BSG Beschluss v. - B 6 KA 47/14 B

Instanzenzug: S 14 KA 92/10

Gründe:

I

1Im Streit stehen Arzneimittelregresse.

2Der Kläger ist als Allgemeinarzt mit den Zusatzbezeichnungen Sportmedizin, Chirotherapie und Akupunktur zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Gegen die vom Prüfungsausschuss nach Durchführung einer Prüfung nach Durchschnittswerten für die Quartale I/2003 bis IV/2003 sowie III/2004 festgesetzten Arzneimittelregresse erhob er jeweils Widerspruch; diese hatten nur teilweise Erfolg. Der beklagte Beschwerdeausschuss setzte für die Quartale I/2003, II/2003, IV/2003 und III/2004 Regresse in Höhe von insgesamt 17 952,02 Euro fest (Bescheide des Beklagten vom ). Dabei berücksichtigte er, dass der Kläger Schmerzpatienten in einem Umfang behandelt habe, der im Vergleich zur Fachgruppe als untypisch anzusehen sei. Da auch in der Fachgruppe Schmerzpatienten behandelt würden, habe er - der Beklagte - aufgrund seiner Erfahrungswerte im Rahmen seines Ermessensspielraums bezüglich der Verordnung von Präparaten im Zusammenhang mit der Schmerztherapie eine Schätzung vorgenommen.

3Klage und Berufung, mit denen der Kläger insbesondere geltend gemacht hat, die angefochtenen Bescheide seien mangels ordnungsgemäßer Begründung rechtswidrig und daher aufzuheben, sind erfolglos geblieben ( ). Das LSG hat unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Urteils des SG ausgeführt, der Beklagte habe zu Recht keine weiteren Praxisbesonderheiten berücksichtigt. Im Ergebnis rechtsfehlerfrei seien auch die Ausführungen des Beklagten in den angefochtenen Bescheiden zur Praxisbesonderheit "Schmerzpatienten"; es habe keiner ergänzenden Begründung dazu bedurft, warum er teilweise nur 50%, teilweise 75% und teilweise 100% der Arzneimittel als Praxisbesonderheit herausgerechnet habe. Nicht zu beanstanden sei auch die Grenzziehung hinsichtlich des offensichtlichen Missverhältnisses bei 35%.

4Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht der Kläger Verfahrensmängel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.

II

5Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg, denn sie ist unzulässig.

6Wer die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, muss gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau bezeichnen. Zudem müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargestellt und es muss - sofern nicht ein absoluter Revisionsgrund iS von § 547 ZPO geltend gemacht wird - darüber hinaus dargelegt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 mwN; siehe hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kapitel IX RdNr 202 ff).

7Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung zum einen schon deswegen nicht, weil sie keine bundesrechtliche Verfahrensnorm benennt, die das Berufungsgericht verletzt haben soll. Zum anderen benennt der Kläger keinen Verfahrensfehler, der dem LSG unterlaufen ist, sondern rügt, dass der angefochtene Bescheid des Beklagten keine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Begründung enthalte. Diese Ausführungen vermögen Verfahrensfehler schon deswegen nicht zu begründen, weil ein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG grundsätzlich nur bei einem Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorhergehenden Rechtszug vorliegen kann (vgl - RdNr 11; - RdNr 14 mwN - Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 16a mwN). Etwaige Mängel des Verwaltungsverfahrens sind mithin in jedem Fall unbeachtlich ( - RdNr 11; siehe auch Becker, SGb 2007, 328, 329 mwN). Selbst wenn also die Begründung des angefochtenen Bescheides des Beklagten nicht den Anforderungen des § 35 Abs 1 SGB X entsprechen sollte, läge hierin kein Verfahrensmangel, der die Zulassung der Revision begründen kann.

8Selbst wenn man die Ausführungen des Klägers zu (etwaigen) Begründungsmängeln des angefochtenen Bescheides so verstehen wollte, dass er damit zugleich eine (vermeintliche) Verletzung seines rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) durch das Berufungsgericht rügen will, entsprächen seine Ausführungen den Anforderungen an die Begründung einer auf Verfahrensmängel gestützten Beschwerde schon deshalb nicht, weil für den Vorhalt, ein Gericht habe Vorbringen unberücksichtigt gelassen, besondere Darlegungsanforderungen bestehen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das tatsächliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung würdigt, selbst wenn sich dies nicht ausdrücklich aus dem Urteil ergibt. Eine gegenteilige Annahme - dh ein Versäumnis des Gerichts, eine bestimmte Argumentation der Beteiligten in Erwägung zu ziehen - bedarf greifbarer Anhaltspunkte, die der Beschwerdeführer im Einzelnen aufzuzeigen hat (vgl dazu BSGE 88, 193, 204 = SozR 3-2500 § 79a Nr 1 S 13; BVerfG [Kammer] Beschluss vom - 2 BvR 722/06 - DVBl 2007, 253, 254 - mwN zur Rechtsprechung des BVerfG). Zudem muss der Beschwerdeführer darlegen, inwiefern die Einbeziehung seines vermeintlich unberücksichtigt gebliebenen Vorbringens zu einem anderen Urteilsspruch hätte führen können (vgl BSGE 69, 280, 284 = SozR 3-4100 § 128a Nr 5 S 35, mwN).

9Der Kläger hat jedoch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass das LSG sein Vorbringen, der Beklagte habe seinen Bescheid unzureichend begründet, übergangen hat. Vielmehr rügt er im Kern allein, dass das LSG seiner diesbezüglichen Rechtsauffassung nicht gefolgt ist. Die Frage einer ausreichenden Begründung des angefochtenen Bescheides war, wie außer Zweifel steht, sowohl Gegenstand der mündlichen Verhandlung als auch der Entscheidungsbegründung. Der Umstand, dass das LSG unter Hinweis auf eine - unterstellt - unklare Begründung des Bescheides den Abschluss eines Vergleiches angeregt hat, hindert dieses nicht, die zum Anlass für die Anregung genommenen Gesichtspunkte im Rahmen der abschließenden Beratung dahingehend zu würdigen, dass sie keine Aufhebung des angefochtenen Bescheides rechtfertigen.

10Die Ausführungen der Beigeladenen zu 1. gebieten schon deswegen keine andere Beurteilung, weil diese selbst keine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erhoben hat. Maßgeblich ist nach § 160a Abs 2 Satz 1 SGG allein das Vorbringen des Beschwerdeführers. Unabhängig davon wäre das Vorbringen der Beigeladenen zu 1. auch deswegen nicht zu berücksichtigen, weil es nicht innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bei BSG eingegangen ist (siehe hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 13b). Diese - grundsätzliche zweimonatige - Frist lief nach gewährter Verlängerung mit Ablauf des ab; der Schriftsatz der Beigeladenen zu 1. ging am beim BSG ein. Nur ergänzend verweist der Senat darauf, dass die Beschwerde gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ohnehin nicht darauf gestützt werden könnte, dass das LSG die Grenzen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten hätte.

11Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach hat der Kläger auch die Kosten des von ihm ohne Erfolg durchgeführten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da sie im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt haben § 162 Abs 3 VwGO).

12Die Festsetzung des Streitwerts entspricht den Festsetzungen der Vorinstanz vom , die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§ 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz).

Fundstelle(n):
GAAAE-90714