Gründe
1Das Landgericht hat
- den Angeklagten S. des versuchten Raubes,
- den Angeklagten K. des versuchten Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung,
- den Angeklagten Ko. des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung,
- die Angeklagte M. des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung
schuldig gesprochen. Es hat deswegen verurteilt
- den Angeklagten S. unter Einbeziehung eines Urteils des Jugend-schöffengerichts Hannover vom 17. September 2013 "sowie der beiden darin einbezogenen Urteile des Amtsgerichts Hannover" zu der Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten,
- den Angeklagten K. zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat,
- den Angeklagten Ko. zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten,
- die Angeklagte M. zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
2Der Angeklagte Ko. wendet sich mit der auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Die zu Ungunsten aller Angeklagten eingelegte, ebenfalls auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft erstrebt, soweit ausgeführt, die Verurteilung der Angeklagten S. und K. wegen einer vollendeten Raubtat sowie die Verurteilung dieser Angeklagten und des Angeklagten Ko. auch wegen einer tateinheitlich hinzutretenden gefährlichen Körperverletzung. Darüber hinaus beanstandet sie bei den Angeklagten S. , K. und Ko. die Bemessung der Strafe.
3Das Rechtsmittel des Angeklagten Ko. hat Erfolg; auf die Revision der Staatsanwaltschaft ist das Urteil indes auch zu dessen Nachteil aufzuheben. Im Übrigen führt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zur Aufhebung des Urteils zum Nachteil der Angeklagten S. und K. sowie zu Gunsten der Angeklagten M. . Unbegründet ist die Revision, soweit die Staatsanwaltschaft eine Aufhebung des Urteils zum Nachteil auch der Angeklagten M. erstrebt.
I.
4Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
51. Die Angeklagten drangen in die Wohnung des Geschädigten ein in der Absicht, diesem gewaltsam Marihuana wegzunehmen. Unmittelbar nach dem Betreten der Wohnung schlug der Angeklagte Ko. dem Geschädigten mit der Faust gegen die linke Kopfhälfte, so dass dieser kurzzeitig benommen zu Boden ging. Dies nutzte der Angeklagte Ko. aus, um dem Geschädigten in die hintere Hosentasche zu greifen und darin befindliche 100 € Bargeld an sich zu bringen. Anschließend drängten die Angeklagten den Geschädigten in das Wohnzimmer, wo er auf dem Sofa zu sitzen kam. Während die Angeklagten S. und K. die Wohnung durchsuchten, hielten die Angeklagten Ko. und M. den Geschädigten dort in Schach; der Angeklagte Ko. forderte ihn unter weiteren Schlägen mit der Hand vergeblich auf, das Versteck der Drogen preiszugeben. Nun schlug der Angeklagte K. dem Geschädigten mit den Kabeln einer vorgefundenen und herausgerissenen X-Box mehrfach auf den Rücken; der Angeklagte Ko. nahm eine ebenfalls vorgefundene "Gasschreckschusswaffe" nebst Gaspatronen an sich, lud diese, hielt sie dem Geschädigten an den Kopf und wiederholte seine Forderung nach Preisgabe des Verstecks. Der die Fassung verlierende Geschädigte begann laut zu schreien, sprang auf und wollte aus der Wohnung fliehen, was ihm aber nicht gelang, da die Angeklagten die Tür abgeschlossen hatten. Schließlich versetzte die Angeklagte M. dem herumrennenden Geschädigten aus einer mitgeführten Gassprühdose einen Sprühstoß ins Gesicht. "Die Angeklagten ließen nun die X-Box und den ebenfalls zur Mitnahme bereitgestellten Laptop fallen" und rannten aus der Wohnung. Der Angeklagte Ko. nahm neben dem entwendeten Bargeld auch ein von einem der Angeklagten vorgefundenes Mobiltelefon des Geschädigten sowie dessen Waffe mit. Die Waffe warf er vor dem Haus sogleich in ein Gebüsch.
62. Dass die Angeklagten S. und K. selbst einen Gegenstand aus der Wohnung des Geschädigten entwendet oder - wie demgegenüber bei der Angeklagten M. angenommen - die Wegnahme des Geldes, des Mobiltelefons oder der Waffe durch den Angeklagten Ko. bemerkt und in ihren Tatplan aufgenommen hätten, hält das Landgericht nicht für erweislich. Es geht bei diesen Angeklagten deshalb lediglich von einer versuchten Raubtat in Bezug auf das beim Geschädigten vermutete Marihuana aus. Ebenso wenig hat sich das Landgericht davon überzeugen können, dass die Angeklagten S. und K. den Einsatz der Pistole durch den Angeklagten Ko. , dessen Schläge gegen den Geschädigten oder die Benutzung des Gassprays durch die Angeklagte M. erkannt und gebilligt hätten, weshalb bei ihnen einerseits versuchter (besonders) schwerer Raub ausscheide und andererseits tateinheitlich lediglich beim Angeklagten K. (einfache) Körperverletzung wegen der Schläge mit den Kabeln hinzutrete. Gleichermaßen könne der Angeklagte Ko. nicht wegen tateinheitlich hinzutretender gefährlicher Körperverletzung verurteilt werden, denn auch bei ihm sei nicht erweislich, dass er die Absicht der Angeklagten, das Gasspray einzusetzen, erkannt und gebilligt hätte. Deren Verhalten stelle vielmehr einen Exzess dar.
7II. Die Revision der Staatsanwaltschaft
81. Zulässigkeit des Rechtsmittels
9Auch die (unbeschränkt) zu Ungunsten der Angeklagten M. eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist zulässig. Zwar erhebt die Begründungsschrift insoweit keine Einzelbeanstandungen, jedoch macht der gestellte Antrag, das Urteil in vollem Umfang aufzuheben, das Anfechtungsziel hinreichend deutlich (vgl. hierzu , NJW 2003, 839).
102. Angeklagter Ko.
11a) Der Schuldspruch weist durchgreifende Rechtsfehler sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil (§ 301 StPO) des Angeklagten Ko. auf.
12aa) Dessen Verurteilung wegen tateinheitlich hinzutretender (lediglich einfacher) Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB entbehrt einer sie tragenden lückenlosen Würdigung der Beweise.
13(1) Für sich gesehen rechtsfehlerfrei ist allerdings die Annahme des Landgerichts, bei der Benutzung des Gassprays durch die Angeklagte M. handle es sich um einen Exzess, der den anderen Angeklagten nicht zuzurechnen sei. Den Urteilsgründen ist noch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass die Angeklagte M. in der durch das unvorhergesehene Verhalten des Geschädigten entstandenen panikartigen Situation für die anderen Angeklagten überraschend zu diesem Mittel griff. Dies wird belegt durch die Aussage des Geschädigten, er habe laut geschrieen, sei im Zimmer herumgelaufen und habe mit den Fäusten gegen die Wand geschlagen, bis er plötzlich mit Reizgas besprüht worden sei. Dafür, dass auch die Mitangeklagten hiervon überrascht waren, spricht das nachfolgende Fallenlassen der Beute.
14(2) Das Landgericht hat es jedoch unterlassen zu prüfen, ob der Angeklagte Ko. die festgestellten Schläge gegen den Geschädigten mittels eines hinterlistigen Überfalls oder mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich beging (§ 224 Abs. 1 Nr. 3 und 4 StGB). Hierzu hätte es sich deshalb gedrängt sehen müssen, weil der Geschädigte nach den Feststellungen zunächst lediglich eine Person vor seiner Wohnungstür sah, nach deren Öffnen sogleich von allen Angeklagten zurückgedrängt wurde und unmittelbar darauf vom Angeklagten Ko. einen Faustschlag gegen den Kopf erhielt. Damit, ob diese Umstände auf einen auch von anderen Angeklagten gebilligten und unterstützten Angriff auf die Person des Geschädigten unter Ausnutzung eines Überraschungsmoments hinweisen, setzt sich das Landgericht indes nicht auseinander.
15bb) Keinen Bestand hat die Verurteilung des Angeklagten Ko. wegen besonders schweren Raubes (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB); insoweit ist das Urteil zu dessen Gunsten aufzuheben (§ 301 StPO).
16Das Landgericht hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, nähere Feststellungen zur Beschaffenheit der vom Angeklagten Ko. bei der Bedrohung des Geschädigten (mit Wissen und Wollen der Mitangeklagten M. ) eingesetzten geladenen Schreckschusswaffe zu treffen. Die Voraussetzungen des Qualifikationstatbestands des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB sind deshalb nicht belegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterfällt eine geladene Schreckschusspistole nur dann dem Waffenbegriff des § 250 StGB, wenn feststeht, dass beim Abfeuern der Waffe der Explosionsdruck nach vorne aus dem Lauf austritt und deshalb die Waffe nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen (vgl. hierzu nur , [...] Rn. 3 mwN). Dies ergeben die Urteilsgründe nicht.
17b) Unabhängig davon halten auch die Erwägungen des Landgerichts, mit denen es beim Angeklagten Ko. einen minder schweren Fall des besonders schweren Raubes (§ 250 Abs. 3 StGB) angenommen hat, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
18Für die Entscheidung, ob ein minder schwerer Fall angenommen werden kann, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entscheidend, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle so sehr abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Hierzu ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (vgl. , NStZ-RR 1998, 298).
19Daran mangelt es hier. Das Landgericht hat die Annahme eines minder schweren Falles im Wesentlichen damit begründet, die Tat erkläre sich letztlich aus der "persönlichen Verfassung" des Angeklagten, der "von impulsiver Art" sei und dem eine "ausreichende innere persönliche Festigkeit" fehle. So schätze er sich auch selbst dahin ein, dass er Gefahr laufe, spontanen Launen nachzugeben "und auf dieser Grundlage auch Straftaten zu begehen". Die "nicht unerhebliche Tatschwere", die sich daraus ergebe, dass der Angeklagte den Geschädigten in der eigenen Wohnung beraubt, ihn durch Vorhalt der geladenen Waffe ernstlich gefährdet und zudem den Tatbestand der Körperverletzung verwirklicht habe, berücksichtigt das Landgericht ebenso wie den Umstand, dass der Angeklagte "Jahre in Haft" verbracht habe, ohne sich von der neuerlichen Tat abhalten zu lassen, erst bei der konkreten Bemessung der Strafe innerhalb des nach § 250 Abs. 3 StGB gemilderten Rahmens. Auf die sich aus den Feststellungen ergebenden vier einschlägigen Vorstrafen seit dem Jahre 1997 wegen räuberischer Erpressung, schwerer räuberischer Erpressung und - in zwei Fällen - schweren Raubes geht das Landgericht nicht ein.
20Auf diesem Rechtsfehler kann die ausgesprochene Strafe zum Vorteil des Angeklagten Ko. beruhen.
213. Angeklagte S. und K.
22a) Die Verurteilung der Angeklagten S. und K. wegen nur versuchten Raubes (§ 249 Abs. 1, § 22 StGB) hat keinen Bestand. Soweit das Landgericht davon ausgeht, diese Angeklagten hätten durchweg lediglich beabsichtigt, das in der Wohnung vermutete Marihuana an sich zu bringen, nicht aber, Geld oder andere dort vorgefundene werthaltige Gegenstände wegzunehmen, bleibt die Würdigung der Beweise lückenhaft. So setzt sich das Landgericht schon nicht damit auseinander, dass der Angeklagte Ko. dem Geschädigten bereits unmittelbar nach dem Betreten der Wohnung - noch vor der vorübergehenden Trennung der Angeklagten - Bargeld entwendete und dass es der Angeklagte K. war, der die nach den Feststellungen zur Wegnahme vorgesehene X-Box herausriss. Ebenso wenig verhält sich das Urteil näher zu der Feststellung, dass "die Angeklagten" zudem einen Laptop zur Mitnahme "bereitstellten" und die Geräte - die sie offensichtlich schon in den Händen hielten - bei der Flucht fallen ließen. Sollten Mitangeklagte die Gegenstände bereitgestellt und an sich genommen haben, erhellt das Urteil nicht, was die Angeklagten S. und K. gehindert haben könnte, solche Handlungen wahrzunehmen.
23b) Soweit das Landgericht von einer Verurteilung dieser Angeklagten auch wegen tateinheitlich hinzutretender gefährlicher Körperverletzung abgesehen hat, nimmt der Senat auf die Ausführungen betreffend den Angeklagten Ko. Bezug [oben 2. a) aa)].
244. Angeklagte M.
25a) Aus den unter II. 2. a) bb) dargelegten Gründen hat auch die Verurteilung der Angeklagten M. wegen besonders schweren Raubes (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) keinen Bestand. Soweit das Landgericht bei der rechtlichen Würdigung der Tat darüber hinaus ausführt, die Angeklagte M. habe durch den Einsatz des Pfeffersprays Wegnahmehandlungen unterstützt, entbehrt das Urteil jeglicher Darlegungen dazu, woraus das Landgericht auf das Vorliegen wenigstens einer Beutesicherungsabsicht schließt (hierzu , BGHSt 52, 376).
26b) Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten M. zeigt die Überprüfung des Urteils anhand der Rechtfertigungsschrift der Staatsanwaltschaft demgegenüber nicht auf (§ 349 Abs. 2 StPO).
27III. Die Revision des Angeklagten Ko.28 Die Revision des Angeklagten Ko. hat aus den oben unter II. 2. a) bb) dargelegten Gründen Erfolg.
Fundstelle(n):
HAAAE-85891