Verfahrensrüge der Ablehnung eines Beweisantrags als Beweisermittlungsantrag: Notwendiger Vortrag zu unzureichenden Bemühungen des Tatrichters zur Ermittlung der ladungsfähigen Anschrift eines Zeugen
Gesetze: § 244 Abs 3 StPO, § 344 Abs 2 StPO
Instanzenzug: LG Bielefeld Az: 4 KLs 27/14
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen unerlaubter Einfuhr und unerlaubten Handeltreibens, jeweils von bzw. mit einer nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln, zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision. Diese hat zum Schuldspruch teilweise Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Die Verfahrensrügen haben aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom dargelegten Gründen keinen Erfolg. Ergänzend zu den dortigen Ausführungen bemerkt der Senat:
3Maßgeblich für die Ablehnung eines Beweisantrags oder eines Beweisermittlungsantrags sind jedenfalls bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art nur die im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts bekannten Umstände (vgl. Niemöller in Festschrift Hamm, 2008, S. 538 ff. mwN). Da dem Landgericht die ladungsfähige Anschrift des in dem "Beweisantrag" benannten Zeugen, dessen Anschrift das Gericht ermitteln sollte, aber trotz der bis dahin unternommenen Bemühungen nicht bekannt war, durfte es den "Beweisantrag" ablehnen und hat dies mit rechtlich nicht zu beanstandender Begründung getan. Macht der Revisionsführer daraufhin - wie hier - geltend, dass die Bemühungen des Tatrichters zur Ermittlung der ladungsfähigen Anschrift des Zeugen unzureichend waren, muss er vortragen, welche Handlungen der Strafkammer er vermisst und dass diese ein bestimmtes, für den Revisionsführer positives Ergebnis erbracht hätten (vgl. , NStZ 2010, 403, 404). Daran fehlt es hier. Zwar ist die von der Revision vorgelegte, nähere Angaben zu der polizeilichen Vertrauensperson verweigernde "Sperrerklärung" erst nach Erlass des angefochtenen Urteils beim Landgericht eingegangen; auch sie belegt aber, dass die Behörden, denen die Identität und die ladungsfähige Anschrift der Vertrauensperson bekannt waren, zu deren Preisgabe nicht bereit waren. Welche anderweitigen Möglichkeiten das Landgericht noch hatte, um die Anschrift des Zeugen zu ermitteln, legt die Revision nicht in der erforderlichen konkreten Weise dar.
4Die sich ebenfalls auf die Vernehmung der polizeilichen Vertrauensperson beziehende Rüge der Verletzung des § 250 StPO ist schon deshalb erfolglos, weil nicht der Unmittelbarkeitsgrundsatz, sondern allenfalls die Aufklärungspflicht die Erhebung des sachnäheren Beweises gebietet (vgl. , NStZ 2004, 50; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 250 Rn. 15 mwN). Eine zulässige Aufklärungsrüge hat die Revision jedoch auch insofern nicht erhoben.
52. Die Sachrüge hat dagegen teilweise Erfolg. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen ist der Angeklagte nicht Täter, sondern Gehilfe der Einfuhr und des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.
6a) Der Tatbestand der Einfuhr erfordert zwar keinen eigenhändigen Transport des Betäubungsmittels über die Grenze. Mittäter einer Einfuhr im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB kann ein Beteiligter deshalb auch dann sein, wenn das Rauschgift von einer anderen Person in das Inland verbracht wird. Voraussetzung dafür ist nach den auch hier geltenden Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts aber ein die Tatbegehung objektiv fördernder Beitrag, der sich als ein Teil der Tätigkeit aller darstellt und der die Handlungen der anderen als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheinen lässt. Ob dies gegeben ist, hat der Tatrichter auf der Grundlage einer umfassenden wertenden Betrachtung festzustellen; von besonderer Bedeutung sind dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt bei allen diesen Merkmalen ist der Einfuhrvorgang selbst (zum Ganzen mwN).
7Entsprechendes gilt für das Handeltreiben. Auch für denjenigen, der ein Betäubungsmittelgeschäft lediglich vermittelt (vgl. , StraFo 2012, 423) oder auf ähnliche Weise fördert, wird daher mittäterschaftliches Handeltreiben vor allem dann in Betracht kommen, wenn er gerade für das Handeltreiben erhebliche Tätigkeiten entfaltet, etwa am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll ( mwN).
8b) Daran gemessen rechtfertigen die Feststellungen des Landgerichts die Annahme jeweils einer Beihilfe des Angeklagten zur Einfuhr und zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
9Denn er vermittelte dem Mitangeklagten A. Ki. lediglich die polizeiliche Vertrauensperson, die A. Ki. anschließend mit dem verdeckten Ermittler als Interessenten und schließlich Ankäufer des Kokains und Marihuanas bekannt machte. Ferner war er zwar bei den Treffen zwischen diesen teilweise anwesend, einen eigenen Einfluss auf die angefragten Mengen und deren Preise hatte er aber nicht; vielmehr beteiligte er sich an diesen Gesprächen nicht (UA S. 16, 21) bzw. wurden diese "unter vier Augen" zwischen A. Ki. und dem verdeckten Ermittler geführt (UA S. 19). Für seine Mitwirkung erhoffte er sich eine Provision, jedoch war deren Höhe unbestimmt (UA S. 15); eine Gewinnbeteiligung sollte er nicht erhalten (UA S. 40). Auch seine Rolle bei der Übergabe der Betäubungsmittel beschränkte sich auf deren weisungsgemäße Aushändigung auf einem Parkplatz, während A. Ki. und der verdeckte Ermittler in unmittelbarer Nähe warteten (UA S. 23). Vor diesem Hintergrund war der Angeklagte K. nicht Mittäter, sondern lediglich Gehilfe des Handeltreibens (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 274/12; vom - 4 StR 20/14). Entsprechendes gilt für seine Beteiligung an der Einfuhr der Drogen.
10c) Der Senat schließt angesichts der sorgfältigen und ersichtlich umfassenden Beweisaufnahme aus, dass nach einer Aufhebung und Zurückverweisung weitere, einen Schuldspruch wegen täterschaftlicher Einfuhr und Handeltreibens tragende Feststellungen getroffen werden können. Er stellt daher selbst den Schuldspruch um. Eines Hinweises hierauf bedurfte es nicht, da sich der Angeklagte gegen den Vorwurf der Beihilfe zur Einfuhr und zum Handeltreiben nicht anders als geschehen hätte verteidigen können; er war hinsichtlich des äußeren Tatgeschehens ohnehin überwiegend geständig (UA S. 26).
11d) Der Senat kann angesichts der Besonderheiten des Falles ebenfalls ausschließen, dass der Tatrichter im Falle einer Verurteilung wegen Beihilfe statt wegen Täterschaft bei der Einfuhr und dem Handeltreiben eine geringere Strafe verhängt hätte als geschehen. Denn für das Landgericht waren sowohl bei der Strafrahmenbestimmung als auch der konkreten Strafzumessung die "untergeordnete Rolle" des Angeklagten K. und dessen "Anstoß zur Tatbegehung" durch die Kontaktvermittlung (mit-)bestimmend dafür, trotz der Mengen und der Wirkstoffgehalte (1.997 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von über 80 % sowie 4.984 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mehr als 16 %) die angesichts der Beteiligungshandlungen des Angeklagten K. maßvolle Strafe von drei Jahren und sechs Monaten zu verhängen.
123. Eine Kostenteilung wegen des Teilerfolges des Rechtsmittels des Angeklagten ist nicht geboten (§ 473 Abs. 1 und Abs. 4 StPO; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 473 Rn. 25a mwN).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender
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Fundstelle(n):
VAAAE-88208