beweis gestellten Sachverhalt einzuholen. Im Kern greift die Klägerin auch mit der Aufklärungsrüge nur die Beweiswürdigung des LSG an, die - wie bereits ausgeführt - nicht mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gerügt werden kann. Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse oder unterschiedlicher ärztlicher Auffassungen gehört wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung selbst. Eine Verpflichtung zur Einholung eines sogenannten Obergutachtens besteht auch bei einander widersprechenden Gutachtensergebnissen im Allgemeinen nicht; vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen. Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen. Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 8). Hier stimmen die Sachverständigengutachten sogar in der Begründung und im Ergebnis überein.
132. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
143. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstelle(n):
UAAAE-90718