OFD Karlsruhe - S0122/50 - St 311

Örtliche Zuständigkeit für die Einkommensbesteuerung unbeschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer nach deren Wegzug ins Ausland

In letzter Zeit kommt es vermehrt zu Zuständigkeitskonflikten zwischen den Finanzämtern, nachdem ein unbeschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer seine Tätigkeit im Inland beendet hat und ins Ausland verzogen ist. Häufig handelt es sich um Arbeitnehmer, die von ihrem Arbeitgeber nur vorübergehend ins Inland entsandt worden waren und die in ihr Heimatland zurückgekehrt sind.

Hierzu bitte ich folgende Auffassung zu vertreten:

1 Der Arbeitnehmer erzielt nach seinem Wegzug keine Einkünfte i. S. von § 49 EStG mehr

In diesen Fällen liegt mangels beschränkt steuerpflichtiger Einkünfte kein Wechsel von der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht im Sinn der AO-Kartei Baden-Württemberg § 26 AO Karte 1 Tz. 3. 4 vor. Für die Veranlagungszeiträume der unbeschränkten Steuerpflicht verbleibt die Zuständigkeit gem. § 19 Abs. 1 AO beim letzten Wohnsitzfinanzamt.

2 Der Arbeitnehmer erzielt auch nach seinem Wegzug Einkünfte i. S. von § 49 EStG

a)

Bezieht der Arbeitnehmer nur noch im Wegzugsjahr Einkünfte i. S. von § 49 EStG, soll die (einheitliche, vgl. § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG) Veranlagung für das Wegzugsjahr noch vom Finanzamt des letzten Wohnsitzes durchgeführt werden.

b)

Bezieht der Arbeitnehmer auch nach dem Wegzugsjahr Einkünfte i. S. von § 49 EStG, bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit für die Veranlagung zur beschränkten Steuerpflicht nach §§ 50 Abs. 2 EStG, 19 Abs. 2 AO (vgl. Anlage). Dieses Finanzamt ist dann auch für die Veranlagungszeiträume zuständig, in denen noch unbeschränkte Steuerpflicht bestand (AO-Kartei Baden-Württemberg § 26 AO Karte 1). Bereits begonnene Verwaltungsverfahren können ggf. gem. § 26 Satz 2 AO durch das bisher zuständige Finanzamt fortgeführt werden.

Anlage

Übersicht über die Zuständigkeit für die Veranlagung beschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer


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Örtliche Zuständigkeit bei der Veranlagung beschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer (Bis einschließlich VZ 2011 EStG a. F./ab VZ 2012 EStG n. F.)

Ausstellung der Bescheinigung für den Steuerabzug (§ 39d Abs. 1 EStG a. F./§ 39 Abs. 3 Satz 1 n. F.) durch das Betriebsstätten-FA
(Bildung der ELSTAM gemäß § 39 Abs. 2 Satz 2 EStG n. F. z.Zt. noch nicht möglich)
 
1
2
3
4
5
6
Kein Freibetrag auf Bescheinigung für beschr. Stpfl. eingetragen
(§ 39d Abs. 2 EStG a. F./§ 39a Abs. 4 EStG n. F.)
Freibetrag auf Bescheinigung für beschr. Stpfl
(§ 39d Abs. 2 EStG a. F./§ 39a Abs. 4 EStG n. F.)
Freibetrag auf Bescheinigung für § 1 Abs. 2 EStG
(§ 39c Abs. 3 EStG a. F./§ 39 Abs. 2,3 EStG n. F.);
Lohnsteuerabzug nach § 1 Abs. 2 od. 3 EStG– zu Unrecht
(§ 39c Abs. 3/4 EStG a. F./§ 39 Abs. 2,3 EStG n. F.)
Lohnsteuerabzug nach § 1 Abs. 3 EStG – zu Recht
(§ 39c Abs. 4 EStG a. F./§ 39 Abs. 2,3 EStG n. F.)
Antrag nach
§ 1 Abs. 3 EStG erst im Veranlagungsverfahren
Abgeltung Drittstaat Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz/Aufenthalt
(§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG)
Keine Abgeltung EU/EWR Staatsangehörigkeit und Wohnsitz/.Aufenthalt
(§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b und Satz 7 EStG)
Sonderfall unbeschränkte Stpfl. – Regelungen für beschr. Stpfl. gelten nicht.
Unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag
§ 50 EStG ist nicht maßgeblich
Nur Schweiz: Ggf. „rein rechnerische Veranlagung [1]
Antragsveranlagung
(§ 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG)
Pflichtveranlagung
nur, wenn inländischer Arbeitslohn > 10.200 Euro/Kj (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 HS 2 EStG)
LSt-Nachforderung [2]
(§ 39 Abs. 5a EStG a. F./§ 39 Abs. 7 EStG n. F.)
Bei EU/EWR-Staatsangehörigkeit [3]
Antragsveranlagung
(§ 1 Abs. 3 i. V. mit § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG)
Dann:
Zuständigkeit
Betriebsstätten-FA
Zuständigkeit
Betriebsstätten-FA
(§ 50 Abs. 2 Satz 3 ff. EStG)
Zuständigkeit
Betriebsstätten-FA
(§ 50 Abs. 2 Satz 3 ff. EStG)
Zuständigkeit
nach
§ 19 AO
Zuständigkeit
Betriebsstätten-FA
Zuständigkeit Betriebsstätten-FA
(§ 46 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b i. V. mit § 39 Abs. 2 Satz 2–4 EStG)
Zuständigkeit
nach
§ 19 AO

OFD Karlsruhe v. - S0122/50 - St 311

Fundstelle(n):
MAAAE-88772

1Anm. 1 Vgl. Erlass des FM BW vom – S 1301 A – Schweiz – 13/77, zur Anrechnung schweizerischer Steuern im Lohnsteuerabzugsverfahren, abgedruckt in der ASt-Kartei DBA Schweiz, Artikel 4, Tz 3.

2Anm. 2 Die Lohnsteuernachforderung kann bis zur Verjährung erfolgen (Kalenderjahr der Lohnzahlung + 4 Jahre, keine Anlaufhemmung).
Zuständig ist das Betriebsstätten-Finanzamt (Anleitung für den LSt-AD 2012 D 3.1). Der Arbeitnehmer kann im Nachforderungsverfahren bisher nicht geltend gemachte Ermäßigungsgründe (z. B. WK) nachschieben (LSt-AD 2012 D 3.2). Hierdurch verringert sich der Nachforderungsbetrag. Zu einer Erstattung von Lohnsteuer kann die Nachreichung allerdings nicht führen.

3Anm. 3 Sind EU/EWR-AN betroffen reicht der Stpfl. zunächst eine ESt-Erklärung für § 1 Abs. 3 EStG ein (Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b) EStG. Bei der Prüfung stellt das FA fest, dass die Voraussetzungen für § 1 Abs. 3 EStG nun doch nicht vorliegen (z. B., weil der Stpfl. im Ausland doch mehr verdient hat). Der Stpfl. wird damit wieder zu einem „einfachen” unbeschränkt Steuerpflichtigen, für den eine Veranlagung nur im Fall des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG (auf Antrag!) erfolgen kann. In der Praxis ist es nicht zu beanstanden, dass die bisherige „Pflicht-Erklärung” zunächst als Antrag auf Veranlagung gewertet wird. Der Stpfl. kann den Antrag auf Veranlagung allerdings zurücknehmen. Die Festsetzung muss dann aufgehoben werden und eine Lohnsteuernachforderung erfolgen.