Instanzenzug: TDiG Nord
Gründe
I
1Der Beschwerdeführer war unter dem , ihm durch Niederlegung zugestellt am , zur mündlichen Verhandlung in einer Disziplinarbeschwerdesache der 1. Kammer des Truppendienstgerichts Nord für den um 11 Uhr als Zeuge geladen worden. Die Ladung enthielt den Hinweis, dass, falls der Zeuge aus zwingenden Gründen zum Termin nicht erscheinen könne, er gebeten werde, dies unter Darlegung der Hinderungsgründe umgehend dem Gericht mitzuteilen. Sodann folgte unterstrichen: "Solange Sie keine gegenteilige Mitteilung erhalten, sind Sie weiterhin verpflichtet zu erscheinen." Des Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass dem Zeugen im Falle seines unentschuldigten Nichterscheinens die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt werden und zugleich gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt wird.
2Mit Schreiben vom , das am beim Truppendienstgericht Nord einging, gab der Beschwerdeführer davon Kenntnis, dass er zum genannten Termin nicht zur Verfügung stehe. Er befinde sich im Monat Juni bis einschließlich der ersten Woche des Monats Juli in der Prüfungsphase seines Studiums. Da er sich derzeit in der Vorbereitungsphase befinde und nach der Prüfung eine Zeit für die Nachbereitung benötige, hoffe er darauf, dass er nicht zum 28. Mai oder unmittelbar nach der Prüfung geladen werde. Eine Telefonnummer enthielt das Schreiben nicht.
3Da der Zeuge zur mündlichen Verhandlung am nicht erschien, verkündete der Vorsitzende in der Verhandlung einen Beschluss, mit dem dem Beschwerdeführer die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt und ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 €, ersatzweise sechs Tage Ordnungshaft, festgesetzt wurden. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am zugestellt. Mit einem beim Truppendienstgericht am eingegangenen Schreiben vom legte der Beschwerdeführer "Widerspruch" gegen den Beschluss ein. Er habe sein Fernbleiben rechtzeitig in Form eines Briefes angekündigt. Da er keine Antwort erhalten habe, sei er davon ausgegangen, dass seine Anwesenheit nicht mehr erforderlich sei. Im Übrigen habe er am einen Termin für einen medizinischen Eingriff gehabt; ein Attest fordere er bei Bedarf bei dem entsprechenden Arzt an und reiche es nach. Auf die Aufforderung des Truppendienstgerichts, für den behaupteten medizinischen Eingriff ein Attest vorzulegen, legte der Beschwerdeführer eine ärztliche Bescheinigung vom vor, derzufolge er am in der Praxis in Behandlung war.
4Am beschloss die 1. Kammer des Truppendienstgerichts Nord, den Ordnungsgeldbeschluss vom aufrechtzuerhalten. Zur Begründung hieß es, der Zeuge sei weder nachträglich genügend entschuldigt noch sei glaubhaft gemacht worden, dass ihn an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden treffe. Das einen Tag vor der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangene Schreiben vom habe keine hinreichende Entschuldigung für das Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung enthalten, weil nicht ersichtlich gewesen sei, warum der Zeuge in der Vorbereitungsphase einer mehrere Wochen währenden Prüfung nicht für einen Tag als Zeuge vor Gericht erscheinen könne. Die Bemühungen des Gerichts, eine Telefonnummer ausfindig zu machen, seien erfolglos geblieben und auch auf die ihm über Facebook übermittelte Nachricht der Geschäftsstelle habe er nicht reagiert. Der nunmehr behauptete medizinische Eingriff vom entschuldige das Fernbleiben ebenfalls nicht; die offensichtlich auf den vordatierte ärztliche Bescheinigung belege lediglich, dass der Antragsteller an diesem Tag in einer dermatologischen Praxis in Berlin zur Behandlung gewesen sei, lasse aber nicht erkennen, dass dies aufgrund einer akuten Erkrankung oder unerwartet erforderlich geworden sei.
Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am zugestellt. Mit einem am durch die Post abgestempelten Schreiben vom , das am beim Truppendienstgericht Nord eingegangen ist, legte der Antragsteller "Widerspruch" gegen den Beschluss ein. Von ihm sei lediglich ein Attest angefordert worden, er sei nicht verpflichtet, Details des ärztlichen Eingriffs anzugeben. Sein Studium und die damit verbundenen Prüfungen seien für ihn sehr wichtig und nicht verschiebbar.
Im Übrigen rüge er die Höhe des Ordnungsgeldes, da nach seinen Informationen sonst Beträge von 150 € üblich seien.
5Der Vorsitzende der 1. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat vorgelegt.
6Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hält die Beschwerde für zulässig, aber nicht begründet.
II
71. Der "Widerspruch" des Beschwerdeführers ist als Beschwerde gegen den Beschluss der Truppendienstkammer zu bewerten. Die Beschwerde ist gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 WDO statthaft.
8In die Beschwerdefrist des § 114 Abs. 2 WDO ist dem Beschwerdeführer von Amts wegen gemäß § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 45 Abs. 2 StPO Wiedereinsetzung zu gewähren. Der Beschwerdeführer hat den korrekt adressierten und ausreichend frankierten Brief mit seinem "Widerspruch" am Tag vor Ablauf der Beschwerdefrist zur Post gegeben. Es kann dahinstehen, ob, da die Deutsche Post AG verspricht, dass 94 % der zur Post gegebenen Briefe am nächsten Tag ihr Ziel erreichen (vgl. http://www.deutschepost.de/de/q/qualitaet_gelb.html), der Beschwerdeführer darauf vertrauen durfte, dass sein Brief das Truppendienstgericht am nächsten Tag erreichen werde. Denn ausweislich eines Vermerks des Vorsitzenden der 1. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom war die Zustellung der Briefpost an das Truppendienstgericht Nord in der Zeit vom 11. bis erheblich gestört, sodass, nach entsprechenden Beschwerden bei der Verwaltung der Post, am in erheblichem Umfang Briefpost einging, die schon seit dem zur Post gelangt war. Den Beschwerdeführer trifft deshalb kein Verschulden an der Fristversäumung. Da die versäumte Handlung, die Einlegung der Beschwerde, gleichzeitig nachgeholt wurde, konnte dem Beschwerdeführer Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
92. Die Beschwerde ist aber nicht begründet.
10Der Beschluss der 1. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom und die Entscheidung des Vorsitzenden vom , der Beschwerde nicht abzuhelfen, sind nicht zu beanstanden.
11Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 1 StPO werden einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt; zugleich wird gegen ihn nach § 51 Abs. 1 Satz 2 StPO ein Ordnungsgeld festgesetzt. Nach § 51 Abs. 2 Satz 1 StPO unterbleiben diese Maßnahmen, wenn das Ausbleiben des Zeugen rechtzeitig genügend entschuldigt wird. Erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so unterbleibt die Auferlegung eines Ordnungsgeldes nach § 51 Abs. 2 Satz 2 StPO nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Zeugen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft. Nur wenn das Ausbleiben des Zeugen nachträglich genügend entschuldigt wird, werden die getroffenen Anordnungen gemäß § 51 Abs. 2 Satz 3 StPO unter den Voraussetzungen des Satzes 2 dieser Vorschrift aufgehoben (Beschlüsse vom - BVerwG 2 WDB 11.88 - und vom - BVerwG 2 WDB 4.98 -).
12Hier fehlt es an einer ausreichenden Entschuldigung des Ausbleibens des Beschwerdeführers. In der ordnungsgemäßen Ladung vom war der Beschwerdeführer nicht nur darauf hingewiesen worden, dass er zwingende Gründe, die ihn hindern, zum Termin zu erscheinen, umgehend mitzuteilen habe, sondern ausdrücklich und unterstrichen auch darauf, dass er weiterhin verpflichtet sei zu erscheinen, solange er keine gegenteilige Mitteilung erhalte. In seinem Schreiben vom , das erst am , d.h. einen Tag vor der mündlichen Verhandlung, bei Gericht eingegangen ist, legte der Beschwerdeführer schon keinen zwingenden Grund dar, der ihn gehindert hätte, den Termin wahrzunehmen. Denn es war aus dem Schreiben nicht ersichtlich, warum er in der Vorbereitungsphase einer mehrere Wochen währenden Prüfung nicht für einen Tag, konkret hier den , als Zeuge vor Gericht zur Verfügung stehen könnte. Es ist ohne Weiteres zumutbar, die Prüfungsvorbereitung so zu planen, dass eine Unterbrechung für die Wahrnehmung eines Gerichtstermins den Prüfungserfolg nicht gefährdet. Für eine entsprechende Anpassung seines Lernplans bestand hier bei Zugang der Ladung auch ausreichend Zeit. Er war dementsprechend auch nicht vom Erscheinen entbunden worden, was ihm allerdings, da er keinerlei Vorsorge für eine kurzfristige Erreichbarkeit getroffen hatte, nicht mehr ausdrücklich mitgeteilt werden konnte. Die Geschäftsstelle des Truppendienstgerichts Nord hat sich ausweislich des Aktenvermerks vom intensiv bemüht, eine Telefonnummer des Zeugen zu ermitteln. Nachdem dies nicht gelungen war, hat sie ihm über Facebook eine Nachricht mit der Bitte um Rückruf gesandt. Der Beschwerdeführer hat darauf aber nicht reagiert. So musste er wissen, dass für ihn in Ermangelung einer gegenteiligen Mitteilung weiterhin die Verpflichtung zum Erscheinen am bestand. Insbesondere konnte der Zeuge auch nach den entsprechenden Hinweisen im Ladungsschreiben nicht davon ausgehen, dass eine schlichte Kenntnisgabe, dass er zum geladenen Termin nicht erscheinen werde, nicht ausreicht, ihn zu entschuldigen. Er wäre vielmehr gehalten gewesen, sich seinerseits telefonisch beim Gericht zu erkundigen, ob seine Ankündigung des Fernbleibens als Entschuldigung ausreicht und ob er abgeladen worden ist. Es liegt nicht im Ermessen des Zeugen, ob er einer gerichtlichen Ladung folgt oder nicht. Jeder Staatsbürger ist verpflichtet, vor Gericht als Zeuge zu erscheinen. Daher genügt eine Entschuldigung für das Ausbleiben eines Zeugen im Sinne des § 51 Abs. 2 StPO nur dann, wenn sie in überzeugender Weise Gründe darlegt, aus denen das Gericht entnehmen kann, dass die Belange des Zeugen in diesem Fall das Interesse der Rechtspflege unter Berücksichtigung der Bedeutung der Sache, der Belange anderer Verfahrensbeteiligter und des Beschleunigungsgrundsatzes überwiegen (Beschluss vom -BVerwG 2 WDB 4.98).
13Der Beschwerdeführer hat auch nachträglich keine Entschuldigung vorgelegt, die diesen Voraussetzungen genügt. Denn sein nunmehr behaupteter medizinischer Eingriff vom entschuldigt sein Fernbleiben als Zeuge ebenfalls nicht. Die von ihm vorgelegte ärztliche Bescheinigung lässt nur erkennen, dass der Beschwerdeführer am in einer dermatologischen Praxis in Berlin zur Behandlung war. Zwar ist er nicht verpflichtet anzugeben, welchen ärztlichen Eingriff genau er durchführen ließ. Als Entschuldigung für sein Fernbleiben als Zeuge ist eine ärztliche Behandlung an dem für die Zeugenaussage festgesetzten Tag aber nur geeignet, wenn zugleich glaubhaft gemacht wird, dass die Behandlung aufgrund einer akuten Erkrankung unerwartet am erforderlich geworden war und den Beschwerdeführer daran gehindert hat, das Gericht zumindest telefonisch über die akute Reise- oder Vernehmungsunfähigkeit zu informieren. Anhaltspunkte dafür ergeben sich aus der ärztlichen Bescheinigung nicht. Die Wahrnehmung eines geplanten Arzttermins entschuldigt sein Fernbleiben nicht, denn er hätte einen solchen Termin verschieben können. Wäre dies nicht möglich gewesen, hätte er diesen Entschuldigungsgrund rechtzeitig glaubhaft machen müssen.
14Auch die Höhe des Ordnungsgeldes ist nicht zu beanstanden. Die Höhe des Ordnungsgeldes bestimmt das Gericht innerhalb des durch Art. 6 Abs. 1 EGStGB vorgegebenen Rahmens von 5 bis 1000 € nach pflichtgemäßem Ermessen, wobei es der Bedeutung der Sache, der Bedeutung der Aussage für die Entscheidung, der Schwere der Pflichtverletzung und den aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen des Zeugen Rechnung trägt (vgl. Ignor/Bertheau in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage 2008, § 51 Rn. 21). Nach Aktenlage hatte der Zeuge als früherer Zeitsoldat zum sein Dienstzeitende erreicht, sodass das Truppendienstgericht im Hinblick auf die Ansprüche auf eine Übergangsbeihilfe und Übergangsgebührnisse von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen ausgehen durfte. Der Beschwerdeführer hat auch nicht vorgetragen, dass seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht ausreiche, das Ordnungsgeld zu bezahlen. Die Pflichtverletzung des Zeugen wog zudem schwer, weil diesem im Hinblick auf die eindeutigen Formulierungen der Ladung klar sein musste, dass er ohne ausdrückliche Entbindung zum Erscheinen verpflichtet war. Für die hohe Bedeutung, die dem Erscheinen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung hier zugekommen wäre, spricht, dass das Truppendienstgericht in der Disziplinarbeschwerdesache eines anderen Soldaten überhaupt eine mündliche Verhandlung anberaumt hat. In der Regel entscheidet das Truppendienstgericht über die weitere Disziplinarbeschwerde ohne mündliche Verhandlung. Dem Erscheinen des ordnungsgemäß geladenen Zeugen kommt somit eine besonders herausgehobene Bedeutung zu, die sich auch in der Höhe des gegen ihn wegen seines Ausbleibens verhängten Ordnungsgeldes niederschlagen kann. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte entsprach es pflichtgemäßem Ermessen, die Höhe des Ordnungsgeldes im unteren Drittel des gesetzlichen Rahmens anzusiedeln, auch wenn das Nichterscheinen des Zeugen keine Vertagung erfordert hatte und seine persönliche Vernehmung deshalb für die Sachentscheidung nicht unersetzlich gewesen ist.
15Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 2 WDO.
Fundstelle(n):
AAAAE-86579