Bayerisches Landesamt für Steuern - S 2133.1.1-7/5 St31

Bilanzierung von Steuererstattungsansprüchen und Steuernachforderungen nebst Zinsen

Diese Verfügung richtet sich an alle Kolleginnen und Kollegen, die mit der Unternehmensbesteuerung befasst sind.

Derzeit häufen sich Anfragen zum Aktivierungszeitpunkt von Forderungen aus Steuererstattungsansprüchen und Erstattungszinsen bzw. zum Passivierungszeitpunkt von Rückstellungen für Steuernachzahlungen und Nachzahlungszinsen im Zusammenhang mit Anträgen von Kreditinstituten in anhängigen Rechtsbehelfsverfahren. Hierzu bitte ich folgende Auffassung zu vertreten:

  1. Ein Steuererstattungsanspruch bzw. ein Anspruch auf Erstattungszinsen ist zu aktivieren, wenn er nach den steuerrechtlichen Vorschriften entstanden und hinreichend sicher ist (Realisationsprinzip). Für zunächst bestrittene Erstattungsansprüche ist dies im Regelfall der Bilanzstichtag, der der Bekanntgabe der begünstigenden Verwaltungsentscheidung folgt. [1] Der Anspruch ist indes zu einem früheren Bilanzstichtag zu aktivieren, wenn zu diesem Zeitpunkt der Realisation des Anspruchs weder materiell-rechtliche noch verfahrensrechtliche Hindernisse (einschließlich der verwaltungsinternen Weisungslage) entgegenstehen. Hiervon ist auszugehen, wenn eine Rechtsfrage höchstrichterlich entschieden ist, die Entscheidung vorbehaltlos im BStBl II veröffentlicht wurde und der betroffene Steuerbescheid verfahrensrechtlich geändert werden kann. [2]

  2. Steuernachforderungen und Nachforderungszinsen sind – mit Ausnahme solcher für hinterzogene Steuern – grundsätzlich im Jahr ihrer Entstehung als Rückstellung zu passivieren. [3] Nachforderungszinsen entstehen ratierlich ab Beginn des Zinslaufs (z. B. § 233a Abs. 2 S. 1 AO, 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres in dem die Steuer entstanden ist). [4]

  3. Wurde eine Rückstellung für Steuernachforderungen und Nachforderungszinsen aufgrund einer Feststellung i. R. einer Außenprüfung unter Berücksichtigung der Grundsätze in Abschnitt 2. rückwirkend im Entstehungsjahr gebildet und stellt sich diese Feststellung in dem darauf folgenden Rechtsbehelfsverfahren als unzutreffend heraus, ist die Rückstellung für Steuernachforderungen und Nachforderungszinsen im Entstehungsjahr entsprechend herabzusetzen. [5] Davon unbeschadet ist ein Steuererstattungsanspruch bzw. ein Anspruch auf Erstattungszinsen, der sich aus der Änderung der Steuerbescheide im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens ergibt, unter Berücksichtigung der Grundsätze in Abschnitt 1. zu aktivieren.

    Beispiel:

    a) Sachverhalt

    Die A GmbH hat in der HB/StB zum erstmals eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten i. H. v. TEUR 500 passiviert. Sämtliche Steuerbescheide der A GmbH sollen ab 2005 unter VdN ergangen sein. I. R. d. 2010 durchgeführten Bp wurde die Bildung der Rückstellung beanstandet und – nachdem in der Schlussbesprechung keine Einigung erzielt werden konnte – in der Prüferbilanz zum nicht mehr ausgewiesen. Gleichzeitig wurde die GewSt-Rückstellung gewinnmindernd um TEUR 75 erhöht. Die Rückstellung für GewSt-Nachzahlungszinsen nach § 233a AO wurde in der Prüferbilanz zum für den Zeitraum 1.4. –  i. H. v. TEUR 3 gewinnmindernd berücksichtigt. Die daraufhin geänderten KSt- und GewStMB-Bescheide für 2005 und 2007 wurden – unter Aufhebung des VdN – im September 2010 bekannt gegeben und die festgesetzten Steuern noch im Jahr 2010 fristgerecht entrichtet. Die Veranlagungen 2008 – 2010 wurden nicht geändert.

    Gegen die Bescheide für 2005 erhob die A GmbH Einspruch. Ein Antrag auf AdV wurde nicht gestellt. Das Verfahren ruhte zunächst, bis der BFH in einem vergleichbaren Streitfall die grundsätzliche Bildung der Rückstellung durch ein Urteil im Jahr 2013 anerkannt hat. Die Finanzverwaltung hat das Urteil im Jahr 2014 im BStBl 2014 II zur allgemeinen Anwendung veröffentlicht. Die RB-Stelle hat daraufhin den Einsprüchen Anfang 2015 stattgegeben und die Bildung der Rückstellung in der ursprünglich beantragten Höhe zum anerkannt. Die Jahre ab 2008 stehen unter VdN und sollen in 2015 noch nicht materiell bestandskräftig sein.

    b) Lösung

    GewSt-Rückstellung:

    Die GewSt-Nachforderung für 2005 aufgrund der Bp-Feststellung „Rückstellung” wurde zunächst gemäß H 4.9 EStH „Rückstellung für künftige Steuernachforderungen” zutreffend bei der GewSt-Rückstellung zum berücksichtigt. Aufgrund der vollumfänglichen Abhilfe im Jahr 2015 ist die GewSt-Rückstellung zum entsprechend um TEUR 75 zu reduzieren, da laut Sachverhalt keine Anhaltspunkte vorlagen aufgrund derer die A-GmbH bereits zum mit einer Inanspruchnahme aufgrund der in 2010 durchgeführten Bp hätte rechnen müssen. [6]

    GewSt-Zins-Rückstellung:

    Vorstehende Grundsätze sind grundsätzlich auch bei der zum gebildeten GewSt-Zins-Rückstellung zu berücksichtigen. Die GewSt-Zins-Rückstellung wurde durch die Bp zunächst gem. H 4.9 EStH „Rückstellung für künftige Steuernachforderungen” zutreffend für die im Zeitraum 1.4. –  gem. § 233a Abs. 2 S. 1 AO entstandenen GewSt-Zinsen zum passiviert. Der Rückstellungsansatz stellt sich nunmehr i. R. d. RB-Verfahrens als unzutreffend heraus. Da die Bescheide für 2007 indes nicht angefochten und auch keine anderen verfahrensrechtlichen Korrekturmöglichkeiten ersichtlich sind, kommt eine gewinnerhöhende Auflösung der GewSt-Zins-Rückstellung erst zum Stichtag in Betracht, da sämtliche Bescheide ab 2008 nach § 164 AO änderbar sind. [7] Darüber hinausgehende Korrekturen für die im Zeitraum  –  zunächst entstandenen Zinsen sind nicht veranlasst, da diese laut vorliegendem Sachverhalt nicht berücksichtigt worden sind.

    Forderung aus Steuererstattungsanspruch bzw. Anspruch auf Erstattungszinsen:

    Der GewSt-Erstattungsanspruch für 2005 und der daraus resultierende Anspruch auf GewSt-Erstattungszinsen sind erstmals in der HB/StB zum gewinnerhöhend zu aktivieren. Aufgrund der Veröffentlichung des BFH-Urteils im BStBl II im Jahr 2014 und der damit einhergehenden verwaltungsinternen Weisungslage ist ersichtlich, dass die Erstattungsansprüche durch das Finanzamt nicht mehr bestritten und mithin hinreichend sicher realisierbar waren.

  4. Ergeben sich im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens aufgrund einer geänderten Rechtsauffassung zu einem Sachverhalt gegenläufige steuerliche Auswirkungen in verschiedenen Veranlagungszeiträumen (VZ; Zusammentreffen von Steuererstattungsansprüchen und Steuernachforderungen inkl. Zinsen aus einem Sachverhalt in verschiedenen VZ; z. B. hinsichtlich des Passivierungszeitpunktes einer Rückstellung) gilt in der Regel Folgendes:

    1. Sind die Steuernachforderung bzw. die Nachforderungszinsen in einem früheren Wirtschaftsjahr entstanden als der Steuererstattungsanspruch bzw. ein Anspruch auf Erstattungszinsen und ist die jeweilige Nachforderung betragsmäßig höher als der entsprechende Erstattungsanspruch, ist die Rückstellung dem Grunde nach in dem Wirtschaftsjahr zu passivieren, in dem die Nachforderung entstanden ist (vgl. Abschnitt 2.). Der Höhe nach ist die Rückstellung (zunächst) auf den mit dem korrespondierenden Erstattungsanspruch saldierten Betrag begrenzt. Eine Saldierung von Nachforderungszinsen und Erstattungszinsen kann erstmals in dem Wirtschaftsjahr erfolgen, in dem die Erstattungszinsen (z. B. gemäß § 233a Abs. 2 AO) entstanden sind. Die Erstattungsansprüche sind unter Beachtung der Grundsätze in Abschnitt 1. zu aktivieren. Zu diesem Zeitpunkt sind auch die korrespondierenden Rückstellungen erstmals in voller Höhe zu passivieren.

    2. Sind die Steuernachforderung bzw. die Nachforderungszinsen in einem früheren Wirtschaftsjahr entstanden als der Steuererstattungsanspruch bzw. ein Anspruch auf Erstattungszinsen und ist die jeweilige Nachforderung betragsmäßig niedriger als der entsprechende Erstattungsanspruch, ist hinsichtlich der Steuernachforderung in dem Wirtschaftsjahr ihres Entstehens keine Rückstellung zu bilden. Die Nachforderungszinsen hingegen sind ab ihrer Entstehung (z. B. gemäß § 233a Abs. 2 AO) ratierlich in einer Rückstellung anzusammeln und erst ab dem Zeitpunkt des Entstehens der korrespondierenden Erstattungszinsen mit diesen zu saldieren. Die Erstattungsansprüche sind unter Beachtung der Grundsätze in Abschnitt 1. zu aktivieren. Zu diesem Zeitpunkt sind auch die korrespondierenden Rückstellungen erstmals bzw. in voller Höhe zu passivieren.

    3. Sind die Steuernachforderung bzw. die Nachforderungszinsen in einem späteren Wirtschaftsjahr entstanden als der Steuererstattungsanspruch bzw. ein Anspruch auf Erstattungszinsen und ist die jeweilige Nachforderung betragsmäßig niedriger als der entsprechende Erstattungsanspruch, kommt eine Rückstellungsbildung erstmals im Zeitpunkt der Aktivierung der korrespondierenden Erstattungsansprüche in Betracht. Die Erstattungsansprüche sind unter Beachtung der Grundsätze in Abschnitt 1. zu aktivieren.

    4. Sind die Steuernachforderung bzw. die Nachforderungszinsen in einem späteren Wirtschaftsjahr entstanden als der Steuererstattungsanspruch bzw. ein Anspruch auf Erstattungszinsen und ist die jeweilige Nachforderung betragsmäßig höher als der entsprechende Erstattungsanspruch, ist die Rückstellung dem Grunde nach in dem Wirtschaftsjahr zu passivieren, in dem die Nachforderung entstanden ist (vgl. Abschnitt 2.). Der Höhe nach ist die Rückstellung für Steuernachforderung als auch Nachforderungszinsen (zunächst) auf den mit dem korrespondierenden Erstattungsanspruch saldierten Betrag begrenzt. Hinsichtlich des Saldierungsbetrags bei den Nachforderungszinsen sind sämtliche bis zu ihrer Entstehung entstandenen Erstattungszinsen zu berücksichtigen. Die Erstattungsansprüche sind unter Beachtung der Grundsätze in Abschnitt 1. zu aktivieren. Zu diesem Zeitpunkt sind auch die korrespondierenden Rückstellungen erstmals in voller Höhe zu passivieren.

Bayerisches Landesamt für Steuern v. - S 2133.1.1-7/5 St31

Fundstelle(n):
DB 2015 S. 710 Nr. 13
DStR 2015 S. 1752 Nr. 31
Ubg 2015 S. 489 Nr. 8
WAAAE-87227

1Vgl. , Rn. 16–17; , Rn. 20.

2Vgl. , BStBl 2012 II, 190; ; , Tz. 1.

3Vgl. H 4.9 EStH „Rückstellung für künftige Steuernachforderungen”; , BStBl 1970 II S. 229, Rn. 14; beachte aber einschränkend die Abschnitte 3. und 4.

4Vgl. ; , Tz. 2.

5Vgl. H 4.9 EStH „Mehrsteuern”; , BStBl 1962 III, 64, Rn. 9.

6Vgl. H 4.9 EStH „Mehrsteuern”; , BStBl 1962 III, 64, Rn. 9; sowie darüber hinaus R 5.7 Abs. 2 Nr. 3 EStR und neuere Rechtsprechung, z. B. , BStBl 2012 II, 688, Rn. 10–13 u. 18; , Rn. 11–14; , BStBl 2002 II, 731, Rn. 17–18; ,G, Rn. 83–85; , Rn. 24–30.

7Vgl. zur Korrektur fehlerhafter Bilanzansätze nach den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs z. B. , BStBl 1998 II, 443.