BSG Beschluss v. - B 3 P 12/14 B

Instanzenzug: S 3 P 134/12

Gründe:

I

1Die Klägerin betreibt eine zur Versorgung von Versicherten der sozialen Pflegeversicherung zugelassene stationäre Pflegeeinrichtung in privater Trägerschaft. Sie begehrt die Feststellung, dass drei von den Beklagten erlassene und inzwischen wieder aufgehobene Maßnahmebescheide rechtswidrig gewesen sind.

2Die Beklagten führten etwa einmal jährlich in der Einrichtung der Klägerin Qualitäts- bzw Regelprüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Thüringen (MDK) durch und erließen auf der Grundlage der hierzu jeweils erstellten Prüfberichte am , am und am je einen Bescheid zur Umsetzung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Die Klägerin hat gegen die einzelnen Maßnahmebescheide jeweils Klage erhoben, welche das SG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Bevollmächtigte der Beklagten, die Maßnahmebescheide hätten sich zwischenzeitlich durch einen aktuelleren Maßnahmebescheid vom (gemeint war der vom ) erledigt. Klarstellend hebe er die streitigen Maßnahmebescheide ausdrücklich auf.

3Die Beklagten erließen neben dem Maßnahmebescheid am auch eine Abmahnung und weitere Maßnahmebescheide am und am . Die Klägerin hat gegen alle Maßnahmebescheide einschließlich der Abmahnung jeweils Klagen zum SG München erhoben. Den Rechtsstreit gegen die Maßnahmebescheide vom , und hat die Klägerin fortgeführt mit dem Antrag festzustellen, dass diese Bescheide rechtswidrig gewesen sind.

4Das SG München hat die Klage als unzulässig abgewiesen (Urteil vom ); das Bayerische LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom ) und ausgeführt, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei unzulässig, weil die Klägerin kein berechtigtes Interesse an der Feststellung habe. Obwohl inzwischen bereits weitere Maßnahmebescheide von den Beklagten erlassen worden seien, bestehe keine Wiederholungsgefahr, da die Maßnahmebescheide jeweils auf unterschiedlichen Prüfungen unterschiedlicher Bewohner mit abweichenden Prüfsituationen und abweichenden Prüfschwerpunkten basierten. Auch habe die Klägerin zwischenzeitlich qualitätsverbessernde Maßnahmen eingeleitet. Die Beklagten seien daher auch zu unterschiedlichen Beanstandungen gelangt, und bereits früher festgestellte Mängel seien später nicht mehr beobachtet worden. Grundsätzliche Fehler oder Verfahrensverstöße beim Erlass der Maßnahmebescheide seien nicht aufgetreten. Die Klägerin habe auch kein Rehabilitationsinteresse, da nach der Rechtsprechung des BSG gegen die Pflegequalitätsberichterstattung keine materiell durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken beständen. Dies müsse für Maßnahmebescheide auf der Grundlage entsprechender Prüfberichte erst recht gelten.

5Mit der Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.

II

6Die Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Soweit sie nicht bereits unzulässig ist, ist sie jedenfalls unbegründet. Das Verfahren des LSG leidet nicht an einem entscheidungserheblichen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), sein Urteil beruht nicht auf einer Abweichung von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) liegt nicht vor.

71. Die Rüge der fehlenden Verbindung mit weiteren am SG anhängigen Klageverfahren gegen die weiteren Maßnahmebescheide und das Abmahnschreiben bleibt erfolglos. Die unterbliebene Verbindung von Verfahren kann einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG als Verstoß des Gerichts gegen Regelungen, die das prozessuale Vorgehen betreffen, nicht begründen.

8a) Die Zulassung der Revision kann grundsätzlich nicht auf verfahrensfehlerhafte Vorentscheidungen gestützt werden, die der Überprüfung durch das BSG entzogen sind (vgl hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 17 mwN). Entscheidungen der Sozialgerichte über die Verbindung und Trennung von Verfahren können nach § 172 Abs 2 SGG nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Daher besteht auch keine isolierte Rechtsmittelbefugnis für den Fall, dass das SG der Anregung einer Verbindung von Verfahren nicht nachkommt. Ausnahmsweise können mit der Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG Mängel gerügt werden, die als Folge einer Verbindung oder Trennung dem Urteil selbst anhaften (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 113 RdNr 3; Leitherer § 160 RdNr 17 jeweils mwN). Bei einer Verbindung kann das der Fall sein, wenn diese willkürlich und ohne sachlich vernünftigen Grund beschlossen und ein Beteiligter dadurch in der Wahrnehmung seiner Rechte beeinträchtigt wurde (vgl - Juris). Auch die Trennung von Verfahren ist ermessens- und daher auch verfahrensfehlerhaft, wenn ein sachlicher Grund für die Trennung nicht ersichtlich ist und sie einer Partei nur Nachteile bringt (BSG SozR 4-5408 Art 14 Nr 1, SozR 4-2500 § 85 Nr 77, RdNr 17). Demgegenüber hat das BSG für das Unterlassen einer Verbindung mehrerer separat anhängig gemachter Streitsachen entschieden, darin liege grundsätzlich kein Verfahrensmangel, auf dem die Sachentscheidung zu den verschiedenen Streitgegenständen beruhen kann ( - Juris).

9Aus der unterlassenen Verbindung ist der Klägerin hier kein Nachteil erwachsen. Soweit sie meint, eine Verbindung mit dem Verfahren gegen den Maßnahmebescheid und die Abmahnung vom hätte der Klage wegen der Pressemitteilungen der Beklagten, der Berichterstattung in der Presse und der Internetveröffentlichung hierüber zum Erfolg verholfen, kann dem nicht gefolgt werden. Sollte - wie die Klägerin meint - ihr wegen dieser Veröffentlichungen ein Rehabilitationsinteresse für die Fortsetzungsfeststellungsklage zustehen, kann sich dies nur auf die von der Veröffentlichung betroffenen Streitgegenstände beziehen, also allenfalls auf den Maßnahmebescheid und die Abmahnung vom . Ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass zuvor ergangene und seitens der Beklagten bereits aufgehobene Maßnahmebescheide rechtswidrig gewesen sind, kann sich daraus nicht ergeben. Die Klagen gegen die Maßnahmebescheide vom , und wären daher durch eine Verbindung nicht zulässig geworden.

10Im Übrigen ist ein sachlicher Grund für die Verbindung oder Trennung von Verfahren nach dem Zweck der Vorschrift insbesondere die Beschleunigung und Vereinfachung von Verfahren. Deshalb ist regelmäßig zu berücksichtigen, ob die verschiedenen Verfahren ein unterschiedliches Stadium der Sachaufklärung erreicht haben. Das Gericht soll durch eine Verbindung nicht am Abschluss von Prozessen gehindert werden, die zur Entscheidung reif sind (vgl hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 113 RdNr 3). Das SG hat nur die Verfahren verbunden, bei denen die Maßnahmebescheide jedenfalls erledigt waren. Damit waren gerade diese Verfahren zur Entscheidung reif. Hätte das SG sie mit Verfahren gegen Maßnahmebescheide verbunden, die nicht oder nicht vollständig erledigt waren, hätte es diese Prozesse nicht abschließen können. Eine Verbindung hätte damit dem Zweck der Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens sogar widersprochen.

11b) Zudem können mit der Nichtzulassungsbeschwerde nur Verfahrensmängel im unmittelbar vorangehenden Rechtszug gerügt werden. Nur ausnahmsweise kann auch ein Verfahrensmangel die Zulassung rechtfertigen, der dem SG unterlaufen ist, wenn dieser fortwirkt und insofern ebenfalls als Mangel des LSG anzusehen ist (vgl etwa BSG SozR 3-1500 § 73 Nr 10; BSG SozR 4-1500 § 62 Nr 4). Die von der Klägerin gerügte unterbliebene Verbindung von Verfahren hätte aber nur das SG vornehmen können. Vor dem LSG waren die Maßnahmebescheide und das Abmahnschreiben aus dem Jahr 2013 nicht zeitgleich mit dem hier vorliegenden Rechtsstreit anhängig. Ein im Berufungsverfahren fortwirkender Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens kommt aus den oben genannten Gründen nicht in Betracht.

122. Die Darlegungen der Klägerin zur Abweichung des Urteils des LSG von der Entscheidung des - können eine Divergenz nicht begründen. Eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG setzt voraus, dass ein abstrakter Rechtssatz der anzufechtenden Entscheidung nicht mit einem abstrakten Rechtssatz übereinstimmt, der einer Entscheidung eines der in der Vorschrift genannten Gerichte zu entnehmen ist. Ein abstrakter Rechtssatz liegt nur bei einer fallübergreifenden, nicht lediglich auf die Würdigung des Einzelfalls bezogenen rechtlichen Aussage vor (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 13 mwN).

13Der von der Klägerin zitierte Satz des BSG:

"So hat die Klägerin eine erneute Qualitätsprüfung im Mai 2012 mit der Note 1,1 bestanden" ist ersichtlich kein abstrakter Rechtssatz, sondern eine einzelfallbezogene Würdigung. Die Klägerin hat hieraus keinen abstrakten Rechtssatz in Bezug auf eine etwaige Wiederholungsgefahr abgeleitet. Die Beklagten haben ihre Maßnahmebescheide, die im vorliegenden Verfahren im Streit stehen, ausdrücklich aufgehoben. Es ist nicht erkennbar, dass diese noch Folgen nach sich ziehen könnten. Auf die Frage, ob sich ein Maßnahmebescheid allein durch den Erlass eines neuen Maßnahmebescheides erledigt, kommt es bei dieser Sachlage nicht an. Soweit die Klägerin meint, das BSG habe "den Rechtssatz aufgestellt, dass es auch auf die Bewertung (beispielhaft Note 1,1) ankommt", kann sich daraus eine Abweichung schon deshalb nicht ergeben, weil die zitierte Entscheidung des - keinen Maßnahmebescheid, sondern einen Transparenzbericht betraf.

143. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erfordert eine klärungsbedürftige und für den zu entscheidenden Fall erhebliche Rechtsfrage (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 6 ff).

15a) Die Klägerin hält die Rechtsfrage für klärungsbedürftig, "ob mit Einführung des § 115 Abs. 1a SGB XI das Notengenerierungsverfahren zur Abbildung der pflegerischen Qualität eines Pflegeheims einschließlich der Normen zur Veröffentlichung der sog. Transparenzberichte grundsätzlich vorrangig zu dem Erlass von Maßnahmebescheiden im Sinne von § 115 Abs. 2 SGB XI ist".

16Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig, weil es keine nachvollziehbaren rechtlichen Anhaltspunkte für ein solches Vorrangverhältnis gibt. Während die Pflegetransparenzberichterstattung das Ziel verfolgt, für die Pflegebedürftigen und deren Angehörige die pflegerischen Leistungen und deren Qualität durch die Pflegeeinrichtungen transparent zu machen ( - SozR 4-3300 § 115 Nr 2, RdNr 18), dienen Maßnahmebescheide der Feststellung und schließlich der Beseitigung von Pflegemängeln und schaffen darüber hinaus eine rechtliche Grundlage für weitere Sanktionen. Ein Vorrang/Nachrang-Verhältnis kommt im Hinblick auf diese unterschiedliche Zielsetzung ohne weitere Anhaltspunkte im Gesetz nicht in Betracht.

17b) Darüber hinaus wirft die Klägerin die Rechtsfrage auf, "ob Feststellungen und Empfehlungen des MDK, mithin das Beschreiben von in der Prüfung wahrgenommener Sachverhalte und Empfehlungen des MDK zur Beseitigung von empfundenen Qualitätsdefiziten, die Landesverbände der Pflegekassen befreit, nach § 115 Abs. 2 S. 1 SGB XI im Rechtssinne gesicherte Tatsachenfeststellungen zu treffen. Falls dies mit 'ja' zu beantworten wäre, gelte dies auch für den streitgegenständlichen Fall, wenn die vom MDK nachteiligen Feststellungen streitig gestellt sind?".

18Auch diese Frage ist nicht klärungsbedürftig, da die Landesverbände der Pflegekassen dem MDK nach dem Gesetzeswortlaut des § 114 Abs 1 SGB XI den Prüfauftrag für Regelprüfungen, Anlassprüfungen und Wiederholungsprüfungen nach Maßgabe weiterer Regelungen hierzu erteilen. Diese Prüfungen bilden nach § 115 Abs 2 SGB XI die Grundlage für die Entscheidung der Landesverbände der Pflegekassen, welche Maßnahmen zu treffen sind, wenn bei einer Prüfung Qualitätsmängel festgestellt werden. Die Feststellung der Qualitätsmängel ist nach diesem Regelungsgefüge Aufgabe des MDK. Die Aufklärung streitiger Einzelheiten folgt den allgemeinen Regeln des Amtsermittlungsgrundsatzes und ist daher ebenfalls nicht grundsätzlich klärungsbedürftig.

19c) Die Ausführungen der Klägerin bezüglich des fehlenden Entschließungsermessens und Auswahlermessens seitens der Beklagten genügen bereits den Darlegungsanforderungen an eine Grundsatzrüge (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) nicht. Eine Rechtsfrage ist diesen Ausführungen nicht zu entnehmen. Gleiches gilt bezüglich der Ausführungen der Klägerin zur fehlenden Bestimmtheit der Maßnahmebescheide.

20d) Schließlich meint die Klägerin, die Entscheidung des LSG beruhe auf der Rechtsfrage, "ob dem Wortlaut und Sinn des § 115 Abs. 2 S. 1 SGB XI Genüge getan wird, mithin die Beteiligung des Sozialhilfeträgers vorliegt, wenn diesem der Entwurf eines beabsichtigten Maßnahmebescheides zusammen mit dem Prüfbericht zur Kenntnisnahme und etwaigen Stellungnahme übersandt wird." Außerdem stelle sich die Rechtsfrage, "ob das Schweigen des Sozialhilfeträgers innerhalb einer kurzen (im Fall: zweiwöchige Frist) Frist dem Erfordernis des Einbindens des Sozialhilfeträgers genügt. Falls dies mit 'ja' zu beantworten wäre, stellt sich die Rechtsfrage, ob dies auch zutrifft in Fällen wie im streitgegenständlichen, in dem die Klägerin qualifiziert dem Prüfbericht des MDK sowie dem Entwurf des beabsichtigten Maßnahmebescheid entgegen getreten ist, das Schreiben der Beklagten an den Sozialhilfeträger jedoch weder die qualifizierte Stellungnahme der Klägerin noch ggfls. eine weitere Beurteilung des MDK zur Stellungnahme der Klägerin enthält."

21Diese Fragen sind unter dem hier allein relevanten Aspekt des Feststellungsinteresses nicht entscheidungserheblich.

224. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

235. Die Streitwertfestsetzung basiert auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 47 Abs 3, § 52 Abs 2 GKG bezogen auf drei Maßnahmebescheide.

Fundstelle(n):
RAAAE-87554