BGH Beschluss v. - I ZB 10/22

Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken: Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Zustellung an den vom Betreiber des sozialen Netzwerks benannten Zustellungsbevollmächtigten; Umfang der Darlegungslast des Gläubigers zur Wirksamkeit der Zustellung im Rahmen seines Antrags auf Wiederherstellung des entfernten oder gesperrten Inhalts

Leitsatz

1. Für die Frage, ob Zustellungen an den gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 NetzDG benannten Zustellungsbevollmächtigten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG bewirkt werden können, kommt es maßgeblich darauf an, aus welchem Grund vom Anbieter des sozialen Netzwerks die Löschung von Inhalten begehrt wird beziehungsweise aus welchem Grund der Anbieter des sozialen Netzwerks Inhalte gelöscht und/oder Accounts gesperrt hat. Voraussetzung für eine Anwendbarkeit von § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG ist jeweils eine Anknüpfung an rechtswidrige Inhalte im Sinne des § 1 Abs. 3 NetzDG.

2. Der Gläubiger genügt seiner Darlegungslast zur Wirksamkeit einer Zustellung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG, wenn er in der Begründung seines Antrags oder seiner Klage auf Wiederherstellung des entfernten oder gesperrten Inhalts ausreichende Anhaltspunkte dafür darlegt, dass es aus der Sicht eines verständigen Dritten angesichts des konkret entfernten Beitrags sowie der hierauf bezogenen Löschungs- und Sperrmitteilung jedenfalls ernsthaft in Betracht kommt, dass der streitgegenständliche Inhalt von dem Anbieter des sozialen Netzwerks in der Annahme der Verbreitung rechtswidriger Inhalte gelöscht und/oder der Account aus diesem Grund gesperrt worden ist. Der Netzwerkanbieter trägt dann die sekundäre Darlegungslast für seine Behauptung, eine die Zuständigkeit des Zustellungsbevollmächtigten auslösende Annahme der Verbreitung rechtswidriger Inhalte im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG sei nicht Gegenstand des Verfahrens.

Gesetze: § 890 Abs 1 ZPO, § 890 Abs 2 ZPO, § 1 Abs 3 NetzDG, § 1 Abs 4 NetzDG, § 5 Abs 1 S 1 NetzDG, § 5 Abs 1 S 2 NetzDG

Instanzenzug: Az: 15 W 3/22vorgehend Az: 9 O 202/21nachgehend Az: I ZB 10/22 Beschluss

Gründe

1I. Der Gläubiger ist privater Nutzer des von der Schuldnerin betriebenen sozialen Netzwerks …   . Er veröffentlichte auf der Seite seines …   Accounts folgenden Kommentar:

Stefan schön wärs, wer soll denn dann neu ordnen, wer regieren? Die Deutschen sind zu dumm richtig zu wählen.

2Die Schuldnerin löschte diesen Kommentar und sperrte den Account des Gläubigers, indem sie diesen für 30 Tage in den sogenannten "Read-only-Modus" versetzte. In der entsprechenden Mitteilung der Schuldnerin hieß es:

Du kannst für 30 Tage nichts posten oder kommentieren. Du hast etwas gepostet, das gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstößt. Dieser Kommentar verstößt gegen unsere Standards zur Hassrede. Nur du kannst ihn sehen.

3Mit Antrag vom erwirkte der Gläubiger im Verfahren der einstweiligen Verfügung ohne vorherige Anhörung der Schuldnerin einen mit dem der Schuldnerin untersagt wurde, den genannten Kommentar zu löschen und/oder das Profil des Gläubigers wegen dieses Kommentars zeitlich befristet zu sperren.

4Der Gläubiger ließ die Beschlussverfügung der Kanzlei F.               Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB in Berlin (nachfolgend: F.     ) als der von der Schuldnerin benannten inländischen Zustellungsbevollmächtigten nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz zunächst am im Parteibetrieb von Rechtsanwalt zu Rechtsanwalt zustellen. Am wurde der Beschluss im Parteibetrieb per Gerichtsvollzieher zugestellt. F.     , zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Verfahrensbevollmächtigte der Schuldnerin bestellt, wies beide Zustellungen unter Hinweis auf die in diesem Fall nicht eröffnete Zustellungsbevollmächtigung zurück. Der Gläubiger beantragte daneben beim Landgericht die Zustellung am Sitz der Schuldnerin in Irland.

5Der Gläubiger war der von der Schuldnerin veranlassten Sperre seines Accounts für die gesamte Dauer von 30 Tagen ausgesetzt. Der verfahrensgegenständliche Kommentar wurde am wiederhergestellt.

6Das Landgericht hob auf den Widerspruch der Schuldnerin die einstweilige Verfügung mit Urteil vom unter Abweisung des weitergehenden Antrags bezüglich der Untersagung einer Löschung des Kommentars auf und stellte fest, dass sich der Rechtsstreit bezüglich der Untersagung der befristeten Account-Sperre für den Zeitraum ab dem teilweise erledigt habe. Im Übrigen bestätigte es die einstweilige Verfügung. Das Berufungsgericht änderte auf die Berufung des Gläubigers diese Entscheidung mit Urteil vom teilweise ab und erließ die einstweilige Verfügung neu.

7Das Landgericht hat auf den Antrag des Gläubigers vom mit Beschluss vom gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 60.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, verhängt. Der sofortigen Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht nicht abgeholfen. Das Beschwerdegericht hat die angefochtene Entscheidung mit Beschluss vom aufgehoben und den Ordnungsgeldantrag des Gläubigers zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Schuldnerin beantragt, verfolgt der Gläubiger seinen Antrag auf Verhängung eines Ordnungsgelds nicht unter 60.000 € weiter.

8II. Das Beschwerdegericht hat die Zurückweisung des Ordnungsgeldantrags des Gläubigers im Wesentlichen wie folgt begründet:

9Für den Zeitraum der Sperre und der unterbliebenen Wiederherstellung des Beitrags habe es an einer wirksamen Zustellung der Beschlussverfügung gefehlt. F.     sei bei den Zustellungsversuchen im September 2021 noch nicht mit der Vertretung der Schuldnerin beauftragt gewesen. Der Gläubiger habe auch nicht vorgetragen, dass die Zustellung am Sitz der Schuldnerin innerhalb der Sperre bzw. vor Wiederherstellung des Beitrags erfolgt sei. Eine Zustellungsbevollmächtigung von F.     bereits im September 2021 ergebe sich auch nicht aus § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG. Es gehe ausweislich der Löschungs- und Sperrmitteilung sowie des Streits der Parteien nur um die Frage eines Verstoßes gegen die Gemeinschaftsstandards der Schuldnerin und damit um eine rein vertragliche Pflichtverletzung. Entscheidend sei die beanstandete Äußerung und damit der Verfahrensgegenstand, der einer rechtlichen Bewertung zu unterziehen sei, ob er zu den rechtswidrigen Inhalten nach § 1 Abs. 3 NetzDG gehöre. Eine weite Auslegung der Norm durch Erstreckung auf sonstige Inhalte zwecks Erfassung rein vertraglicher Pflichtverletzungen scheide insbesondere unter Berücksichtigung des Herkunftslandprinzips gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt aus. Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 3 NetzDG könnten die Nutzer zudem nach den Vorgaben der europäischen Zustellungsverordnung eine Auslandszustellung im Parteiwege in Irland betreiben.

10III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch ansonsten zulässig (§ 575 ZPO). Sie hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

111. Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen, so ist er nach § 890 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 ZPO wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen.

122. Die durch die Beschlussverfügung des titulierte Verpflichtung der Schuldnerin, es zu unterlassen, den oben wiedergegebenen Kommentar des Gläubigers von der Plattform www. …  .com zu löschen und/oder den Gläubiger wegen dieses Kommentars zeitlich befristet durch Versetzen des Profils in den sogenannten "Read-only-Modus" zu sperren, wie dies am geschehen ist, stellt eine Verpflichtung im Sinne von § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO dar, eine Handlung zu unterlassen.

133. Es liegt auch nach wie vor der für die Festsetzung von Ordnungsmitteln erforderliche Titel vor.

14a) Wird ein Titel nach einer Zuwiderhandlung gänzlich aufgehoben oder fällt er ohne gerichtliche Entscheidung uneingeschränkt fort, ist die Festsetzung von Ordnungsmitteln auch für zuvor begangene Zuwiderhandlungen ausgeschlossen (vgl. , BGHZ 156, 335 [juris Rn. 30] - Euro-Einführungsrabatt; Bartels in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 890 Rn. 28; Zöller/Seibel, ZPO, 34. Aufl., § 890 Rn. 11, jeweils mwN). Wird der Titel dagegen nur insoweit aufgehoben, als er über den Zeitpunkt des Anspruchserlöschens hinausreicht, bleibt die Vollstreckbarkeit bezüglich früher begangener Zuwiderhandlungen erhalten (zur zeitlich beschränkten übereinstimmenden Erledigungserklärung vgl. BGHZ 156, 335 [juris Rn. 34 bis 38] - Euro-Einführungsrabatt; zur einseitigen Erledigungserklärung vgl. , WRP 2012, 829 [juris Rn. 10]; zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung vgl. KG, NJW-RR 2004, 68, 69; allgemein dazu Lackmann in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 890 Rn. 16; Bartels in Stein/Jonas aaO § 890 Rn. 29; Teplitzky/Feddersen, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 57 Rn. 38a). So liegt der Fall hier.

15b) Die Beschlussverfügung wurde nach der behaupteten Zuwiderhandlung nicht gänzlich aufgehoben. Das Landgericht hat sie auf den Widerspruch der Schuldnerin vielmehr nur teilweise wegen der aus seiner Sicht eingetretenen Erfüllung durch die Wiedereinstellung des Kommentars am aufgehoben und zudem festgestellt, dass sich der Rechtsstreit bezüglich der Untersagung der befristeten Account-Sperre für den Zeitraum ab dem teilweise erledigt habe. Im Übrigen hat es die einstweilige Verfügung unter Korrektur des Datums des Kommentars bestätigt und die Teilaufhebung damit eindeutig auf den Zeitraum nach Freischaltung des Accounts des Gläubigers und Wiedereinstellung seines Kommentars begrenzt. Für die behauptete Zuwiderhandlung während des Zeitraums der Account-Sperre und der Entfernung des Kommentars hat es die Verfügung bestätigt und wollte sie ersichtlich als Vollstreckungstitel erhalten.

16Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung ist die einstweilige Verfügung auch nicht durch das Berufungsurteil vom dahingehend beschränkt worden, dass sie von Beginn an allein die zukünftige Unterlassung der beanstandeten Handlungen umfasste. Das Berufungsgericht hat sich aufgrund des Zeitablaufs im Berufungsurteil zwar nur noch mit dem in die Zukunft gerichteten Unterlassungsgebot befasst. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs nicht nur alles unterlassen muss, was zu einer Verletzung führen kann, sondern auch alles tun muss, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige oder andauernde Verletzungen zu verhindern oder rückgängig zu machen (vgl. , GRUR 2014, 595 [juris Rn. 26] = WRP 2014, 587 - Vertragsstrafenklausel). Eine Unterlassungsverpflichtung erschöpft sich insbesondere dann nicht in einem bloßen Nichtstun, sondern umfasst auch die Pflicht zur Vornahme von Handlungen zur Beseitigung eines zuvor geschaffenen Störungszustands, wenn dem Unterlassungsgebot allein dadurch entsprochen werden kann. Dies ist etwa der Fall, wenn - wie hier - die Nichtbeseitigung des Verletzungszustands gleichbedeutend mit der Fortsetzung der Verletzungshandlung ist (vgl. , GRUR 2018, 423 [juris Rn. 22] = WRP 2018, 434 - Klauselersetzung, mwN).

174. Die nach § 890 Abs. 2 ZPO vor der Verhängung eines Ordnungsmittels erforderliche Androhung von Ordnungsmitteln war in der Beschlussverfügung vom enthalten.

185. Die einstweilige Verfügung vom war mit ihrem Erlass und damit zur Zeit der geltend gemachten Zuwiderhandlung auch unbedingt vollstreckbar. Hierzu bedurfte es nach der Natur der Sache keines besonderen Ausspruchs in der Entscheidung (vgl. , GRUR 2018, 292 [juris Rn. 14] mwN = WRP 2018, 473). Auch eine Vollstreckungsklausel ist regelmäßig entbehrlich (vgl. § 929 Abs. 1 in Verbindung mit § 936 ZPO).

196. Der Gläubiger hat mit Schriftsatz vom beim Landgericht als Prozessgericht erster Instanz einen Ordnungsmittelantrag wegen der zu dieser Zeit andauernden Sperrung seines Accounts und des noch nicht wiederhergestellten Beitrags gestellt.

207. Die Begründung, mit der das Beschwerdegericht angenommen hat, es fehle an einer wirksamen Zustellung der Beschlussverfügung, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

21a) Die vom Gläubiger gemäß § 890 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 ZPO gerügte Zuwiderhandlung muss zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem der Schuldner das durch die einstweilige Verfügung verhängte Verbot beachten muss. Eine im Beschlusswege ergangene einstweilige Verfügung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der förmlichen Zustellung im Parteibetrieb nach § 922 Abs. 2 ZPO binnen der einmonatigen Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 Satz 1 Fall 2, § 936 ZPO. Eine nicht wirksame einstweilige Verfügung braucht der Schuldner nicht zu beachten (vgl. , GRUR 2015, 196 [juris Rn. 17] = WRP 2015, 209 - Nero; Beschluss vom - I ZB 118/15, GRUR 2017, 318 [juris Rn. 13] = WRP 2017, 328).

22b) Gegen die Annahme des Beschwerdegerichts, die späteren Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin seien bei den Zustellungen am 1. und im Parteibetrieb noch nicht für die Schuldnerin bestellt und deshalb jedenfalls kraft Prozessvollmacht nicht zur Annahme der Unterlagen verpflichtet gewesen, wendet sich die Rechtsbeschwerde nicht. Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.

23c) Mit Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde aber gegen die Begründung des Beschwerdegerichts, mit der es eine Zustellungsbevollmächtigung von F.     gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG für die Zustellung im Parteibetrieb Anfang September 2021 abgelehnt hat.

24aa) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 NetzDG haben Anbieter sozialer Netzwerke im Inland einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen und auf ihrer Plattform in leicht erkennbarer und unmittelbar erreichbarer Weise auf ihn aufmerksam zu machen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG in der bis zum geltenden Fassung konnten an diese Person Zustellungen in Verfahren nach § 4 NetzDG [Bußgeldverfahren] oder in Gerichtsverfahren vor deutschen Gerichten wegen der Verbreitung rechtswidriger Inhalte bewirkt werden. Mit dem Gesetz zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes vom (BGBl. I S. 1436) ist die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG ergänzt worden. Nunmehr können an den Zustellungsbevollmächtigten Zustellungen in Bußgeldverfahren und in aufsichtsrechtlichen Verfahren nach den §§ 4 und 4a NetzDG oder in Gerichtsverfahren vor deutschen Gerichten wegen der Verbreitung oder wegen der unbegründeten Annahme der Verbreitung rechtswidriger Inhalte, insbesondere in Fällen, in denen die Wiederherstellung entfernter oder gesperrter Inhalte begehrt wird, bewirkt werden. Das gilt nach der ebenfalls neu gefassten Regelung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 NetzDG auch für die Zustellung von Schriftstücken, die solche Verfahren einleiten, für Zustellungen von gerichtlichen Endentscheidungen sowie für Zustellungen im Vollstreckungs- oder Vollziehungsverfahren. Rechtswidrige Inhalte sind nach § 1 Abs. 3 NetzDG Inhalte im Sinne von § 1 Abs. 1 NetzDG, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b, 185 bis 187, 189, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen und nicht gerechtfertigt sind.

25bb) Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG sei nicht anwendbar, weil Gegenstand des Verfahrens kein "rechtswidriger Inhalt" im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG sei. Bei der von der Schuldnerin gelöschten Äußerung im Profil des Gläubigers handele es sich nicht um einen Inhalt, der einen der in § 1 Abs. 3 NetzDG aufgeführten Tatbestände erfülle. Vielmehr gehe es bei der Äußerung nur um Fragen eines Verstoßes gegen die Gemeinschaftsstandards der Schuldnerin.

26Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, ob der Gläubiger angesichts der Löschungs- und Sperrmitteilung der Schuldnerin habe davon ausgehen müssen oder auch nur können, ihm werde möglicherweise ein unter § 1 Abs. 3 NetzDG zu fassendes strafbares Verhalten vorgeworfen. Daran bestünden schon im Tatsächlichen Bedenken, weil die Mitteilung der Schuldnerin gerade nicht auf ein strafbares Verhalten abstelle, sondern nur ihre Gemeinschaftsstandards in Bezug nehme. Danach könnten gerichtsbekannt auch solche Äußerungen gelöscht werden, die nicht unter § 1 Abs. 3 NetzDG fielen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts rechtfertige allein die Verwendung des Begriffs "Hassrede" keinen Rückschluss auf den Vorwurf eines strafbaren Verhaltens. Letztlich komme es auf diese Frage aber nicht an, weil die Anwendbarkeit von § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG nicht davon abhänge, wie die Löschungsmitteilung der Schuldnerin nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen sei. Vielmehr sei der jeweilige Verfahrensgegenstand und damit die beanstandete Äußerung entscheidend, die einer rechtlichen Bewertung dahingehend zu unterziehen sei, ob sie zu den in § 1 Abs. 3 NetzDG genannten "rechtswidrigen Inhalten" gehöre.

27Auf Verfahren vor deutschen Gerichten, die sich nicht auf solche rechtswidrigen Inhalte, sondern auf sonstige Inhalte bezögen, könne die Zustellungsbevollmächtigung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG jedenfalls mit Blick auf das Herkunftslandprinzip in Art. 3 der Richtlinie 2000/31/EG nicht erstreckt werden.

28Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

29cc) Die Zustellungsbevollmächtigung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG hat von Beginn an jedenfalls Gerichtsverfahren erfasst, in denen der Anbieter eines sozialen Netzwerks auf Beseitigung oder Unterlassung bestimmter rechtswidriger Inhalte in Anspruch genommen wird. Mit der Ergänzung dieser Vorschrift mit Wirkung zum wollte der Gesetzgeber Unsicherheiten beseitigen und klarstellen, dass unter die Vorschrift darüber hinaus - spiegelbildlich - auch Klagen auf Wiederherstellung von gelöschten Inhalten oder - mit der Begründung des Vorliegens rechtswidriger Inhalte - gesperrter Accounts wegen - aus Sicht der Kläger - zu Unrecht als rechtswidrig eingestufter Inhalte fallen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, BT-Drucks. 19/18792, S. 54). Mit der Neufassung von § 5 Abs. 1 Satz 3 NetzDG wurde zudem klargestellt, dass "der Geltungsbereich des Zustellungsbevollmächtigten für Zustellungen in Gerichtsverfahren weit zu verstehen ist" und zum Beispiel auch für die Zustellung von Terminsladungen und für Zustellungen im Vollstreckungs- oder Vollziehungsverfahren gilt (vgl. BT-Drucks. 19/18792, S. 54).

30Für die Frage, ob Zustellungen an den benannten Zustellungsbevollmächtigten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG bewirkt werden können, kommt es danach maßgeblich darauf an, aus welchem Grund vom Anbieter des sozialen Netzwerks die Löschung von Inhalten begehrt wird beziehungsweise aus welchem Grund der Anbieter des sozialen Netzwerks Inhalte gelöscht und/oder Accounts gesperrt hat.

31Voraussetzung für eine Anwendbarkeit von § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG ist dabei jeweils eine Anknüpfung an rechtswidrige Inhalte im Sinne des § 1 Abs. 3 NetzDG. Eine darüberhinausgehende oder analoge Anwendung der Vorschrift zwecks Erstreckung auf sonstige, nicht rechtswidrige Inhalte kommt mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht. Das ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut, der sich ausschließlich auf rechtswidrige Inhalte bezieht, und dem in der Begründung zum Gesetzesentwurf manifestierten gesetzgeberischen Willen. Der Gesetzgeber wollte mit der Neufassung Wiederherstellungsklagen bei zu Unrecht als rechtswidrig eingestuften Inhalten ermöglichen (sog. Put-back-Verfahren) und die Zuständigkeit des Zustellungsbevollmächtigten insoweit klarstellen (BT-Drucks. 19/18792, S. 17 und 54). Es sollte dagegen keine generelle Zustellungsbevollmächtigung losgelöst von rechtswidrigen Inhalten geschaffen werden. Letzteres war im ursprünglichen Entwurf zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz 2017 noch vorgesehen (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks. 18/12356, S. 10 und 27; gleichlautend insoweit der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken, BT-Drucks. 18/12727, S. 9). Hiervon wurde im Gesetzgebungsverfahren jedoch Abstand genommen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drucks. 18/13013, S. 11 und 23). Auf spätere Forderungen, die Zustellungsbevollmächtigung auszuweiten (vgl. zum Beispiel Peukert, MMR 2018, 572, 575 und 578; Höch, NJW 2019, 2625, 2626), ist der Gesetzgeber im Rahmen der Änderung der Vorschrift im Jahr 2020/2021 nicht eingegangen. Der Wortlaut von § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG ist danach auch nach der Neufassung im Jahr 2021 eindeutig und nur auf rechtswidrige Inhalte bezogen. Die Anknüpfung an rechtswidrige Inhalte im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG, also an Straftatbestände, war eine gesetzgeberische Grundsatzentscheidung. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz befasst sich (allein) mit der Bekämpfung von Hasskriminalität und anderer strafbarer Inhalte (vgl. dazu BT-Drucks. 18/12356, S. 11 und 18; 19/18792, S. 16 und 21), nicht jedoch mit reinen Vertragsverstößen.

32dd) Der Gläubiger ist für das Vorliegen der Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen - und damit auch für die wirksame Zustellung einer Beschlussverfügung - nach den allgemeinen Regeln darlegungs- und beweisbelastet (vgl. OLG Köln, Rpfleger 1997, 31 [juris Rn. 9]; Zöller/Seibel aaO § 890 Rn. 13). Das gilt auch für die Voraussetzungen einer Zustellung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG. Dabei greift entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine gesetzliche Vermutung ein (dazu Rn. 33 f.). Zwar finden die für doppelrelevante Tatsachen geltenden Grundsätze keine Anwendung (dazu Rn. 35). Allerdings ist bei den Anforderungen an die Darlegungslast des Gläubigers zu berücksichtigen, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG an Umstände in der Sphäre des Netzwerkanbieters anknüpfen (dazu Rn. 36 bis 39).

33(1) Soweit die Rechtsbeschwerde meint, die in § 1 Abs. 4 NetzDG begründete Vermutung, eine Beanstandung sei im Zweifel als Beschwerde über rechtswidrige Inhalte zu verstehen, müsse für das spiegelbildliche Begehren, einen gelöschten Beitrag wiederherzustellen, ebenfalls gelten, steht dem der Wortlaut von § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG entgegen. Nach § 1 Abs. 4 NetzDG ist eine Beschwerde über rechtswidrige Inhalte jede Beanstandung eines Inhalts mit dem Begehren der Entfernung des Inhalts oder der Sperrung des Zugangs zum Inhalt, es sei denn, dass mit der Beanstandung erkennbar nicht geltend gemacht wird, dass ein rechtswidriger Inhalt vorliegt. Die Vorschrift über den inländischen Zustellungsbevollmächtigten enthält keine entsprechende gesetzliche Vermutung. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG ist für die Zustellung an den inländischen Zustellungsbevollmächtigten vielmehr (allein) maßgeblich, ob Inhalte in der Annahme gelöscht worden sind, es handele sich um die Verbreitung rechtswidriger Inhalte. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzung dahingehend zu verstehen wäre, dass der Grund für die Löschung und/oder Sperrung im Zweifel die (unbegründete) Annahme der Verbreitung rechtswidriger Inhalte war.

34Ob auf die Regelung in § 1 Abs. 4 NetzDG, die erst seit dem in Kraft ist (vgl. Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vom , BGBl. I S. 441, 445 f.), im Streitfall überhaupt zurückgegriffen werden könnte, bedarf hier deshalb keiner Entscheidung.

35(2) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde können auch die bei doppelrelevanten Tatsachen geltenden Grundsätze nicht auf die Prüfung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG übertragen werden. Nach diesen Grundsätzen muss der Kläger oder Antragsteller Tatsachen, die sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit der Klage entscheidend sind, auf der Ebene der Zulässigkeit nicht beweisen; vielmehr reicht insofern schlüssiger Vortrag (vgl. , BGHZ 124, 237 [juris Rn. 16 f.]; Großkomm.UWG/Halfmeier, 3. Aufl., Einleitung Kap. E Rn. 245; ausführlich Roth in Stein/Jonas aaO § 1 Rn. 24 bis 32). Bei der in Streit stehenden Frage, ob die Zustellung einer Beschlussverfügung an den inländischen Zustellungsbevollmächtigten wirksam ist, geht es schon nicht um Tatsachen, die sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit der Klage oder des Antrags entscheidend sind. Es geht auch nicht um dieselben Tatsachen: Für die Frage der Zustellungsmöglichkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG ist die der Löschung und/oder Sperrung zugrundeliegende Annahme des Anbieters des sozialen Netzwerks maßgeblich; für die Begründetheit des Antrags oder der Klage geht es dagegen um die Frage, ob der gelöschte Inhalt (tatsächlich) rechtswidrig im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG ist. Zudem handelt es sich bei der hier streitigen Zustellung um eine Wirksamkeitsvoraussetzung der einstweiligen Verfügung, die zugleich Grundlage der Vollziehung ist (vgl. § 922 Abs. 2, § 929 Abs. 2 ZPO; BeckOK.ZPO/Mayer, 46. Edition [Stand ], § 922 Rn. 11). Diese Voraussetzung kann nicht aufgrund eines bloß schlüssigen Vortrags des Klägers oder Antragstellers als erfüllt angesehen werden.

36(3) Bei der Prüfung der Voraussetzungen von § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG ist jedoch zu berücksichtigen, dass dem Gläubiger die Gründe des Netzwerkanbieters für die Löschung des Inhalts und/oder die Sperre des Accounts nicht ohne weiteres zugänglich sein werden. Das gilt insbesondere, soweit die Mitteilung über eine Löschung und/oder Sperrung keinen (eindeutigen) Schluss auf die zugrundeliegende Motivation erlaubt, weil lediglich ein Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards oder die Nutzungsbedingungen des Netzwerkanbieters geltend gemacht wird und diese Standards oder Bedingungen sich mit "rechtswidrigen Inhalten" im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG teilweise überschneiden.

37Der Grundsatz, dass der Gläubiger das Vorliegen der Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen darlegen und beweisen muss, bedarf hier einer Einschränkung, weil die primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und ihr eine nähere Substantiierung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während die gegnerische Partei alle wesentlichen Tatsachen kennt oder unschwer in Erfahrung bringen kann und es ihr im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zumutbar ist, sich zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern (zur deliktischen Haftung vgl. , NJW-RR 2015, 1279 [juris Rn. 11]; Beschluss vom - VI ZR 634/15, NJW-RR 2016, 1360 [juris Rn. 14] mwN; zur grundsätzlichen Anwendbarkeit in der Zwangsvollstreckung vgl. Stadler in Musielak/Voit aaO § 138 Rn. 1 und 9 mwN; Anders in Anders/Gehle, ZPO, 80. Aufl., § 138 Rn. 7).

38Der Gläubiger genügt seiner Darlegungslast zur Wirksamkeit der Zustellung daher, wenn er in der Begründung seines Antrags oder seiner Klage auf Wiederherstellung des entfernten oder gesperrten Inhalts ausreichende Anhaltspunkte dafür darlegt, dass es aus der Sicht eines verständigen Dritten angesichts des konkret entfernten Beitrags sowie der hierauf bezogenen Löschungs- und Sperrmitteilung jedenfalls ernsthaft in Betracht kommt, dass der streitgegenständliche Inhalt von dem Anbieter des sozialen Netzwerks in der Annahme der Verbreitung rechtswidriger Inhalte gelöscht und/oder der Account aus diesem Grund gesperrt worden ist (zur Darlegungslast bei einer behaupteten Schmiergeldabrede vgl. , NJW 2018, 2412 [juris Rn. 26]). Der Netzwerkanbieter trägt dann die sekundäre Darlegungslast für seine Behauptung, eine die Zuständigkeit des Zustellungsbevollmächtigten auslösende Annahme der Verbreitung rechtswidriger Inhalte im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Genügt der Netzwerkanbieter seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Gläubigers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (vgl. BGH, NJW 2018, 2412 [juris Rn. 30]).

39Ob die gelöschten Inhalte tatsächlich rechtswidrig im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG sind, ist dagegen eine Frage der Begründetheit des Antrags oder der Klage.

40ee) Die Rechtsbeschwerde wendet sich danach mit Erfolg gegen die Annahme des Beschwerdegerichts, die Anwendbarkeit des § 5 NetzDG hänge davon ab, ob die beanstandete Äußerung (tatsächlich) zu den in § 1 Abs. 3 NetzDG genannten rechtswidrigen Inhalten gehöre, was durch eine rechtliche Bewertung der Äußerung festzustellen sei. Diese Auslegung der Vorschrift lässt sich nicht mit der im Gesetz aufgestellten Voraussetzung vereinbaren, dass die Zustellungsbevollmächtigung für Verfahren "wegen der unbegründeten Annahme der Verbreitung rechtswidriger Inhalte" besteht; danach kommt es maßgeblich auf die Gründe für die Löschung des Inhalts und/oder die Sperre des Accounts an. Die Rechtsbeschwerde weist insofern zutreffend darauf hin, dass nach der Auffassung des Beschwerdegerichts § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG dann unanwendbar wäre, wenn die gesetzliche Voraussetzung dieser Vorschrift erfüllt ist und sich die Annahme der Verbreitung rechtswidriger Inhalte - im Rahmen einer vom Beschwerdegericht durchgeführten materiell-rechtlichen Vorabprüfung - als unbegründet erweist. Gerade für solche (begründeten) Wiederherstellungsklagen ist die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG aber ergänzt worden (vgl. BT-Drucks. 19/18792, S. 54).

41IV. Der angefochtene Beschluss ist danach aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Die vom Beschwerdegericht bislang getroffenen Feststellungen erlauben keine abschließende Beurteilung, ob die streitgegenständliche Zustellung in den Anwendungsbereich von § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG fällt.

42V. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

431. Das Beschwerdegericht wird auf die weitere Aufklärung der Frage der wirksamen Zustellung hinwirken und insoweit Feststellungen dazu treffen müssen, ob der Gläubiger in seiner Antragsbegründung ausreichende Anhaltspunkte dafür dargelegt hat, dass es aus der Sicht eines verständigen Dritten angesichts des konkret entfernten Beitrags und der hierauf bezogenen Löschungs- und Sperrmitteilung jedenfalls ernsthaft in Betracht kommt, dass der streitgegenständliche Inhalt von dem Anbieter des sozialen Netzwerks in der Annahme des Vorliegens rechtswidriger Inhalte gelöscht worden ist. Ist das der Fall, trifft die Schuldnerin die sekundäre Darlegungslast dazu, welche Annahme der streitgegenständlichen Löschung und Sperrung zugrunde lag.

44Soweit das Beschwerdegericht in der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, von den Parteien werde nicht geltend gemacht, bei der von der Schuldnerin gelöschten Äußerung des Gläubigers handele es sich um einen Inhalt, der einen in § 1 Abs. 3 NetzDG aufgeführten Tatbestand erfülle und damit als rechtswidriger Inhalt anzusehen sei, reicht dies nicht aus, um eine Anwendbarkeit von § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG zu verneinen. Diese Feststellung trägt insbesondere nicht den Schluss auf (fehlenden) Vortrag des Gläubigers zu den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Gläubiger, der die Wiederherstellung entfernter oder gesperrter Inhalte begehrt, nicht davon ausgeht, bei diesen handele es sich um rechtswidrige Inhalte im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG. Davon zu trennen ist die Frage, ob der Gläubiger Vortrag dazu gehalten hat, dass der Löschung der Inhalte auf Seiten des Netzwerkbetreibers die (unbegründete) Annahme zugrunde lag, es handele sich um die Verbreitung rechtswidriger Inhalte.

452. Kommt das Beschwerdegericht bei der erneuten Prüfung von § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Zustellung an den inländischen Zustellungsbevollmächtigten auch nach den oben dargestellten Maßstäben nicht erfüllt sind, wird es zu prüfen haben, ob dem Antrag des Gläubigers auf Festsetzung eines Ordnungsgelds mit Blick auf die gemäß § 192 Satz 1, § 183 Abs. 1 ZPO am Sitz der Schuldnerin in Irland bewirkte Zustellung - gegebenenfalls teilweise - stattzugeben ist. Die Zustellungsbescheinigung (Certificate of Service of Document) befindet sich bei den Akten.

463. Kommt das Beschwerdegericht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Zustellung an den inländischen Zustellungsbevollmächtigten nach den oben dargestellten Maßstäben erfüllt sind, stellt sich die bereits im angefochtenen Beschluss aufgeworfene Frage, ob § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 NetzDG mit dem Herkunftslandprinzip des Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31/EG vereinbar ist, die zum jetzigen Zeitpunkt noch keiner Entscheidung bedarf.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:101122BIZB10.22.0

Fundstelle(n):
BB 2023 S. 130 Nr. 4
NJW 2023 S. 1290 Nr. 18
NJW 2023 S. 1295 Nr. 18
XAAAJ-30823