Deliktische Schadensersatzklage wegen Untreue: Voraussetzungen einer sekundären Darlegungslast des Beklagten
Leitsatz
1. Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei kann eine sekundäre Darlegungslast treffen, wenn die nähere Darlegung der primär darlegungsbelasteten Partei nicht möglich oder zumutbar ist, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen.
2. Diese Grundsätze gelten auch bei Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung eines strafrechtlichen Schutzgesetzes. Dabei spielt keine Rolle, ob ein entsprechender Auskunftsanspruch gegen den Schädiger besteht.
Gesetze: § 138 ZPO, § 823 Abs 2 BGB, § 266 Abs 1 StGB
Instanzenzug: Az: 26 U 180/11vorgehend Az: 31 O 22/11
Tatbestand
1Die Beklagten sind Geschäftsführer der inzwischen insolventen W. N. Grundstücks- und Vermögensverwaltungen GmbH (im Folgenden: N-GmbH), die Kläger Rechtsnachfolger der im September 2006 verstorbenen D. S. (im Folgenden: Erblasserin). Von 1997 bis 2006 verwaltete die N-GmbH acht im Allein- beziehungsweise Miteigentum der Erblasserin stehende Grundstücke. Die N-GmbH überwies von den für die Erblasserin geführten Konten auf Veranlassung der Beklagten in den Jahren 2003 bis 2007 insgesamt 300.528,66 € und führte bei ihr eingegangene Zahlungen von Mietern der Erblasserin in Höhe von weiteren 53.855,07 € nicht an die Erblasserin ab.
2In zwei vorangegangenen Verfahren nahm die N-GmbH die Kläger erfolglos auf Ersatz von im Rahmen der Grundstücksverwaltung getätigten Aufwendungen in Anspruch.
3Die Kläger machen geltend, bei den im Namen der N-GmbH überwiesenen bzw. einbehaltenen Geldbeträgen habe es sich um rechtswidrige Entnahmen bzw. Verrechnungen gehandelt. Mit ihrer Klage begehren sie Ersatz dieser Beträge sowie vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.
4Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Kläger zurückgewiesen. Mit den vom erkennenden Senat zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
Gründe
I.
5Das Berufungsgericht hat - soweit im Revisionsverfahren von Interesse - ausgeführt:
6Den Klägern stehe ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 StGB nicht zu. Aus den unstreitigen Tatsachen ergebe sich nicht, dass die Beklagten als Geschäftsführer der N-GmbH die ihnen durch den Hausverwaltervertrag vom eingeräumte Vermögensbetreuungspflicht verletzt hätten. Auch treffe die Beklagten keine sekundäre Darlegungslast dahingehend, im Einzelnen darzutun, welche zu erstattenden Aufwendungen die N-GmbH aus eigenen Mitteln getätigt habe. Anders als bei der Geltendmachung von Schadensersatz wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten führe eine allgemeine sekundäre Darlegungslast bei einem Schadensersatzanspruch, der auf die Verletzung strafrechtlicher Normen gestützt werde, dazu, dass der mutmaßliche Schädiger letztlich einen Entlastungsbeweis zu führen habe. Bei nicht ausreichender Tatsachengrundlage obläge es ihm nämlich darzutun, dass ein Straftatbestand nicht verwirklicht sei. Die Geltendmachung eines deliktischen Schadensersatzanspruchs wegen Untreue diene aber nicht dazu, auf diese Weise letztlich eine Auskunft und Abrechnung über die Vermögensverwaltung zu erhalten und darauf dann etwaige deliktische Ansprüche zu stützen. Zudem setze ein auf die Verletzung von § 266 Abs. 1 StGB gestützter Schadensersatzanspruch voraus, dass die Beklagten - was von den Klägern zu beweisen sei - vorsätzlich gehandelt hätten. Der Umstand, dass die N-GmbH in den Vorverfahren Aufwendungen dargelegt habe, die sie aus eigenen Mitteln erbracht habe, spreche dafür, dass die Beklagten sich als berechtigt angesehen hätten, entsprechende Entnahmen und Einbehalte vorzunehmen. Schließlich fehle es am Nachweis eines konkret bezifferbaren Schadens. Ein solcher liege nämlich dann nicht vor, wenn die von der N-GmbH verrechneten Aufwendungen tatsächlich den Grundstücken der Erblasserin wirtschaftlich zugeflossen seien und deren Werterhalt gedient hätten.
II.
7Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Annahme des Berufungsgerichts, ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 StGB scheide aus, beruht auf Rechtsfehlern.
81. Mit der Begründung des Berufungsgerichts lässt sich die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB durch die Beklagten nicht verneinen.
9a) Noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Beklagten eine Vermögensbetreuungspflicht i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB traf. Dass der Hausverwaltervertrag nicht zwischen der Erblasserin und den Beklagten persönlich, sondern zwischen der Erblasserin und der N-GmbH bestand, ist dabei unerheblich. Denn nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist die Vorschrift des § 266 StGB in Ansehung der primär die N-GmbH treffenden Vermögensbetreuungspflicht auch auf die Beklagten als deren Geschäftsführer anzuwenden.
10b) Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht allerdings an, die Beklagten treffe deshalb keine sekundäre Darlegungslast bezüglich der die einzelnen Entnahmen bzw. Verrechnungen rechtfertigenden Umstände, weil es sich bei § 266 StGB um eine strafrechtliche Norm handle.
11Grundsätzlich muss zwar der Kläger alle Tatsachen behaupten und beweisen, aus denen sich sein Anspruch herleitet. Stützt er sich auf eine deliktische Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes, so hat er prinzipiell alle Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die Verwirklichung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Schutzgesetzes ergibt (, BGHZ 100, 190, 195 mwN; vom - VI ZR 367/09, VersR 2011, 1276 Rn. 13; vom - VI ZR 350/00, VersR 2002, 321; vom - VI ZR 388/97, VersR 1999, 774, 775). In bestimmten Fällen ist es aber Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern. Eine solche sekundäre Darlegungslast, die die Verteilung der Beweislast unberührt lässt, setzt voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (z.B. , aaO, 195 f.; vom - VI ZR 394/13, VersR 2014, 1018 Rn. 20; vom - VI ZR 350/00, aaO; vom - VI ZR 388/97, aaO; , BGHZ 140, 156, 158). Diese Grundsätze kommen insbesondere bei Schadensersatzansprüchen zur Geltung, die aus der Veruntreuung anvertrauter Gelder hergeleitet werden (, aaO; vom - VI ZR 282/85, aaO). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts spielt dabei weder eine Rolle, dass es sich bei dem als verletzt in Rede stehenden Schutzgesetz des § 266 StGB um eine strafrechtliche Norm handelt, noch, ob ein entsprechender Auskunftsanspruch besteht (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 282/85, aaO).
122. Die angefochtene Entscheidung beruht auf dem dargestellten Fehler.
13a) Der im Streitfall maßgeblichen Frage nach der Berechtigung der von den Beklagten im Namen der N-GmbH vorgenommenen Überweisungen bzw. Verrechnungen liegen auf der Grundlage der berufungsgerichtlichen Feststellungen Vorgänge zugrunde, die sich im Wahrnehmungsbereich beider Beklagten abgespielt haben. Dass die Voraussetzungen einer sekundären Darlegungslast insoweit erfüllt sind, liegt deshalb zumindest nicht fern. Ob und inwieweit die weitere Voraussetzung für die Annahme einer sekundären Darlegungslast, nämlich die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit weiterer Darlegungen für die primär darlegungsbelasteten Kläger, ebenfalls gegeben ist oder ob und inwieweit die Kläger, etwa aus den der Erblasserin erteilten Abrechnungen oder aus dem Vorprozess, über die für den weiteren Vortrag notwendigen Erkenntnisse verfügen, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben.
14Bei Annahme einer sekundären Darlegungslast obliegt es den Beklagten hinsichtlich jeder einzelnen von der Darlegungslast betroffenen Überweisung bzw. Verrechnung - konkret und schlüssig - die Tatsachen vorzutragen, aus denen sie die Berechtigung der N-GmbH in der jeweiligen Höhe herleiten. Dies haben sie - entgegen der Annahme der Revisionserwiderung - jedenfalls im vorliegenden Verfahren bislang nicht getan.
15b) Der dargestellte Fehler ist nicht deshalb unerheblich, weil sich das Berufungsgericht auch keine Überzeugung vom Vorliegen des für § 266 StGB erforderlichen Vorsatzes und des ebenfalls erforderlichen Vermögensschadens zu bilden vermochte. Den diesbezüglichen Darlegungen des Berufungsgerichts entziehen die vorstehenden Erwägungen nämlich ebenfalls die Grundlage. Ob die Überweisungen bzw. Verrechnungen zu einem im Rahmen des § 266 StGB relevanten Vermögensschaden geführt haben und ob die Beklagten auch bezüglich der - unterstellten - Pflichtverletzungen vorsätzlich gehandelt haben, lässt sich erst dann abschließend beurteilen, wenn die Beklagten entsprechend der sie ggf. treffenden sekundären Darlegungslast weiter vorgetragen haben und eine danach unter Umständen erforderlich werdende Beweisaufnahme durchgeführt worden ist.
163. Im Übrigen wird das Berufungsgericht im Rahmen der erneuten Befassung auch Gelegenheit haben, das weitere wechselseitige Vorbringen der Parteien in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen.
Galke Diederichsen Pauge
von Pentz Offenloch
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2015 S. 8 Nr. 23
NJW-RR 2015 S. 1279 Nr. 20
WM 2015 S. 743 Nr. 15
ZIP 2015 S. 790 Nr. 16
YAAAE-88191