Instanzenzug: S 6 KR 1304/10
Gründe:
I
1Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin leidet nach ihren Angaben an 21-Hydroxylase-Mangel bei adrenogenitalem Syndrom mit Salzverlust. Sie ist beim SG und LSG mit ihrem jetzt noch verfolgten Begehren ohne Erfolg geblieben, von der Beklagten Kosten erstattet zu erhalten für die Versorgung mit dem privatärztlich als Rezeptur für Fälle drohender Stoffwechselentgleisung verordneten Arzneimittel Rectodelt 30 mg, und zwar für die Zukunft und für die Vergangenheit in Höhe von 65 Euro für die am eingelöste privatärztliche Verordnung vom . Das LSG hat zur Begründung der Berufungszurückweisung - teilweise unter Bezugnahme auf das klageabweisende ua ausgeführt, die Klage sei lediglich hinsichtlich des Begehrens der Erstattung von 35 Euro in der Vergangenheit entstandener Kosten zulässig. Allein dies habe die Klägerin im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren beantragt. Die Voraussetzungen des zulässig geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs für die Vergangenheit (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V) seien nicht erfüllt. Die Versorgung der Klägerin sei nicht unaufschiebbar gewesen. Es fehle jeder Anhaltspunkt dafür, dass sich die Klägerin vor der Selbstbeschaffung nicht bei der Beklagten über Alternativen hätte informieren können. Die Klägerin habe vor der Selbstbeschaffung auch nicht die Entscheidung der Beklagten abgewartet (Beschluss vom ).
2Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Beschluss.
II
3Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und des Verfahrensfehlers.
41. Wer sich - wie hier die Klägerin - auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Daran fehlt es.
5Die Klägerin formuliert zwar die Rechtsfrage:
"Gelten für ein früher als Fertigarzneimittel hergestelltes Medikament, das lebensnotwendig sein kann, die Grundsätze für die Kostenübernahme des Off-Label-Use bzw. des § 2 Abs 1a SGB V, wenn dieses nun nicht mehr als Fertigarzneimittel hergestellt wird, sondern nur noch als Rezepturarzneimittel zur Verfügung steht?"
6Der erkennende Senat lässt die Frage offen, ob die Klägerin hiermit eine Rechtsfrage klar formuliert. Er entnimmt der Beschwerdebegründung, dass die Klägerin selbst nicht in Zweifel zieht, dass auf die bezeichnete Fallkonstellation jedenfalls die Grundsätze des § 2 Abs 1a SGB V für die Kostenübernahme anwendbar sein können, wie es den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung des erkennenden Senats entspricht (vgl zB BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 18). Sinngemäß geht es der Klägerin um die Geltung der Grundsätze des Off-Label-Use für die Kostenübernahme für die von ihr bezeichnete Fallkonstellation. Die Klägerin legt diesbezüglich aber die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht hinreichend dar. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt ist" (BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6 und § 160a Nr 21 S 38; - RdNr 7; - Juris RdNr 7). Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann dennoch klärungsbedürftig sein, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 mwN), was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zum Ganzen auch - Juris RdNr 7). Jedenfalls dann, wenn eine bereits erfolgte Klärung der Rechtsfrage durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ernsthaft in Betracht kommt, muss sich der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdebegründung hiermit auseinandersetzen und darlegen, dass dennoch Klärungsbedarf besteht. Daran fehlt es.
7Die Klägerin legt nicht dar, dass nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu Rezepturarzneimitteln noch Klärungsbedarf besteht (vgl zB zu den Grundsätzen BSGE 104, 160 = SozR 4-2500 § 13 Nr 22, RdNr 18 - Orthomol vision diabet; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 47 - Lorenzos Öl, beide mwN). Die Klägerin legt auch nicht dar, dass der zitierten Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird noch dass gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden. Sie setzt sich hiermit überhaupt nicht auseinander.
82. Die Klägerin bezeichnet auch einen Verfahrensmangel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht ausreichend. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf stützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), muss zur Bezeichnung des Verfahrensmangels die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Er hat zudem darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils oder Beschlusses besteht (vgl zB - Juris RdNr 4; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36). Die Klägerin legt in ihrem Beschwerdevorbringen einen Verfahrensmangel nicht in diesem Sinne dar.
9Die Klägerin rügt als Verfahrensfehler zunächst, das LSG sei verfahrensfehlerhaft Hinweisen nicht nachgegangen, dass am ein Notfall vorgelegen habe, der eine sofortige Beschaffung des Medikaments erforderte. Sie legt aber nicht dar, dass es hierauf - ausgehend von der materiellen Rechtsansicht des LSG, maßgeblich sei der Zeitpunkt der Kenntnis der Klägerin von der fehlenden Verfügbarkeit des Mittels Rectodelt 30 mg als Fertigarzneimittel - ankommt.
10Die Klägerin rügt als weiteren Verfahrensfehler, der auf die Zukunft gerichtete Kostenübernahmeantrag sei nicht unzulässig gewesen. Sie legt aber die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen nicht hinreichend substantiiert dar. Hierzu hätte sie in Auseinandersetzung mit weiteren Umständen wie dem Wortlaut des Ursprungsantrags und der Widerspruchsbegründung der Klägerin näher darlegen müssen, wieso der von ihr wiedergegebene Textausschnitt der Begründung des Widerspruchsbescheides zur Annahme zwingt, der Widerspruchsausschuss habe nicht nur über den auf die Vergangenheit bezogenen, sondern über einen auf die Zukunft gerichteten Kostenübernahmeantrag entschieden.
113. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
124. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstelle(n):
HAAAE-88282