Körperverletzung: Gesundheitsbeschädigung durch psychische Einwirkung
Gesetze: § 223 Abs 1 StGB
Instanzenzug: Az: 34 KLs 112 Js 452/13 - 26/14
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten M. "wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung" zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Den Angeklagten C. hat es "wegen schweren Raubes" unter Auflösung einer nachträglich gebildeten Gesamtgeldstrafe und unter "Einbeziehung der Geldstrafe von neunzig Tagessätzen aus dem Strafbefehl des 730 Ds 260 Js 66/13 - 101/13 -" zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel erzielen den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
2Die Verurteilung des Angeklagten M. wegen (tateinheitlich begangener) Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin A. im Fall B.I. der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
31. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe bei dem Überfall auf den Kiosk der Geschädigten G. S. am auch den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt, wird von den Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht getragen.
4a) Als Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden Zustandes anzusehen. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Art und Weise die Beeinträchtigung erfolgt ist (, BGHSt 36, 1, 6). Rein psychische Empfindungen genügen bei keiner Handlungsalternative, um einen Körperverletzungserfolg gemäß § 223 Abs. 1 StGB zu begründen (, BGHSt 48, 34, 36; vgl. ferner , NStZ-RR 2012, 340 f.; OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2118; Meyer, ZStW 115 (2003), 249, 261). Wirkt der Täter auf sein Opfer lediglich psychisch ein, liegt eine Körperverletzung daher erst dann vor, wenn ein pathologischer, somatisch-objektivierbarer Zustand hervorgerufen worden ist, der vom Normalzustand nachteilig abweicht (, BGHR StGB § 223 Abs. 1 Gesundheitsbeschädigung 2). Bloß emotionale Reaktionen auf Aufregungen, wie etwa starke Gemütsbewegungen oder andere Erregungszustände, insbesondere Angstzustände, stellen keinen pathologischen Zustand und damit keine Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar (, NStZ 1997, 123; vgl. zu Vorstehendem auch , NJW 2013, 3383).
5b) Daran gemessen genügt es - entgegen der Auffassung des Landgerichts (UA 38, 39) - für die Verurteilung des Angeklagten M. wegen Körperverletzung nicht, dass er der Zeugin A. den von ihm mitgeführten Elektroschocker an die Schläfe hielt und die Zeugin, die glaubte, ihr werde eine Pistole an den Kopf gehalten, "große Angst" verspürte und regungslos liegen blieb. Für einen pathologischen, somatisch-objektivierbaren Zustand der Geschädigten ergeben sich auch aus dem Gesamtzusammenhang des angefochtenen Urteils keine Anhaltspunkte.
62. Der Senat schließt bei der gegebenen Beweislage aus, dass sich aufgrund einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen treffen lassen, die eine Verurteilung wegen vollendeter oder versuchter Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin A. tragen könnten. Er ändert deshalb den Schuldspruch im Fall B.I. der Urteilsgründe dahin ab, dass die Verurteilung des Angeklagten M. nach § 223 Abs. 1 StGB entfällt.
73. Darüber hinaus hat der Senat klargestellt, dass der Angeklagte M. im Fall B.I. der Urteilsgründe des besonders schweren Raubes und im Fall B.II. des versuchten besonders schweren Raubes (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) schuldig ist. Im Falle der Verurteilung nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist auf "besonders schweren Raub" zu erkennen (st. Rspr.; vgl. nur ).
84. Die Änderung des Schuldspruchs im Fall B.I. der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der in diesem Fall verhängten Einzelfreiheitsstrafe; das Landgericht hat ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte zwei Straftatbestände verwirklicht hat. Dies zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.
II.
9Die Revision des Angeklagten C. führt lediglich zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
101. Die Bildung der nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 55 Abs. 1 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11Nach den Feststellungen des Landgerichts zur Person wurde der Angeklagte vor der Verurteilung vom mehrfach, unter anderem am und am , jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt. Feststellungen zum Vollstreckungsstand - bezogen auf den Zeitpunkt des angefochtenen Urteils - fehlen völlig; auch werden die diesen Vorverurteilungen zugrunde liegenden Tatzeiten nicht mitgeteilt. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass bereits der Verurteilung vom Zäsurwirkung für die einbezogene Strafe aus der Verurteilung vom zukommt; die hierdurch abgeurteilte Tat beging der Angeklagte am . Auszugehen ist stets von der ersten unerledigten Verurteilung, die Zäsurwirkung entfaltet, sodass eine Gesamtstrafenbildung nur für die bis dahin begangenen Taten möglich ist (, NStZ 2007, 28, 29; zu den Anforderungen an die Entscheidungsgründe bei Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 496/09, NStZ-RR 2010, 202, 203, vom - 4 StR 658/10, vom - 3 StR 110/11, vom - 4 StR 249/11, NStZ-RR 2011, 307, und vom - 4 StR 503/14).
12Dieser Rechtsfehler kann sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben, zumal das Landgericht nicht geprüft hat, ob die am verhängte Geldstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2, § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB gesondert bestehen bleiben kann.
132. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass nach Aufhebung einer nachträglichen Gesamtstrafe und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht die (erneute) Bildung der Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung zu erfolgen hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 374/11, NStZ-RR 2012, 106, und vom - 3 StR 141/13, StraFo 2013, 474, 475). Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird auch Gelegenheit haben zu prüfen, ob - wie festgestellt (UA 15) - in der einbezogenen Vorverurteilung vom "wegen versuchter Körperverletzung und Körperverletzung" tatsächlich nur eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen oder - der tatmehrheitlichen Verurteilung entsprechend - eine Gesamtgeldstrafe in dieser Höhe festgesetzt worden ist.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin
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Fundstelle(n):
TAAAE-87938