Instanzenzug: S 13 VG 463/07
Gründe:
I
1Der 1967 geborene Kläger begehrt die Wiederaufnahme eines im Jahr 2010 abgeschlossen Gerichtsverfahrens über OEG-Ansprüche. Darin hatte der Kläger Entschädigungsleistungen geltend gemacht, weil er während einer Klassenfahrt am Zeuge einer exibistionistischen Handlung des Busfahrers geworden sei. Das LSG hatte die Klage abgelehnt; das Geschehen habe zwar einen sexuellen Missbrauch, jedoch keinen tätlichen Angriff iS des § 1 Abs 1 S 1 OEG dargestellt, weil es zu keiner körperlichen Einwirkung irgendeiner Art auf den Kläger gekommen sei (Urteil vom ).
2Zur Begründung seines am gestellten Wiederaufnahmeantrags hat der Kläger insbesondere Schulzeugnisse aus den Jahren 1975 - 1977 vorgelegt.
3Mit dem angefochtenen Beschluss vom hat das LSG die Wiederaufnahmeklage nach vorherigem Hinweis in entsprechender Anwendung des § 158 S 1 und S 2 SGG als unzulässig verworfen und dem Kläger Kosten in Höhe von 600 Euro auferlegt. Der Kläger habe weder einen Nichtigkeits- noch einen Restitutionsgrund dargelegt. Die Restitutionsklage sei gemäß § 582 ZPO auch deshalb unzulässig, weil seine alten Schulzeugnisse dem Kläger schon im Jahr 2010 vorgelegen hätten.
4Der Kläger hat am Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Es sei sehr schwer, einen Anwalt zu finden, der sich richtig bemühe, weshalb er um Beiordnung bitte. Der Senat des Ausgangsverfahrens habe seinen Werdegang nicht gesehen und auch nicht die wenigen ihm noch verbleibenden Möglichkeiten. Es sei absurd, von ihm eine frühere Vorlage der Zeugnisse zu verlangen.
II
51. Der Antrag des Klägers, ihm PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zu gewähren, ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 S 1, § 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn ua die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Daran fehlt es (dazu 2.).
62. Der Kläger kann aller Voraussicht nach mit seinem Begehren auf Zulassung der Revision nicht durchdringen, weil es keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Nach Durchsicht der Akten fehlen Anhaltspunkte dafür, dass er einen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe darlegen könnte.
7Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Die vom Kläger offenbar angestrebte allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG im Wiederaufnahmeverfahren in der Sache richtig entschieden hat, ist im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zulässig und kann daher nicht deren Erfolgsaussichten begründen (vgl BSG SozR 4-1750 § 78b Nr 1 RdNr 5 mwN).
8Schließlich ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG bezeichnen könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Danach ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der § 109 und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Hierfür liegt nichts vor. Es erschließt sich zum einen nicht, dass der Kläger entgegen der Ansicht des LSG einen der in § 179 SGG iVm §§ 579, 580 ZPO genannten Wiederaufnahmegründe schlüssig dargelegt haben könnte und deshalb die Verwerfung der Wiederaufnahmeklage durch das LSG verfahrensfehlerhaft sein könnte (vgl ). Insbesondere hat er durch die vorgelegten Kopien seiner alten Schulzeugnisse nicht den Wiederaufnahmegrund des § 580 Nr 7b Alt 1 und 2 ZPO - Auffinden oder erstmaliges Benutzenkönnen einer Urkunde - aufgezeigt. Denn hierzu zählen grundsätzlich nur Urkunden, die schon vor Abschluss des Berufungsverfahrens vorhanden waren, aber in diesem Verfahren weder bereits vorgelegen haben noch hätten vorgelegt werden können (vgl Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl 2012, § 580 RdNr 16a mwN). Warum er seine Zeugnisse aus den Jahren 1975 - 1977 nicht bereits im Ausgangsverfahren im Jahr 2010 hätte vorlegen können, hat der Kläger nicht erklären können.
9Unabhängig davon fehlt es auch an jeder Darlegung und jedem aktenmäßigen Hinweis, wie die genannten Zeugnisse, wie von § 580 Nr 7b ZPO vorausgesetzt, auf der Grundlage der Rechtsansicht des Berufungsgerichts allein durch ihren urkundlichen Beweiswert eine günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (vgl Zeihe, SGG, Anhang 8 § 580 ZPO RdNr 21a mwN), da das LSG im Ausgangsprozess schon einen tätlichen Angriff iS des § 1 Abs 1 S 1 OEG verneint hat.
10Angesichts dessen war es dem LSG im Wiederaufnahmeverfahren auch nicht verwehrt, die mangels schlüssiger Behauptung eines zulässigen Anfechtungsgrundes unzulässige Wiederaufnahmeklage (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014 § 179 RdNr 9 mwN) nach § 179 Abs 1 SGG iVm § 585 ZPO sowie § 158 S 1 und S 2 SGG in entsprechender Anwendung der allgemeinen Vorschriften durch Beschluss zu verwerfen, nachdem es den Kläger zu dieser Möglichkeit angehört hatte. Denn die Ablehnung eines unzulässigen Wiederaufnahmeantrags rechtfertigt kein aufwändigeres Verfahren als die Entscheidung über die Berufung selbst (vgl BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 6 mwN auch zur Gegenansicht).
11Die Auferlegung von Mutwillenskosten durch das LSG im angefochtenen Beschluss kann im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gesondert angegriffen werden (BSG SozR 1500 § 160 Nr 54).
123. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Fundstelle(n):
LAAAE-85573