Instanzenzug: S 1 R 556/10
Gründe:
I
1Die weiterhin im Erwerbsleben stehende Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung. Ihren im Mai 2009 gestellten Rentenantrag lehnte der beklagte Rentenversicherungsträger nach medizinischer Sachaufklärung ab (Bescheid vom 30.7.2009; Widerspruchsbescheid vom 30.8.2010). Das Sozialgericht hat die Klage nach Einholung des orthopädischen Gutachtens Dr. C. und eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Dr. H. abgewiesen (Urteil vom 18.9.2013); das Landessozialgericht (LSG) hat von Amts wegen ua ein nervenärztliches Gutachten der Dr. T. vom 8.4.2014 eingeholt und die Berufung - gestützt auf dieses sowie weitere Gutachten der Dres. D., E., I. und C. - zurückgewiesen (Beschluss vom 28.7.2014). Es hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin ungeachtet ihres Krankheitsverlaufs in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis am aktiven Arbeitsleben teilnehme, und im Einzelnen ausgeführt, dass der Einschätzung der genannten Gutachter, die Klägerin könne weiterhin ihre ausgeübte Tätigkeit als Verwaltungsangestellte bei der Bundespolizei verrichten, der Vorzug zu geben sei gegenüber der nicht überzeugend und nachvollziehbar begründeten abweichenden Leistungsbeurteilung des Dr. H.. Anlass zur Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG habe schon deshalb nicht bestanden, weil die Klägerin von diesem Beweisantragsrecht bereits erstinstanzlich Gebrauch gemacht habe.
2Gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Sie rügt Verfahrensfehler, weil das LSG einem im Schriftsatz vom 26.5.2014 gestellten Antrag, "von Amts wegen ein entsprechendes Gutachten an einen mit Fibromyalgie befassten Gutachter bzw. Mediziner zu vergeben, der dieses Krankheitsbild auch von der Ursache bis hin zur Wirkung und auch im Hinblick auf die Einschätzung zur Erwerbsminderung richtig beurteilen kann", hilfsweise gemäß § 109 SGG erneut ein Gutachten durch einen Fachmediziner einzuholen (vorsorglich benannt: Dr. Ho., K.), ohne hinreichenden Grund nicht gefolgt sei.
II
3Die Beschwerde ist unzulässig. Der geltend gemachte Zulassungsgrund des Vorliegens von Verfahrensfehlern (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) ist nicht in der nach § 160a Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet worden.
4Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
5Soweit - wie hier - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt wird, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, auf Grund deren bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung hätten drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl nur BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35, 45 und § 160a Nr 24, 34). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung vom 29.10.2014 nicht gerecht.
6Die Klägerin hat einen Beweisantrag iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nicht ordnungsgemäß bezeichnet. Es kann vorliegend dahinstehen, ob sie mit dem Hinweis auf die im Schriftsatz vom 26.5.2014 mitgeteilte Auffassung, es sei "von Amts wegen ein entsprechendes Gutachten an einen mit Fibromyalgie befassten Gutachter bzw. Mediziner zu vergeben, der dieses Krankheitsbild auch von der Ursache bis hin zur Wirkung und auch im Hinblick auf die Einschätzung zur Erwerbsminderung richtig beurteilen kann", einen Beweisantrag iS der prozessrechtlichen Vorschriften (§ 118 Abs 1 SGG iVm §§ 402 ff Zivilprozessordnung) aufgezeigt hat. Selbst wenn man davon ausginge, das genüge im Zusammenhang mit den übrigen Ausführungen in dem Schriftsatz vom 26.5.2014, die die Klägerin in der Beschwerdebegründung wörtlich wiedergibt, inhaltlich noch diesen Anforderungen, so fehlt es an einer ausreichenden Darlegung dazu, dass dieser Beweisantrag für das LSG erkennbar bis zuletzt aufrechterhalten worden ist.
7Der Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz vor der Entscheidung vor Augen führen, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht von einem Beteiligten noch nicht als erfüllt angesehen wird (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9). Eine solche Warnfunktion fehlt bei Beweisantritten, die lediglich in die mündliche Verhandlung vorbereitenden Schriftsätzen enthalten und ihrem Inhalt nach lediglich als Anregungen zu verstehen sind, wenn sie nach Abschluss der von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen nicht mehr zu einem bestimmten Beweisthema als Beweisantrag aufgegriffen werden (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9). Wird ein Beweisantrag in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt, so ist er dann nicht iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG übergangen worden, wenn aus den näheren Umständen zu entnehmen ist, dass er in der maßgebenden mündlichen Verhandlung nicht mehr weiter verfolgt wurde. Dies ist bei rechtskundig vertretenen Beteiligten regelmäßig anzunehmen, wenn in der letzten mündlichen Verhandlung nur noch ein Sachantrag gestellt und der Beweisantrag nicht wenigstens hilfsweise - auch durch eine ausdrückliche Bezugnahme auf einen früher gestellten Antrag - wiederholt wird (vgl ; SozR 3-1500 § 160 Nr 35). Dies ergibt sich aus dem Zweck und der Bedeutung der mündlichen Verhandlung, die vor allem auch der Erörterung der Sach- und Rechtslage dient (§ 112 Abs 2 S 2, § 153 Abs 1 SGG). In diesem Rechtsgespräch kann der Beteiligte ua auch auf seiner Ansicht nach weiter erforderliche Ermittlungen hinweisen und hinwirken. Vorsorglich hat er dann entsprechende Beweisanträge zu stellen, wenn er damit rechnen muss oder das Gericht zu erkennen gibt, dass weitere Tatsachenfeststellungen nicht beabsichtigt sind.
8Findet nach Hinweis des Gerichts auf eine beabsichtigte Entscheidung durch Beschluss, wenn das Gericht die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (Anhörung nach § 153 Abs 4 S 2 SGG), eine mündliche Verhandlung nicht statt, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Beteiligter einen zuvor mit Schriftsatz gestellten Beweisantrag nicht mehr aufrechterhält, wenn er den Beweisantrag nicht innerhalb der Anhörungsfrist wiederholt. Der Beweisantrag ist dann nach ständiger Rechtsprechung des BSG so zu behandeln, als habe er sich erledigt (stellvertretend: BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 31; - Juris; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 12; - Juris). So liegt der Fall hier.
9Da die Klägerin nicht behauptet, den schriftsätzlich gestellten Beweisantrag nach Erhalt der Anhörungsmitteilung des aufrechterhalten zu haben, hat sie eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) nicht hinreichend dargetan.
10Von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist ihre Rüge eines Verfahrensfehlers durch Verletzung des § 109 SGG (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG), sodass auch der vermeintliche Verstoß des LSG gegen diese Vorschrift der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zum Erfolg verhelfen kann.
11Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
12Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
13Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstelle(n):
QAAAE-85943