BGH Urteil v. - V ZR 36/14

Beschränkte persönliche Dienstbarkeit: Anspruch auf Verlegung der Ausübung eines Geh- und Fahrrechts auf einen anderen Grundstücksteil

Leitsatz

Eine entsprechende Anwendung von § 1023 BGB auf den Dienstbarkeitsberechtigten scheidet aus, wenn die Ausübungsstelle rechtsgeschäftlich zum Inhalt der Dienstbarkeit gemacht worden ist.

Gesetze: § 242 BGB, § 1023 Abs 1 BGB, § 1090 Abs 2 BGB

Instanzenzug: LG Schweinfurt Az: 24 S 72/12vorgehend AG Bad Kissingen Az: 21 C 424/11

Tatbestand

1Der Beklagte ist Eigentümer des Grundstücks Flurstück 55 (nachfolgend: Grundstück), auf dem sich eine Werkstatthalle befindet. Mit notarieller Urkunde vom hatte eine Rechtsvorgängerin des Beklagten zu Gunsten der Kläger eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit bestellt, nach der diese berechtigt sein sollten, die Halle als Abstellfläche und Werkstatt für private Zwecke zu nutzen. In derselben Urkunde hatte sie eine weitere beschränkte persönliche Dienstbarkeit bewilligt, der zufolge die Kläger befugt sein sollten, „auf einem vier Meter breiten Streifen entlang der Grundstücksgrenze zum Grundstück Flst. 54 zu gehen und zu fahren, um von der K.    Straße zur o.g. Halle zu gelangen und zurück“. Wegen des Verlaufs des Geh- und Fahrtrechts nimmt die Bewilligungsurkunde zudem auf einen Lageplan Bezug, der den Weg in roter Markierung unmittelbar an der Grundstücksgrenze verlaufend zeigt. Die Dienstbarkeiten sind im Grundbuch unter Bezugnahme auf diese Bewilligungen eingetragen.

2Von der genannten Straße führt über das Grundstück ein vier Meter breiter befestigter Weg zur Halle, der überwiegend in einer Entfernung von mehr als vier Metern zur Grenze zum Flurstück 54 (nachfolgend: Nachbargrundstück) verläuft. Dieser Weg wurde von den Klägern seit jeher im Einvernehmen mit dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks genutzt, um zur Halle zu gelangen. Ein Zugang von der Straße zur Halle auf einem vier Meter breiten Streifen unmittelbar entlang der Grundstücksgrenze wäre nur nach Entfernung einer Mauer, von Bäumen und Rabatten sowie unter Versetzung des Hallentors möglich.

3Die Kläger haben mit ihrer Klage sinngemäß die Feststellung begehrt, dass sie eine dem tatsächlich vorhandenen Weg entsprechende Fläche als Zuweg und Zufahrt zur Halle zu nutzen berechtigt sind. Der Beklagte hat die Kläger widerklagend auf Unterlassung dieser Nutzung in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Landgericht hat umgekehrt entschieden und die Revision zugelassen, soweit der Widerklage stattgegeben worden ist. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihren Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter; der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

I.

4Das Berufungsgericht meint, dem Beklagten stehe ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Die Kläger seien Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, da sie kein Recht hätten, die Zuwegung wie in der Vergangenheit geschehen zu nutzen. Da sie dies in Abrede stellten, seien weitere Beeinträchtigungen zu besorgen. Der Unterlassungsanspruch sei nicht verwirkt. Denn der Beklagte habe gegenüber den Klägern zu keinem Zeitpunkt einen Vertrauenstatbestand gesetzt. Entsprechendes Verhalten seiner Rechtsvorgänger müsse er sich nicht zurechnen lassen. Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht könne die Verwirkung einem Sonderrechtsnachfolger nicht entgegengehalten werden. Der Anspruch des Beklagten ergebe sich zudem aus § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB.

II.

5Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.

61. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass dem Beklagten ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gegen die Kläger zusteht, da die Benutzung des auf seinem Grundstück gelegenen Weges sein Eigentumsrecht beeinträchtigt und weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind. Ein eigenes Recht der Kläger zur Nutzung des Weges, das den Beklagten zur Duldung der Eigentumsbeeinträchtigung gemäß § 1004 Abs. 2 BGB verpflichtet, besteht nicht.

7Dies folgt im Revisionsverfahren bereits aus der rechtskräftigen Abweisung der Klage, mit der die Kläger im Wesentlichen die Feststellung begehrt haben, dass sie berechtigt sind, das Grundstück des Beklagten auf einem 4,0 Meter breiten Streifen entlang der Grenze zum Nachbargrundstück mit einem Seitenabstand zur Grundstücksgrenze von 3,10 Meter unten und 4,0 Meter oben zu begehen und zu befahren. Aufgrund der Klageabweisung ist die Frage, ob den Klägern ein Recht zur Nutzung des Grundstücks in dem genannten Bereich gegen den Beklagten zusteht, einer erneuten rechtlichen Würdigung grundsätzlich nicht zugänglich. Aus der - vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachtenden (, NJW 2008, 1227 Rn. 9) - Rechtskraftwirkung folgt nämlich nicht nur, dass eine erneute Klage mit identischem Streitgegenstand unzulässig wäre. Es besteht vielmehr auch eine Bindungswirkung insoweit, als die in einem Vorprozess entschiedene Rechtsfolge Vorfrage für die Entscheidung des nachfolgenden Rechtsstreits ist (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 171/94, NJW 1995, 2993). Nichts anderes gilt, wenn bei einer Teilanfechtung der nicht angegriffene Teil in Rechtskraft erwächst (, NJW 2007, 1466 Rn. 7 - insoweit in BGHZ 170, 180 nicht abgedruckt). So liegt der Fall hier. Der Unterlassungsanspruch des Beklagten wäre gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, wenn die Kläger das Grundstück in dem Bereich des tatsächlich vorhandenen Weges benutzen dürften. Diese Vorfrage ist durch die rechtskräftige Abweisung der Klage zu Lasten der Kläger abschließend entschieden worden.

82. Jedenfalls im Ergebnis richtig ist auch die weitere Feststellung des Berufungsgerichts, dass der Unterlassungsanspruch des Beklagten gegen die Kläger nicht verwirkt ist.

9a) Der Prüfung dieses Einwands steht die rechtskräftige Abweisung der Klage nicht entgegen. Durch die Abweisung der Klage ist nur festgestellt, dass die Kläger kein eigenes Recht zur Nutzung des vorhandenen Weges haben, nicht dagegen auch eine Entscheidung darüber getroffen worden, ob sich die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch den Beklagten als treuwidrig erweist.

10b) Auf den Gesichtspunkt der Verwirkung können sich die Kläger nicht mit Erfolg berufen, weil es bereits an deren Voraussetzungen fehlt. Auf die vom Berufungsgericht erörterte Frage, ob die Verwirkung einem Sonderrechtsnachfolger entgegengehalten werden kann, kommt es deshalb nicht an.

11aa) Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 234/91, BGHZ 122, 308, 315 mwN; Senat, Urteil vom - V ZR 169/04, NJW-RR 2006, 235 Rn. 10). Die Verwirkung ist somit ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB); sie kann im gesamten Privatrecht eingewendet werden (Senat, Urteil vom - V ZR 234/91, BGHZ 122, 308, 314). Auch die aus Besitz bzw. Eigentum abgeleiteten Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach § 862 Abs. 1 BGB, § 1004 Abs. 1 BGB unterliegen der Verwirkung (Senat, Urteil vom - V ZR 169/04, NJW-RR 2006, 235 Rn. 10).

12bb) Bezogen auf den Unterlassungsanspruch des Beklagten fehlt es bereits an dem für die Verwirkung erforderlichen Zeitmoment. Sollen mit einem Unterlassungsanspruch wiederholte gleichartige Störungen abgewehrt werden, die zeitlich unterbrochen auftreten, löst jede Einwirkung einen neuen Anspruch aus (Senat, Urteil vom - V ZR 3/89, NJW 1990, 2555, 2556; Urteil vom - V ZR 169/04, NJW-RR 2006, 235 Rn. 11). Die für die Beurteilung des Zeitmoments maßgebliche Frist beginnt jeweils neu zu laufen, so dass es in der Regel - mit Ausnahme besonders langer Unterbrechungen - an dem Zeitmoment fehlt (Senat, Urteil vom - V ZR 169/04, NJW-RR 2006, 235 Rn. 11). Das Befahren und das Begehen des sich auf dem Grundstück des Beklagten befindlichen Weges durch die Kläger stellen solche gleichartigen Störungen dar.

133. Entgegen der Auffassung der Revision haben die Kläger gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Verlegung der Ausübung der zu ihren Gunsten im Grundbuch eingetragenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit auf den Teil des Grundstücks, auf dem sich derzeit der Zuweg für die Halle befindet. Wäre dies der Fall, stellte sich die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch den Beklagten allerdings als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB dar. Die Forderung einer Leistung ist unzulässig, wenn sie aus einem anderen Rechtsgrund an den Schuldner zurückerstattet werden muss (, BGHZ 110, 30, 33). Entsprechendes gilt, wenn jemand einen Unterlassungs- oder einen Beseitigungsanspruch geltend macht, obwohl die Gegenseite einen Anspruch auf Einräumung einer Rechtsposition hat, die den Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch ausschließt (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 447/01, NJW 2004, 1798, 1802). Ein solcher Anspruch steht den Klägern jedoch nicht zu.

14a) Die rechtskräftige Abweisung der Klage hinderte die Annahme eines Anspruchs auf Verlegung der Ausübung der Dienstbarkeit allerdings nicht. Fest steht hiernach nur, dass die Kläger an der Stelle des tatsächlich vorhandenen Weges derzeit kein Nutzungsrecht haben und sie deshalb auch nicht mehr geltend machen können, die zu ihren Gunsten im Grundbuch eingetragene Dienstbarkeit erstrecke sich auf diesen Weg. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Kläger einen Anspruch auf Verlegung der Ausübungsstelle der Dienstbarkeit auf eine andere, von der im Grundbuch eingetragenen abweichenden Stelle haben.

15b) Das Gesetz sieht in § 1023 Abs. 1 BGB nur einen Anspruch des Eigentümers auf Verlegung der Ausübung einer Grunddienstbarkeit auf eine andere, für den Berechtigten ebenso geeignete Stelle vor, wenn die Ausübung an der bisherigen Stelle für ihn besonders beschwerlich ist. Diese Regelung gilt gemäß § 1090 Abs. 2 BGB auch für den Eigentümer eines Grundstücks, das- wie hier - mit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit belastet ist. Ob auch dem Dienstbarkeitsberechtigten in entsprechender Anwendung von § 1023 Abs. 1, § 1090 Abs. 2 BGB oder aus § 242 BGB in Verbindung mit diesen Vorschriften ein Anspruch auf Verlegung der Ausübung der Dienstbarkeit auf eine andere Stelle des belasteten Grundstücks zustehen kann, ist umstritten.

16aa) Nach einer vor allem im älteren Schrifttum vertretenen Auffassung soll nur der Eigentümer die Verlegung der Ausübung beanspruchen können (RGRK/Busch, BGB, 3. Aufl., § 1023 Rn. 2; Loening/Basch/Straßmann, BGB, § 1023 Anm. 1; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Bearbeitung, § 107 II, S. 441; Meisner/Stern/Hodes, Nachbarrecht im Bundesgebiet (ohne Bayern), 5. Aufl., § 31 VI, S. 646; Staudinger/Ring, BGB [1981], § 1023 Rn. 14; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 1023 Rn. 1). Die Vertreter dieser Ansicht sehen in § 1023 BGB (ausschließlich) eine besondere Ausprägung des Prinzips der schonenden Rechtsausübung - mithin einen Ausfluss der Rechte des Eigentümers aus § 1020 BGB (RGRK/Busch, BGB, 3. Aufl., § 1023 Rn. 2; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Bearbeitung, § 107 II, S. 441; Staudinger/Ring, BGB [1981], § 1023 Rn. 1; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 1023 Rn. 1; so auch Goldmann/Lilienthal, BGB, Bd. II Sachenrecht, § 56 II 1 c, S. 390; Meisner/Stern/Hodes, Nachbarrecht im Bundesgebiet (ohne Bayern), 5. Aufl., § 31 VI, S. 646).

17bb) Nach der Gegenmeinung kann sich ein Anspruch des Dienstbarkeitsberechtigten auf Verlegung der Ausübung aus einer entsprechenden Anwendung des § 1023 BGB (MünchKomm-BGB/Joost, 6. Aufl., § 1023 Rn. 7; Bamberger/Roth/Wegmann, BGB, 3. Aufl., § 1023 Rn. 10 und bereits Weimar, JW 1933, 189) bzw. aus § 242 BGB (Staudinger/Mayer, BGB [2009], § 1023 Rn. 7; Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl., § 1023 Rn. 3; RGRK/Rothe, BGB, 12. Aufl., § 1023 Rn. 3; Erman/Grziwotz, BGB, 13. Aufl., § 1023 Rn. 2; PWW/Prütting, BGB, 9. Aufl. § 1023 Rn. 4, die Anspruchsgrundlage offen lässt NK-BGB/Otto, 3. Aufl., § 1023 BGB Rn. 1, 30; vgl. auch BayObLGZ 62, 24, 35 zu einer Gemeindeservitut alten Rechts) ergeben. § 1023 BGB sei Ausdruck des Gebots der schonenden Rechtsausübung (§ 1020 BGB), wie aber auch des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme, das auf dem zwischen den Beteiligten bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnis bei einer Grunddienstbarkeit basiere (MünchKomm-BGB/Joost, 6. Aufl., § 1023 Rn. 1; Staudinger/Mayer, BGB [2009], § 1023 Rn. 1; NK-BGB/Otto, 3. Aufl., § 1023 Rn. 1, 30; so auch OLG Koblenz, NJW-RR 2014, 401, 402; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 8. Aufl., § 121 IV 3 Rn. 21; juris-PK/Münch, 7. Aufl., § 1023 Rn. 7).

18cc) Richtigerweise scheidet eine entsprechende Anwendung von § 1023 BGB auf den Dienstbarkeitsberechtigten aus, wenn die Ausübungsstelle - wie hier - rechtsgeschäftlich zum Inhalt der Dienstbarkeit gemacht worden ist.

19(1) Die Ausübung einer Dienstbarkeit, die auf dem gesamten dienenden Grundstück lastet, kann auf den realen Teil des Grundstücks beschränkt werden. Dabei steht es grundsätzlich im Belieben der Beteiligten, ob sie die Bestimmung des Ausübungsorts der tatsächlichen Ausübung überlassen oder rechtsgeschäftlich zum Inhalt der Dienstbarkeit machen (Senat, Beschluss vom - V ZB 8/83, BGHZ 90, 181, 183). Im zuletzt genannten Fall ist die Vereinbarung als Inhaltsbestimmung in das Grundbuch einzutragen. Eine Verlegung der Ausübungsstelle erfordert dann eine dingliche Einigung (§§ 873, 877 BGB) über die Änderung des Inhalts der Dienstbarkeit und deren Eintragung in das Grundbuch (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 140/04, NJW-RR 2006, 237 Rn. 15; Beschluss vom - V ZB 8/83, BGHZ 90, 181, 183; Urteil vom - V ZR 237/73, WM 1976, 274, 275). Die Vorschrift des § 1023 BGB, bei der es sich um einen besonderen Anwendungsfall der Schonpflicht aus § 1020 BGB handelt (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 176/57, LM § 242 (D) BGB Nr. 31), sieht einen Verlegungsanspruch auch für den Fall vor, dass die Ausübungsstelle rechtsgeschäftlich bestimmt und damit Inhalt der Dienstbarkeit geworden ist (§ 1023 Abs. 1 Satz 2 BGB). Sie legt dem Dienstbarkeitsberechtigten also nicht nur eine Änderung des tatsächlichen Verhaltens auf dem dienenden Grundstück auf, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit an der bisherigen Stelle für den Eigentümer besonderes beschwerlich ist, sondern kann auch seine Verpflichtung begründen, an einer Inhaltsänderung der Dienstbarkeit mitzuwirken (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 237/73, WM 1976, 274, 275; RGRK-BGB/Rothe, 12. Aufl., § 1023 Rn. 4).

20(2) Eine Grundlage, auch den Dienstbarkeitsverpflichteten in bestimmten Fällen zu einer Inhaltsänderung des Rechts zu zwingen, bietet § 1023 BGB indessen nicht.

21(a) Es fehlt bereits an der für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift notwendigen planungswidrigen Regelungslücke (vgl. hierzu allgemein , BGHZ 170, 187 Rn. 15). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass dem Berechtigten, der einem Anspruch des Verpflichteten auf Verlegung eines vereinbarten Ausübungsorts ausgesetzt ist, eine Dienstbarkeit anderen Inhalts „aufgedrängt“ wird, und hat den Vorgang als „zivilrechtliche Zwangsenteignung“ bezeichnet (vgl. Motive III, S. 485 = Mugdan, Materialien, Bd. III, S. 270; Protokolle II, S. 314 ff. = Mugdan, Materialien, Bd. III. S. 735 ff.). Dies lässt den Ausnahmecharakter der Vorschrift erkennen und damit den Schluss zu, dass der Verlegungsanspruch bewusst nur für den Eigentümer geschaffen worden ist.

22(b) Darüber hinaus fehlt es, wenn eine bestimmte Ausübungsstelle Inhalt der Dienstbarkeit geworden ist, an hinreichenden sachlichen Gründen für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift. Das Interesse des Berechtigten an einer Ausübung der Dienstbarkeit ohne Beschwernisse rechtfertigt es nicht, deren Inhalt zu verändern. Ist ein bestimmter Ausübungsort Inhalt der Dienstbarkeit geworden, kann und muss er sich darauf einrichten, dass ein weitergehendes Recht zur Nutzung des dienenden Grundstücks als aus dem Grundbuch ersichtlich nicht besteht. Auf der anderen Seite muss sich der Eigentümer, der eine inhaltlich beschränkte Dienstbarkeit bewilligt hat, darauf verlassen können, dass die Beschränkung grundsätzlich Bestand hat. Deren Wirkungen (vgl. z.B. § 1026 BGB) dürfen nicht durch einen Verlegungsanspruch des Berechtigten unterlaufen werden. Entsprechendes gilt für etwaige Rechtsnachfolger; auch ihr Vertrauen darauf, dass das Grundbuch die Ausübungsstelle der Dienstbarkeit verlässlich wiedergibt, ist grundsätzlich schutzwürdig.

23(3) Das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme, aus dem ein Verlegungsanspruch des Dienstbarkeitsberechtigten entsprechend § 1023 BGB teilweise hergeleitet wird (siehe oben zu II. 3. b bb), vermag eine Inhaltsänderung der Dienstbarkeit gegen den Willen des Dienstbarkeitsverpflichteten nicht zu rechtfertigen. Der Senat hat bereits entschieden, dass das Begleitschuldverhältnis, welches als gesetzliche Folge der Bestellung einer Dienstbarkeit zwischen den Parteien entsteht (Senat, Urteil vom - V ZR 111/84, BGHZ 95, 144, 146 f.) und eine Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme begründet, schon vom gedanklichen Ansatz her nicht zu einer Änderung des Inhalts der Dienstbarkeit verpflichten kann, da sich die Pflichten nach Inhalt und Zweck der Dienstbarkeit bestimmen (Senat, Urteil vom - V ZR 164/07, NJW 2008, 3703 Rn. 17). Dies muss in gleicher Weise für einen unmittelbar aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme abgeleiteten Verlegungsanspruch gelten.

24dd) Ob und unter welchen Voraussetzungen der Dienstbarkeitsberechtigte in besonders gelagerten Ausnahmefällen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) doch einmal die Veränderung eines rechtsgeschäftlich bestimmten Ausübungsbereichs einer Dienstbarkeit verlangen kann, bedarf keiner Entscheidung. In Betracht käme dies jedenfalls nur unter der Voraussetzung, dass die Ausübung der Dienstbarkeit an der bisher vorgesehenen Stelle aufgrund nachträglich eingetretener, nicht auf einer willkürlichen Benutzungsänderung (vgl. dazu Senat, Urteil vom - V ZR 301/97, NJW-RR 1999, 166, 167) beruhender Umstände für den Dienstbarkeitsberechtigten mit unzumutbaren Nachteilen verbunden ist. Bereits hieran fehlt es. Die Revision räumt ein, dass die Erschwernisse, die eine Ausübung der Dienstbarkeit an der vereinbarten Stelle entlang der Grundstücksgrenze mit sich bringt, von Anfang an bestanden haben. Dann ist es aber nicht unbillig, wenn sich die Kläger an dem vereinbarten Inhalt der Dienstbarkeit festhalten lassen müssen.

III.

25Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
NJW 2015 S. 1750 Nr. 24
WM 2015 S. 1430 Nr. 30
VAAAE-88623