BSG Beschluss v. - B 12 KR 100/14 B

Instanzenzug: S 73 KR 1505/10

Gründe:

1In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin gegen eine Beitragsnachforderung der Beklagten in Höhe von 118 218,87 Euro.

2Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von - näher bezeichneter - höchstrichterlicher Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

4Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom - soweit erkennbar - sinngemäß auf alle drei Zulassungsgründe.

51. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

6Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge schon im Ansatz nicht (vgl hierzu exemplarisch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Denn die Klägerin formuliert schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht - (vgl allgemein - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181).

7Zum überwiegenden Teil rügt die Klägerin in ihrer umfangreichen Beschwerdebegründung nach Wiedergabe der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils lediglich die vermeintliche Fehlerhaftigkeit der Rechtsanwendung des LSG. Dies zeigt sich insbesondere in der wiederholt gewählten Formulierung "Entgegen der Auffassung des Vordergerichts". Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

82. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).

9Die Klägerin führt auf Seite 7 der Beschwerdebegründung aus, das angefochtene Urteil weiche von der Rechtsprechung des BAG ab. Soweit man darin - bei weiter Auslegung des klägerischen Begehrens - eine Divergenzrüge der Klägerin sieht, ist diese allein schon deshalb unzulässig, weil das BAG nicht zu den in § 160 Abs 2 Nr 2 SGG genannten Gerichten zählt.

103. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSGE 2, 81, 82; 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens ist nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.

11Die Klägerin rügt auf Seite 9 der Beschwerdebegründung einen vermeintlichen Verfahrensmangel, weil das LSG den Rechtsstreit nicht an das SG zur weiteren Beweisaufnahme verwiesen habe. Sie habe in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG die Rüge aufrechterhalten, dass das SG während der Urteilsberatung das Beratungsgeheimnis verletzt habe, weil eine Praktikantin im Richterzimmer anwesend gewesen sei.

12Hierdurch zeigt die Klägerin einen Verfahrensmangel des LSG nicht in zulässiger Weise auf. Wird in einer Nichtzulassungsbeschwerde die Verletzung von § 159 Abs 1 SGG gerügt, wovon vorliegend trotz Nichtnennung der Vorschrift in der Beschwerdebegründung wohl auszugehen ist, muss die Beschwerdebegründung die Darstellung enthalten, dass eine Zurückverweisung ausdrücklich beantragt wurde (vgl B 9a SB 22/05 B - Juris RdNr 6 mwN). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie enthält nur Ausführungen dazu, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung einen Verfahrensmangel des SG ausdrücklich gerügt habe, nicht aber, dass sie auch die Zurückverweisung an das SG beantragt hat. Soweit sie einen Verfahrensfehler im Unterlassen einer Beweisaufnahme sieht, legt sie entgegen § 160a Abs 2 S 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2, § 103 SGG nicht dar, dass ein entsprechender Beweisantrag noch in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt bzw aufrechterhalten wurde (vgl dazu BSG SozR 1500 § 160 Nr 13).

134. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen, § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG.

145. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

156. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.

Fundstelle(n):
QAAAE-89144